Menden. Mit einem Messer hat ein Mendener (21) seinen Vermieter schwer verletzt. Jetzt musste er sich vor Gericht verantworten. So lautet das Urteil.

Ein Streit zwischen Mieter und Vermieter in einem Haus in Menden eskaliert, der Mieter zückt ein Messer. Und auch wenn er seinen Kontrahenten angeblich nur abschrecken wollte, hat der andere am Ende eine schwere Verletzung am Arm. Deshalb ging es nun vor Gericht.

In der Verhandlung vor dem heimischen Amtsgericht krempelt der heute 46-jährige Geschädigte seinen Pullover hoch und zeigt den Beteiligten des Verfahrens die gut zwölf Zentimeter lange Narbe an der Innenseite des Ellenbogens. „Ich nehme heute noch Schmerzmittel und die Hand fühlt sich taub an“, berichtet er weiter. In seinen Beruf habe er mittlerweile zurückkehren können, aber ob er jemals wieder ohne Beschwerden sein werde, das sei noch offen.

Angeklagter hat am Tattag zunächst Streit mit seiner Mutter

Wie ist es zu dieser gravierenden Verletzung gekommen? Der Vorfall ereignet sich in einem Mehrfamilienhaus in Menden an einem Nachmittag im August 2022. Das spätere Opfer wohnt mit seiner Familie im Erdgeschoss, eine Dachgeschosswohnung im Haus hatten sie damals an einen heute 21 Jahre jungen Mann vermietet. In einer weiteren Wohnung wohnt dessen Mutter. Als der damals noch 20-Jährige an dem Nachmittag von der Arbeit nach Hause kommt, hat er zunächst Streit mit seiner Mutter, wie er in der Gerichtsverhandlung selber berichtet. Aufgewühlt und sauer geht er dann hoch in die eigene Wohnung, wo er vor Wut einen Spiegel und eine Schranktür kaputt tritt. Auch das räumt er selbst noch ein. +++ Lesen Sie auch: Gericht in Menden: Auf Pfingstkirmes mit Schlagring unterwegs +++

Wohnung in Mehrfamilienhaus in Menden möbliert vermietet

Diesen Wutanfall bekommt auch der Vermieter mit, der damals in seiner eigenen Wohnung sitzt. Vor Gericht erzählt er, er habe die Wohnung an den jungen Mann zum Großteil möbliert vermietet. Nun muss er mit anhören, wie der Mieter Teile des Inventars zerstört und will ihn zur Rede stellen. Bis zu diesem Punkt sind die Schilderungen beider Beteiligter in dem Prozess vor dem Jugendschöffengericht noch ungefähr deckungsgleich.

Heranwachsende im Strafrecht

Menschen zwischen 18 und 21 Jahren gelten im Strafrecht bei Begehung eines Gesetzesverstoßes als Heranwachsende, die nach Jugendstrafrecht oder nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden können. Das entscheidet das Jugendgericht selbst, eine Jugendgerichtshilfe gibt eine Empfehlung.

In diesem Fall stellte der Mann Reifeverzögerungen bei dem Angeklagten fest aufgrund schwieriger familiärer Verhältnisse und psychischer Beeinträchtigungen. Andererseits lobten die Beteiligten auch seine gute Zukunftsaussicht durch eine Berufsausbildung, die ihm viel Spaß mache. Das wolle man durch härtere Sanktionen wie eine längere Haft auch nicht gefährden.

„Schädliche Neigungen erkenne ich nicht“, stellte der Vertreter der Jugendgerichtshilfe fest.

Zu Streit sei es zwischen beiden auch vorher schon öfter gekommen. Doch wie es in der Wohnung des jungen Mannes eskalierte und es schlussendlich zu der schweren Verletzung kam, das stellen beide zunächst doch ganz unterschiedlich dar. Laut dem 21-Jährigen hat ihn sein Vermieter direkt angegriffen. „Er hat mir sofort eine gegeben.“ Gemeint waren Schläge mit flacher Hand oder Faust. Deshalb habe er sich mit Schubsern gewehrt. „Und ich habe ihn höflich aufgefordert zu gehen.“

Der junge Mieter hat damals ein Butterfly-Messer in der Hosentasche. Der Besitz ist verboten, das wisse er selber. Aber er habe es zuvor auch noch nie benutzt und nur als Souvenir besessen. In einem Akt der Verzweiflung habe er es nun hervorgeholt und aufgeklappt, um den Vermieter loszuwerden. „Das war mein letzter Ausweg.“ +++ Lesen Sie auch: Polizei Hagen: Immer mehr Verletzte durch Messer-Angriffe +++

Mutmaßliches Opfer schildert das Geschehen in seiner Aussage anders

Das mutmaßliche Opfer schildert das in seiner Aussage anders. Zwar sei er auch selber laut und wütend gewesen in der Situation, aber nicht gewalttätig. Sein Mieter habe ihm mit der Faust ins Gesicht und damit die Brille von der Nase geschlagen. „Danach war ich benommen.“ An einen Angriff mit dem Messer durch seinen Kontrahenten könne er sich nicht mit Sicherheit erinnern, es kam zu einem Tumult. Aber er habe dann sofort etwas Heißes am Arm gespürt: das Blut, das dann in großen Mengen aus der Wunde am Ellenbogen floss. Der heute 46-Jährige taumelte zurück, war benommen, sein Blut fand sich später im ganzen Treppenhaus.

Einen beabsichtigten Angriff bestreitet der Angeklagte. „Ich habe mit dem Messer nicht rumgefuchtelt und bin nicht in die Offensive gegangen.“ Trotzdem kam es zu der großen Wunde. Er sei schockiert gewesen, als der Kontrahent dann blutend zusammenbrach und von Rettungskräften ins Krankenhaus gebracht wurde. „Ich hatte Angst, dass er stirbt.“

Angeklagter ruft selbst den Notarzt, Polizei nimmt ihn mit auf die Wache

Der junge Mann hatte selbst Notarzt und Polizei gerufen, die ihn dann auch auf die Wache mitnahm, wo er über Nacht in der Zelle blieb. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass für das Opfer wohl keine konkrete Lebensgefahr bestand, weil nur der Bizeps und nicht die lebenswichtige Arterie verletzt wurde. „Aber es war kurz davor“, stellte Richter Martin Jung mahnend fest.

Einen konkreten Angriff des heute 21-Jährigen konnte das Schöffengericht letztlich nicht nachweisen, auch die Frau des Opfers kam erst wenige Augenblicke nach der schweren Verletzung hinzu und hatte nichts beobachtet. So milderte das Gericht die Anklage von einer gefährlichen zu einer fahrlässigen Körperverletzung ab. Dazu kam der illegale Waffenbesitz. Der Mendener wurde nach Jugendstrafrecht verurteilt, und bekam einen zweitägigen Kurzarrest aufgebrummt, in dem er, so Richter Jung, gründlich über sein Verhalten nachdenken soll. Dazu muss er 5000 Euro Schmerzensgeld wegen der gravierenden Folgen an den Geschädigten zahlen.