Menden. Die Vielfalt von Nutzpflanzensorten soll bewahrt werden, deshalb startet die Dorte-Hilleke-Bücherei in Menden jetzt die Aktion „Saatgutleihen“.

Erstmals beteiligt sich Menden an dem Projekt des „Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt“„Saatgut leihen - Vielfalt ernten“ mit der Eröffnung der Saatgutbibliothek am Samstag, 2. März, ab 10 Uhr, in der Bücherei.

Mal sind es Tomatenpflanzen, vielleicht noch ein Topf mit ein paar Paprikastängeln oder eventuell Gurken, damit erschöpft sich heute oftmals die Zucht von eigenen gesunden und wohlschmeckenden Nutzpflanzen. Sei es aus Platzmangel, aus Desinteresse oder vielleicht auch Bequemlichkeit: Das, was vor 50, 60 Jahren noch Standard war, zumindest auf dem Dorf, ist heute eher selten geworden. Damals gab es sehr häufig die sogenannten Selbstversorger, frisches Gemüse aus dem eigenen Garten stand im Sommer fast jeden Tag auf dem Tisch.

Büchereileiterin Veronika Czerwinski und Tanja Musiol (rechts) sind überzeugt, dass es in Menden zahlreiche Neugierige für die Saatgutausleihe gibt.
Büchereileiterin Veronika Czerwinski und Tanja Musiol (rechts) sind überzeugt, dass es in Menden zahlreiche Neugierige für die Saatgutausleihe gibt. © WP Menden | Peter Benedickt

Nachdem aber in Lebensmittelläden, den Supermärkten und Discountern immer mehr „frische Vielfalt“ angeboten wurde, war es einfach, ohne schmutzige Hände in allen Jahreszeiten frische Produkte auf den Tisch zu bringen. Dass dabei vielfach der Geschmack auf der Strecke blieb, war meist zweitrangig.

Die Samen stammen meist von Hybridpflanzen

Doch langsam kam vor ein oder zwei Jahrzehnten auf, mehr als Hobby allerdings, sich auf dem Balkon, der Terrasse oder vor der Haustür ein paar Blumentöpfe mit dem Lieblingsnutzpflanzen heranzuziehen, um doch einmal seinen grünen Daumen zu beweisen.

„Wir lassen niemanden allein.“
Tanja Musiol und Ilka Beyer - Bücherei-Mitarbeiterinnen

Allerdings gibt es da durchaus ein Problem: Die Samen stammen meist von sogenannten Hybridpflanzen, die durch eine besondere Form der Züchtung entstehen. Dabei werden zwei reinerbige Elternlinien gekreuzt, die wiederum dadurch entstehen, dass die Pflanzen über mehrere Generationen immer wieder ausschließlich sich selbst befruchten. Es entsteht Reinerbigkeit, die Früchte gleichen sich, der Landwirt kann genau beurteilen, wie ertragreich die nächste Generation wird. Der Nachteil: Alles ist gleich, zudem die Pflanzen immer nur in der ersten Generation die gewünschten Eigenschaften haben, die außerdem zur Einwegpflanze werden, im nächsten Jahr muss wieder Saatgut gekauft werden, Artenvielfalt wird zum Fremdwort. Noch dazu kommt, dass Hybridpflanzen in den meisten Fällen ärmer im Geschmack sind und deutlich weniger Nährstoffe als alte Obst- und Gemüsesorten enthalten.

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Wer einen Büchereiausweis hat, kann teilnehmen

Dem entgegen steuern nun die Dorte-Hilleke-Bücherei-Mitarbeiterinnen Ilka Beyer und Tanja Musiol: „Wir haben von dem Projekt gehört, in Balve läuft es schon, und waren sofort begeistert.“ Vor fast vierzig Jahren wurde auf Initiative von Ludwig Watschong ein Verein gegründet, um alte samenfeste Sorten oder fast vergessene Arten wieder populärer in der Bevölkerung zu machen. Dabei wurde ein Konzept entwickelt, um von der Tomate bis zur Erbse Interessierten das Heranziehen „schmackhaft“ zu machen. Nun also auch in der Hönnestadt.

Eigene Früchte schmecken doch am besten.
Tanja Musiol und Ilka Beyer - Bücherei-Mitarbeiterinnen

Wer die Bücherei nutzt und einen entsprechenden Ausweis hat, kann sich das Saatgut ausleihen und im Garten oder auf dem Balkon anpflanzen. Aus fünf verschiedenen Gemüsesorten kann ausgewählt werden: Tomate, Erbse, Bohne, Salat und Gartenmelde, auch spanischer Spinat genannt. Es kommen ausschließlich traditionelle Sorten zum Einsatz, die uneingeschränkt vermehrt werden dürfen, die schmackhaft sind, einfach zu handhaben und die Sortenvielfalt sichern.

Organisatorin Tanja Musiol zeigt auf einer kleinen Schautafel, wann die Zeit zum Säen kommt.
Organisatorin Tanja Musiol zeigt auf einer kleinen Schautafel, wann die Zeit zum Säen kommt. © WP Menden | Peter Benedickt

Ausgegeben wird ein Bundle von zwei Tüten: Eine gefüllt mit den ausgewählten Samen, eine leere, in der am Ende der Aktion (Ende Sommer, Anfang Herbst) wieder geerntete Samen zurückgegeben werden, damit ist die Nachhaltigkeit gesichert. Wie das funktioniert: „Alles ernten, nur ein, zwei Stängel für uns stehen lassen.“

Die Initiatorinnen Ilka Beyer und Tanja Musiol können beruhigen: „Zu Beginn brauchen die Pflanzen täglich Pflege, später weniger. Mehr als zwei Quadratmeter Platz wird nicht benötigt, diese sollten eigentlich zu finden sein.“

Einen Flyer gibt es zusätzlich

Das Prozedere ist einfach, maximal fünf Arten können ausgeliehen werden, je Sorte nur einmal, damit werden Verwechslungen vermieden. Die kleinen Paketchen beinhalten fertig verpackte Samentütchen, die Beschriftung mit Sortenname und Anleitungen für die Aussaat, Pflege und Ernte sowie dem Tütchen für die Rückgabe des Saatgutes. Dazu gibt es jeweils einen Flyer für die unterschiedlichen Sorten. Alles natürlich kostenlos. Ebenso wie der Newsletter, in dem Tipps zur Pflege gegeben werden („Wir lassen niemanden allein“), aber auch zusätzliche Hinweise auf weiterleitende Literatur. Die „Ausleihpflicht“ der gesicherten Samen endet erst in neun Monaten. „Dabei werden wir niemanden wegen Überziehung verfolgen“, schmunzelt Veronika Czerwinski. Am Samstag, 2. März, ab 10 Uhr, gibt es noch ein kleines Rahmenprogramm, dabei wird etwa erklärt, wie fantasievoll sichergestellt wird, dass die einzelnen Pflanzen auseinandergehalten werden, eine Wäscheklammer, ein Glasdeckel oder ein Löffel sind da sehr hilfreich.

„Wir laden alle Interessierten ein, auch nur, wenn mal hineingeschnuppert werden soll, vielleicht können wir Überzeugungsarbeit leisten, denn eigene Früchte schmecken doch am besten“, verspricht Tanja Musiol, die auch versichert, dass demnächst ein eigenes Regal in der Bücherei mit entsprechender Fachliteratur gefüllt wird.