Menden. Die Stadt hat Katastrophen-Szenarien mit Starkregen durchgespielt und die Risiken berechnet. Für 1750 Hausbesitzer sieht es schlecht aus.

Wenn Menden von einem extremen Starkregen heimgesucht würde, dann hätten 1750 Häuser das höchste Risiko, von den Fluten heimgesucht zu werden. Welche das sind, ist auf den neuen Starkregen-Gefahrenkarten zu sehen. Für Bürgerinnen und Bürger will die Stadt sie im Herbst ins Internet stellen. Was sich nach einer eindringlichen Gefahrenwarnung anhört, schwächt Bürgermeister Roland Schröder vor der Presse sogleich ab: „Jedes der drei Szenarien geht von viel stärkeren Regenfällen aus, als wir sie zuletzt hatten, noch dazu im gesamten Stadtgebiet.“ Tatsächlich habe sich jüngst in Lendringsen gezeigt, wie eng begrenzt Starkregen fallen kann: Während halb Lendringsen im Frühjahr buchstäblich absoff, feierten die Halinger zeitgleich und praktisch nebenan bei Sonnenschein ihr Schützenfest.

Stadt will auch zeigen, wie sich Hausbesitzer besser schützen können – und müssen

In Lendringsen dagegen verwandelte der Starkregen den Bieberkamp von einer Straße in ein Fließgewässer. Das Wasser rauschte in Häuser und Garagen, in Firmen wie OBO legte es die Fertigung lahm und machte das große Freizeitzentrum Biebertal wochenlang unbetretbar. Die Schäden waren riesig, allein bei Bettermann waren es 2,5 Millionen Euro. Das war am 22. Mai, und die letzte Überflutung war da noch gar nicht lange her. Seit 2019 arbeitet die Stadt Menden bereits daran, besonders gefährdete Bereiche zu identifizieren und besser zu schützen. Aus den Gefährdungs- und Risikoanalysen erwächst jetzt ein konkretes Handlungskonzept – auch für Bürgerinnen und Bürger als Hilfe zur Selbsthilfe. Die Stadt will damit auch zeigen, wie Hausbesitzer sich selbst und ihr Hab und Gut besser gegen Starkregen wappnen können. Keine 20 Prozent der deutschen Kommunen haben all das bisher.

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Drei Katastrophen-Szenarien, die hoffentlich niemals eintreten

Die Mendener Verwaltung und der Stadtentwässerungsbetrieb SEM entwickelten in Abstimmung mit dem Märkischen Kreis ein „Starkregen-Risikomanagement“. Die Kosten werden zur Hälfte vom Land NRW übernommen. Mit dem Essener Fachbüro Dahlem erstellte man dafür eine „hydraulische Gefährdungsanalyse“. Die sieht drei Starkregen-Szenarien vor. Das extremste: 90 Millimeter Wasser auf jedem Quadratmeter Menden binnen einer Stunde – ein Ereignis, das es in Menden noch nie gegeben haben dürfte. Szenario 2 geht von 54 Millimetern aus, Szenario von 45. Alle drei sind jetzt in Starkregen-Gefahrenkarten für Menden eingearbeitet worden. Diese neuen Karten sollen erst der Politik vorgestellt und dann im Herbst auf der Stadt-Homepage für alle veröffentlicht werden.

Wen trifft der Starkregen? Fließrichtungen, Geschwindigkeit und Tiefe aufgezeigt

Sie berechnen Schäden, die Hochwasser und Starkregen in Menden anrichten können - und haben Hinweise für Hausbesitzer parat: (von links) Hubertus Allhoff und Michael Mathmann vom SEM mit Bürgermeister Roland Schröder und Projektleiter Thomas Höddinghaus.
Sie berechnen Schäden, die Hochwasser und Starkregen in Menden anrichten können - und haben Hinweise für Hausbesitzer parat: (von links) Hubertus Allhoff und Michael Mathmann vom SEM mit Bürgermeister Roland Schröder und Projektleiter Thomas Höddinghaus. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Die Karten zeigen die errechneten Fließrichtungen, die Geschwindigkeiten und Tiefen des Wassers bei Starkregen. Sie bildeten auch die Grundlage für die Risikoanalyse. Auch die Erosion, also die Gefahr von Erdrutschen oder Geröllabgängen, wurde analysiert. Daraus lassen sich wiederum Überflutungsgefahren und Schadenspotenziale ableiten. Und demnach gibt es in Menden 1750 Gebäude mit sehr hohem Risiko. 84 davon werden für öffentliche Zwecke genutzt. Für sie hat die Stadt jetzt Risiko-Steckbriefe erstellt.

Jetzt folgt das Handlungskonzept

Seit Anfang August hat die letzte Phase des Förderprojektes begonnen: das Handlungskonzept. Jetzt geht es um konkrete Vorschläge für organisatorische und bauliche Gegenmaßnahmen. Und es geht um die Informationspflicht der Stadt gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern. So sollen auch Maßnahmen zur Sensibilisierung und besseren Vorbereitung auf Starkregen erarbeitet werden.

Anleitungen zur Selbsthilfe für Bürger: Stadt kann keinen 100-Prozent-Schutz bieten

Neben einem Krisenmanagement gibt es auch eine Anleitung zur Selbsthilfe. Denn einen 100-Prozent-Schutz vor Auswirkungen von Starkregen kann keine Stadt geben: Bürgerinnen und Bürger sollen daher zusätzlich etwas tun, um sich auf Überschwemmungen vorzubereiten und ihr Leben, ihre Gesundheit und ihr Eigentum mit zu schützen. „Die Stadt Menden will sich und ihre Einwohner so gut wie möglich auf Starkregen und andere Wetter-Extreme vorbereiten. Mit der Erstellung der Starkregen-Gefahrenkarten und der Entwicklung des Handlungskonzeptes haben wir jetzt bereits wichtige Schritte in diese Richtung unternommen“, zeigt sich Bürgermeister Schröder überzeugt. Zugleich betont er, dass es nicht um Panikmache gehe: „Aber wir wollen auch auf möglichst vieles vorbereitet sein.“

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Steigende Versicherungsprämien, fallende Preise dank der Gefahrenkarten?

Dass die Gefahrenkarten selbst die Gefahr bergen, bei Schwarz auf Weiß festgestellten hohen Risiken den Wert von Wohngebäuden zu verringern oder Versicherungsprämien hochzutreiben, glaubt Schröder nicht: „Gerade Starkregen kann überall fallen, und was immer dann unter der Zelle liegt, kriegt ein Problem.“ Anders als bei Hochwasser aus den Flüssen seien nicht nur Uferbereiche besonders gefährdet. Bei Regen gehe es eher darum, dass große Wassermassen aus Feldern und Wäldern in Straßen und Wohngebiete rauschen – wie zuletzt in Lendringsen. Insofern könne es gerade bei diesem Thema keine negativen Auswirkungen der Kartierung auf bestimmte Wohnlagen geben.