Menden. Die von Missbrauchsskandalen erschütterte Kirche kämpft um ihr Überleben. Papst-Kenner Andreas Englisch fordert in Menden Reformen.
Eine volle Kirche – allein das ist in diesen Zeiten schon ungewöhnlich. Dazu kommt allerdings, dass am Mittwochabend auch der Anlass ungewöhnlich war. In der Heilig-Geist-Kirche wurde kein Gottesdienst gefeiert – stattdessen stellte Andreas Englisch dort sein neues Buch „Das Vermächtnis von Papst Franziskus“ vor. Eine Lesung über das katholische Kirchenoberhaupt in einer evangelischen Kirche zeugt von der Toleranz, die sich viele Menschen von den christlichen Kirchen wünschen.
Für den Papst-Kenner Andreas Englisch ist Menden längst ein bekanntes Pflaster. In der Hönnestadt war er schon häufiger zu Gast und füllte stets die Säle, sogar sie Wilhelmshöhe. Für das Publikum ist es ganz offensichtlich spannend, mit dem Intimus hinter die Mauern des Vatikans zu gucken. Englisch kennt mehrere Päpste durch eigenes Erleben und durch mehrere Treffen. Mit ihm kann das Publikum – ob als Gast einer Lesung oder als Leser seiner Bücher – den katholischen Führern näher kommen als es sonst möglich ist.
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Andreas Wallentin, Inhaber der veranstaltenden Buchhandlung Daub, setzt sowohl beim Autorenherbst wie auch beim Autorenfrühling auf christliche Themen. Sie bewegen Menschen, auch in Menden. Und so war es kein Wunder, dass die Heilig-Geist-Kirche zum Start der neuen Veranstaltungsreihe voll war. Es mussten sogar noch Stühle dazugestellt werden.
Englisch: Missbrauchsvorwürfe zu lange ignoriert
Im Mittelpunkt des Abends stand natürlich das neue Buch „Das Vermächtnis von Papst Franziskus“, doch Englisch sprach auch über seine Begegnungen und Erfahrungen mit dessen Vorgängern Johannes Paul II. und Benedikt. Dabei wurde deutlich, wie unterschiedlich die Persönlichkeiten der Kirchenoberhäupter sind.
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Andreas Englisch sagte etwa, es sei ein Fehler gewesen, dass sich Johannes Paul II. nichts zu den Missbrauchsvorwürfen gegen Priester gesagt und sich stets vor die Geistlichen gestellt habe. Die Missbrauchsvorwürfe sorgen noch heute dafür, dass viele Menschen die katholische Kirche verlassen. Daran konnte auch die Tatsache nicht ändern, dass inzwischen mit Franziskus ein unkonventioneller Papst Verantwortung trägt, der anders als sein Vorgänger Benedikt gerne bei den Menschen ist – und Sicherheitsleute damit teilweise an Grenzen bringt. Englisch erzählte davon, dass Benedikt Tausende Menschen segnen wollte, die außerhalb des Vatikans auf einer Straße waren. Bedenken der Sicherheitsleute schlug er aus dem Wind. Er setzte sich durch und musste schließlich sogar mit dem Papamobil über eine Autobahn zurück in den Vatikan fahren – unterwegs segnete er weitere Gläubige.
Englisch: Kirchliche Ämter auch für Frauen
Doch diese Bilder passen nicht zu dem, was viele Menschen fühlen. Ob er noch Hoffnung für die katholische Kirche habe, wurde Englisch von einem Gast gefragt. Wenn es so weiterlaufe wie bislang, dann gebe es noch zwei Generationen Katholiken, befürchtet Englisch. Frauen müssten endlich kirchliche Ämter bekleiden dürfen, auch das Zölibat hält Englisch für nicht mehr zeitgemäß. „Und wo ist Gott?“, wollte ein anderer Zuhörer wissen. „Gott ist hier“, sagte Englisch und berief sich auf Worte von Papst Franziskus: „Er (Gott) wird nichts unversucht lassen, Sie zu erreichen.“
Andreas Englisch: „Das Vermächtnis von Papst Franziskus“, gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 368 Seiten, 24 Euro, ISBN: 978-3-570-10514-6