Menden. .

Das Talent liegt wohl in der Familie: Der Großvater hatte eine eigene Nähmaschine, an der er Stücke ausbesserte, die Schwester fertigt daran jetzt Patchwork. Sabine Schierhoff (39) hat sich das Schneidern vor drei Jahren selbst beigebracht. Die Besonderheit: Sie näht Kleidung aus dem frühen 19. Jahrhundert – Unterkleider, Korsetts, Hauben, Taschen und Schuhe für die Dame, Fräcke und Hosen für den Herrn.

Die Nähstube ist im ersten Stock des Mendener Wohnhauses. Hier steht auch die historische Nähmaschine vom Opa. An ihr und dem alten Schätzchen aus den 50er/60er Jahren, das sie auf dem Trödelmarkt entdeckt hat, näht Sabine Schierhoff Probestücke. Die eigentliche Kleidung entsteht dann aber in mühevoller Detailarbeit per Hand.

Die Faszination des Lebens, Wohnens und Arbeitens um 1800

Die Faszination des Lebens, Wohnens und Arbeitens um 1800 begleitet Sabine Schierhoff schon lange. „Das ist wohl die Rache dafür, dass ich nach dem Abitur nicht Geschichte studiert habe“, sagt die gelernte Buchhändlerin und lacht. Sie besucht gern Museen und Schlösser, sieht sich die opulent ausgestatteten Verfilmungen der Romane von Jane Austen an. Und auch ihr Mann findet Gefallen an der Epoche. „Er restauriert aber lieber die Möbel.“ Es ist das Handwerk, das beide so begeistert.

Nähen konnte Sabine Schierhoff bis vor drei Jahren nicht. „Ich habe höchstens mal Kissen und Vorhänge gemacht.“ Nach und nach hat sie sich die Fertigkeiten selbst beigebracht. Die Schnittmuster für die historischen Kleider findet die 39-Jährige im Internet. Dort stößt sie auch auf Bilder. „Das Metropolitan Museum of Art in New York zeigt seine Kollektion beispielsweise im Internet. Man kann ganz nah an die Bilder heranzoomen.“ Und so werden auch Details sichtbar, die in der Mendener Nähstube umgesetzt werden. Das Wissen hat sich die Mendenerin durch Literatur angeeignet. Stoffe findet die 39-Jährige, die ihr Abitur am Heilig-Geist-Gymnasium gemacht hat, im Internet. Oder sie stöbert auf Stoffmärkten nach passenden Materialien und Mustern.

In den USA und in England ist diese Epoche viel beliebter

Menschen, die in Deutschland einem ähnlichen Hobby nachgehen, gibt es nur wenige. „In den USA und in England ist die Epoche viel beliebter. Ohne das Internet wäre ein Austausch also kaum möglich.“ Sabine Schierhoffs Freundin Andrea Wollek schneidert ebenfalls. Zweimal waren die beiden Frauen bislang öffentlich im Mendener Museum zu sehen. „Es macht einfach Spaß, das Handwerk in einem Museum zum Leben zu erwecken“, sagt die Hobby-Schneiderin. An richtigen Re-Enactments – Veranstaltungen, bei denen die Kostümierten auch so reden und sich verhalten, wie es die Epoche vorgibt – hat Sabine Schierhoff noch nicht teilgenommen: „Ich wüsste nicht, ob ich das könnte.“

In den Kleiderschränken der Mendenerin schlummern wahre Schätze: ein zitronengelbes Kleid, ein gestreifter Umhang, der Pelisse genannt wird, ein Frack aus dunkelbraunem Cord, zahlreiche Unterkleider. Für Freunde schneidert Sabine Schierhoff auch einmal ein Kleidungsstück. Und zweimal im Jahr werden die historischen Kostüme angezogen: zum Weihnachtsessen und einem Picknick mit Freunden.

Weitere Informationen dazu im Internet unter: http://kleidungum1800.blogspot.com.