Menden. Polit-Posse: Für Mendens Baudezernent Frank Wagenbach war’s die letzte Ausschusssitzung nach 47 Jahren im Rathaus. Und die wäre fast ausgefallen.
Kuriose Szenen können auch in der sonst so ernsten Mendener Kommunalpolitik vorkommen. Das beweist der Mittwochabend im Rathaus, wo die Sitzung des Mobilitätsausschusses um ein Haar geplatzt wäre – wegen Beschlussunfähigkeit. Beinahe wäre damit auch die allerletzte politische Sitzung des scheidenden Baudezernenten Frank Wagenbach nach 46 Jahren und elf Monaten im Mendener Rathaus zum Rohrkrepierer geworden. Kurios daran ist vor allem der Grund.
Aus 7:8 wird 8:8 – doch der Ausgleich durch „Atze“ Salmen reicht nicht
Denn zu Beginn der Sitzung um 17 Uhr sitzen für die Fraktionen nicht – wie vorgeschrieben – mehr (gewählte) Ratsmitglieder als (nur bestellte) sachkundige Bürger im Raum. Sondern sieben Ratsherren und acht Sachkundige. Das aber würde für die Sitzung das Aus bedeuten. Da hilft es erstmal auch nichts, dass Andreas „Atze“ Salmen als eilends herbeigerufener grüner Ratsherr hereinschneit. Es steht nur 8:8, und auch ein Unentschieden reicht nicht. Bürgermeister Roland Schröder appelliert an alle, man könne sich politisch auch nur auf einstimmige Empfehlungen oder Beschlüsse einigen und strittige Fragen ausklammern. Peter Köhler (Grüne) stellt fest: „Na ja. Beschlussunfähig ist beschlussunfähig.“
Bürgermeister-Idee: Hat ein „Sachkundiger“ zuhause noch etwas Dringendes zu tun?
Verworfen wird auch die Schröders nächste Idee: Es könne ja einem oder zwei sachkundigen Bürgern einfallen, dass sie jetzt zuhause ganz dringend etwas zu tun haben. Derlei Rauskomplimentierungen, und seien sie noch so höflich vorgetragen, soll es laut dem Ausschussvorsitzenden Matthias Eggers (CDU) jedoch keinesfalls geben.
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Kiaulehn für Schwittay: Am Ende rettet ein zweiter Tausch die Sitzung
Damit erscheint das Patt so final wie fatal. Doch was folgt, ist eine Mischung aus Rechenaufgabe und viel Diplomatie, und am Ende steht ein schlichter Tausch: „Henry“ Kiaulehn, Vollmitglied der Fraktion „Menden Innovativ“ (MI) und ursprünglich im Saal nebenan im Inklusionsrat gefordert, hilft dem maladen Mobi-Ausschuss aus. Dafür verlässt Helmut Schwittay als sachkundiger Bürger der MI den Raum, um auf Kiaulehns Beiratssessel im Ratssaal Platz zu nehmen.
Unverhofft warmherziger Applaus der Konkurrenz für den MI-Ratsherrn
Als Kiaulehn nach all dem Hin und Her den Sitzungsraum des Mobilitätsausschusses betritt, empfängt ihn unvermutet ein warmherziger Applaus der versammelten politischen Konkurrenz. Obendrauf gibt’s ein Extra-Dankeschön von Matthias Eggers. Der kann – mit viertelstündiger Verspätung, aber sichtlich erleichtert – die Beschlussfähigkeit seines Gremiums doch noch feststellen. Dass zu diesem Zeitpunkt noch zwei angekündigte SPD-Vertreter fehlen, ist da nicht mehr so wichtig: Markus Schröer (Ratsmitglied) und Vassilios Karamousanlis (sachkundiger Bürger) verändern ja an der entscheidenden Verhältnisrechnung nichts mehr, als sie eine halbe Stunde zu spät eintreffen. Seit an Seit.
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Wie konnte es zu dem Beinahe-Eklat kommen?
Nach all den Stimmungsschwankungen, die von Resignation („Dann beenden wir das doch gleich“) über hektische Betriebsamkeit („Roland, holst du den Henry da raus?“) bis hin zu dem begeisterten Beifall auf offener Politbühne reichten, bleibt noch die Frage: Wie konnte es zu diesem Beinahe-Eklat kommen?
Vorsitzender Eggers (CDU) will retten, was zu retten ist – doch die FDP schießt quer
So nämlich: Matthias Eggers erhält am Mittwochmittag die Absage des Ratsmitglieds der UmSo-Fraktion. Damit, das weiß er, steht es zwischen Ratsmitgliedern und Sachkundigen in dem 19-köpfigen Ausschuss 9:9. Um die Sitzung zu retten, greift Eggers zum Handy. Unversehens kommt damit das frisch gebackene CDU-Ratsmitglied Frank Oberkampf zum Ersteinsatz als Kämpe der Union. Im Gegenzug verhilft Eggers dem sachkundigen Bürger Dennis Böcker zu einem politikfreien Mittwochabend. Bei den Grünen wird zudem „Atze“ Salmen eingewechselt. Doch dann erscheint alles für die Katz. Denn laut Eggers erscheint der FDP-Fraktionsvorsitzende und Ratsherr Stefan Weige unangekündigt nicht höchstselbst, sondern schickt – einen sachkundigen Bürger. Und ihrerseits die Pferde tauschen wollen die Liberalen an diesem Abend nicht mehr.
WSG-Aufsichtsrat hätte noch als Ersatzbank dienen können
Immerhin: Dank des ebenfalls im Rathaus tagenden WSG-Aufsichtsrates hätte es sogar noch Alternativen zu Kiaulehn gegeben – in Form weiterer austauschbarer Ratsherren. Etwa Christian Feuring als MI-Fraktionschef für Schwittay. Oder Feurings Amtskollegen und Ex-Parteigenossen Mirko Kruschinski, der für Karamousanlis hätte einspringen können. Das aber braucht es jetzt nicht mehr. Alle sind’s zufrieden und können beschließen, was sie wollten. Und Baudezernent Frank Wagenbach kommt nach fast 48 Rathaus-Jahren verdientermaßen zu Eggers’ Dankesworten aus dem Ausschuss (die WP berichtet).
Mobilitäts-Ausschuss lehnt weiteres Gremium ab – aus leidvoller Erfahrung
Der Antrag der USF/UWG-Fraktion auf einen städtischen Unterausschuss zum öffentlichen Nahverkehr wird in dieser Sitzung übrigens verworfen. Die Begründung liefert Eggers: „Ich bin gegen ein neues Gremium. Wir schaffen es ja kaum, einen regulären Fachausschuss beschlussfähig zu halten.“