Hüingsen. Wie gut geht es Deutschland? Darüber lässt sich streiten. Ulrich Bettermann und der Journalist Prof. Sigmund Gottlieb zeichnen ein düsteres Bild.

Wenn vom Aufschwung die Rede ist und Deutschland als Top-Wirtschaftsnation bezeichnet wird, dann fühlt sich der Mendener Unternehmer Ulrich Bettermann getäuscht. „Die wirtschaftliche Lage ist schlechter, als es der Mainstream sagt“, erklärt der OBO-Chef im Rahmen einer Lesung mit seinem Freund Prof. Sigmund Gottlieb. Der Mann, den viele Menschen als Kommentator bei den Tagesthemen kennen, ist ins OBO-Forum gekommen und stellt dort sein Buch „So nicht!“ vor.

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Der Buchtitel legt es schon nahe: Gottlieb sieht Deutschland auf einem Irrweg. Nur noch in sehr wenigen Bereichen sei Deutschland Spitze, in den meisten falle das Land ins Mittelmaß ab. Um Spitze zu sein, müsse sich etwas ändern, mahnt Gottlieb. „Das Glas ist nicht halbvoll, es ist halbleer – und vielleicht sogar noch ein bisschen mehr“, sagt Gottlieb. Es fehle an Ehrlichkeit, das zu sagen. Sich ehrlich zu machen sei aber eine Voraussetzung dafür, Lösungen zu finden.

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Prof. Sigmund Gottlieb zeichnet in seinem Buch „So nicht!“ ein schonungsloses Bild von Deutschland.
Prof. Sigmund Gottlieb zeichnet in seinem Buch „So nicht!“ ein schonungsloses Bild von Deutschland. © WP | Dirk Becker

In der Verantwortung sieht Gottlieb aber nicht nur die Politik, sondern auch seine eigene Zunft: den Journalismus. Getrieben von Klicks im Internet komme Recherche oft zu kurz – von der kleinen Regionalzeitung bis zum großen TV-Sender gehe es um Schnelligkeit. Und: Es gebe Tabus. Bei seinen Kommentaren in der ARD habe er oft Kritik geerntet, bestimmte Dinge könne er so nicht sagen. Genau das aber will Gottlieb – und er tut es in „So nicht! – Klartext zur Lage der Nation“: auch Unpopuläres sagen, abseits des Mainstreams.

Da ist er auf einem Weg mit Bettermann. „Die Laienspielgruppe in Berlin wird uns noch viele Arbeitsplätze kosten“, prophezeit der OBO-Chef. Darf man die Regierung so bezeichnen? Ja, sagt Gottlieb. Zur Offenheit gehöre, bestimmte Meinungen nicht zu tabuisieren. Stattdessen spielten sich Journalisten als Meinungsmacher auf, die genau wüssten, was getan werden müsse. „Mussisten“ nennt Gottlieb sie und übt Kritik daran, dass sie sich über das Wissen von Fachleuten hinwegsetzten.

Das Publikum im OBO-Forum geht mit Gottlieb nicht unkritisch um.
Das Publikum im OBO-Forum geht mit Gottlieb nicht unkritisch um. © WP | Dirk Becker

Nach der Lesung erntet Gottlieb auch Kritik. Der im Publikum sitzende Apotheker Dr. Lothar Müller kritisiert, Gottlieb zeige keine Lösungsansätze aus der Krise. Er rede vieles schlecht, ohne Perspektiven aufzuzeigen. Gottlieb gibt ihm Recht: „Das höre ich öfter. Aber ich bin kein Therapeut, ich stelle nur einen Befund fest.“ Für die Therapie sei er nicht zuständig. Welcher Politiker in der Lage sei, diese Herausforderungen zu meistern, wird er noch gefragt. „Ich sehe da keinen, kann keinen Namen nennen“, sagt Gottlieb und bleibt sich damit selbst treu: Er will kein „Mussist“ sein. Scheint ein schwieriger Fall zu sein, dieses Deutschland.

Andreas Wallentin, der die Lesung mit der Buchhandlung Daub begleitete, zieht ein zufriedenes Resümee: „Ich fühlte mich wie früher beim Kommentar in den Tagesthemen“, sagt er. Meinungsvielfalt ist auch für den Buchhändler ein hohes Gut und wie es der Wirtschaft wirklich geht, das erfährt er immer wieder auch aus den Reihen des Initiativkreises Mendener Wirtschaft, dessen Vorstandsvorsitzender er ist.

Sigmund Gottlieb: „So nicht!“, LMV, Hardcover, 349 Seiten, 24 Euro, ISBN: 978-3-7844-3598-5