Menden. Waffen für den Frieden – Altbundespräsident Joachim Gauck bezieht klar Stellung zum Krieg in der Ukraine. Er setzt auf die Kraft der Demokratie.
Dass Altbundespräsident Joachim Gauck als Christ die Lieferung von Waffen an die Ukraine für richtig hält, sorgt durchaus für Kritik. Doch Gauck hält es für unbedingt notwendig, die Ukraine im Kampf gegen den Aggressor Russland zu unterstützten. Das machte er auch bei seinem Besuch am Dienstagabend auf der sehr gut besuchten Wilhelmshöhe deutlich.
Gauck war schon zum dritten Mal in Menden und erneut gerne der Einladung von Buchhändler Andreas Wallentin gefolgt – ganz entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten, denn für Lesungen kehrt Gauck sonst nicht an ihm bekannte Orte zurück. Menden aber hat er in sein Herz geschlossen – und Menden ihn. Das Publikum lauschte aufmerksam, als er Stellung bezog zur Rolle des russischen Präsidenten Wladimir Putin und zu den Versäumnissen Deutschlands und Europas im Umgang mit dem Land, das längst wieder imperialistische Ansprüche stelle.
„Erschütterungen“ ist der Titel des Buches, das Gauck – wie zuvor schon seine Biografie – gemeinsam mit Helga Hirsch verfasst hat. Ein bedrückender Titel, das weiß Gauck: „Ich bin in Deutschland eigentlich doch für die Zuversicht zuständig. Aber keine Sorge: Das bleibt auch so.“ Tatsächlich endet auch das Buch mit einem optimistischen Ausblick. Gauck glaubt an die Kraft und die Wehrhaftigkeit der Demokratie. Wer sollte es besser wissen als der Mann, der einst selbst für die Freiheit der Menschen in der DDR gekämpft hat: „Ich weiß noch, wie es ist, in Unfreiheit zu leben und sich nach der Freiheit zu sehnen.“
Gefahr nicht erkannt
Joachim Gauck macht keinen Hehl daraus, dass der Westen aus seiner Sicht zu zurückhaltend reagiert hat. Mit den beiden Tschetschenien-Kriegen, dem Eingreifen in Georgien und erst recht mit Besetzung von Flächen der Ostukraine und der Annexion der Krim durch ein „Referendum unter Vorhalt von Waffen“ habe Russland gezeigt, dass es nach Ausbreitung strebt. Für Gauck nachvollziehbar. „Seit der Zarenzeit gab es immer ein Russland Plus, in der Sowjetunion unter anderem Namen“, erklärte Gauck. Russland habe immer andere Völker zu sich gezählt. „Putin testet jetzt in der Ukraine, wie weit er noch gehen kann.“
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In seinem Buch vergleicht Gauck die Situation nach 1990 mit der nach dem Ersten Weltkrieg. „Was für den Großteil der Mittelosteuropäer ein Grund zu feiern war, löste in Deutschland (...) massive Kränkungsgefühle und sodann den Wunsch nach Revanche aus“, schreibt Gauck mit Blick auf die Neuordnung ab 1918. In vergleichbarer Weise hätten mit dem Ende der Sowjetunion ehemalige Sowjetrepubliken Freiheiten gewonnen und demokratische Strukturen entwickelt: „Was für die Ukraine und andere Völker ein Grund zum Feiern war, löste in Russland Enttäuschung, Wut und den Wunsch nach Revanche aus.“
Gauck versteht es, komplexe Zusammenhänge leicht verständlich zu erklären. Er nennt das „volkstümlich“. Und er betont, dass sein Buch zwar ein Sachbuch, aber kein Fachbuch sei. Hoffnungen auf eine weitere Veröffentlichung enttäuschte der 83-Jährige allerdings. „Dies soll mein letztes Buch sein“, erklärte der Bundespräsident a.D. auf der Wilhelmshöhe.
Dort wurde ihm dann noch eine besondere Ehre zuteil. Mendens Bürgermeister Dr. Roland Schröder war nach dem Ende der Kulturausschusssitzung in Mendens gute Stube geeilt, um Gauck zu bitten, sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen. Gauck war nicht nur überrascht, sondern auch sichtlich erfreut. Er nahm noch einmal Platz, zückte den Kugelschreiber und unterschrieb nicht nur mit seinem Namen, sondern setzte auch noch das Wort „Dankbar“ mit einem Doppelpunkt darüber. „Ihnen und Ihrer Stadt alles Gute“, gab er Schröder mit einer Umarmung mit auf den Weg.
Im Anschluss nahm sich Gauck auch noch viel Zeit, seine Bücher zu signieren. Dabei stand er auch für Fotos mit den Besucherinnen und Besuchern zur Verfügung. Erst, als wirklich jeder Wunsch erfüllt war, stieg er gemeinsam mit Andreas Wallentin in die vor dem Eingang stehende schwarze Limousine.
Joachim Gauck und Helga Hirsch: „Erschütterungen“, Siedler-Verlag, gebundene Ausgabe mit 238 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-8275-0181-3