Menden. Eine Halle an der Menden-Arena wird zum großen Umschlagplatz für Hilfsgüter: Cigdem Kar und Mary Celic organisieren die Halle der Hilfe.

Die Hilfsgüter stapeln sich die Wände hoch. Es sind Medikamente, Verbandszeug, Windeln, Babynahrung, aber auch warme Kleidung und Decken. Was mit dem WP-Bericht vom Donnerstag über die erste kleine Hilfsgüter-Sammlung von Cigdem Kar im Lendringser Sofra-Grill begann, hat sich nach einem anschließenden Internet-Aufruf in kürzester Zeit zu einer wirklich großen Hilfsaktion für die Erdbebenopfer im türkischen Katastrophengebiet entwickelt.

Hilfsgüter für Erdbebenopfer kommen auch aus dem Ruhrgebiet nach Menden

Schauplatz ist eine Halle der „Menden-Arena“ in Bösperde. Deren Betreiber Yunus und Mary Celik haben sie Cigdem Kar spontan zur Verfügung gestellt. Jetzt entsteht neben dem ehemaligen Real-Markt ein großer Umschlagplatz für Sachspenden aus ganz Westfalen – und womöglich sogar darüber hinaus. Für das Wochenende sind auch zwei voll beladene Hilfsgüter-Lkw aus Berlin in Menden angekündigt.

Bürgermeister Schröder lobt das enorme Engagement in Menden

Sie organisieren in Menden die Halle der Hilfe: (von links) Mary Celik, Sezai Koc und Cigdem Kar.
Sie organisieren in Menden die Halle der Hilfe: (von links) Mary Celik, Sezai Koc und Cigdem Kar. © WP | Thomas Hagemann

Mendens Bürgermeister Roland Schröder kann bei seiner Stippvisite am Freitagabend jedenfalls nur bestaunen, was zwei starke Frauen hier ins Leben gerufen haben: „Als die Lieferungen in den Sofra-Grill immer mehr wurden, ist uns Mary Celik mit dieser großen Halle zu Hilfe gekommen“, berichtet Cigdem Kar und nimmt ihre Freundin fest in den Arm. Der Bürgermeister zeigt sich angetan: „Das ist ein unglaubliches Engagement!“

Wie in der Industrie: Eingehende Ware wird geprüft, sortiert und versandfertig gemacht

In der Halle neben der Menden-Arena arbeiten an diesem Freitagabend gut und gern 20 Frauen und Männer. Sie nehmen die fortlaufend eintreffenden und durchweg neuwertigen Waren in Empfang. Die Kartons kommen vor allem aus Menden, vielen Nachbarstädten und aus dem Ruhrgebiet. Der Job der freiwilligen Helferinnen und Helfer ist es, den Inhalt zu prüfen, zu sortieren, nach Sorten wieder in Kartons zu verpacken und diese dann gut sichtbar zu etikettieren. So bauen sie einen Turm nach dem anderen: überlebenswichtige Hilfen, sauber geordnet und bereit zum Abtransport.

Medikamente sollen schnellstmöglich auf die Startbahn ins Katastrophengebiet

Hilfs-Lkw aus Menden unterwegs

Der am Mittwoch in Menden auf Battenfeldswiese beladene Hilfstransport mit Fahrer „Richie“ ist am Samstagnachmittag an der bulgarisch-türkischen Grenze nach 2200 Kilometern Fahrt angekommen.

Der Iserlohner Brummi-Kapitän versorgt die Daheimgebliebenen mit Videos vom Grenzübertritt – und will auch aufnehmen, was ihn weiter erwartet.

Bis zu seinem Zielort im Katastrophengebiet haben Richie und der zweite Fahrer noch 1500 Kilometer vor sich.

Das Allerwichtigste bei den Lieferungen sind Arzneimittel und medizinisches Gerät aller Art. Werden solche lebensrettenden Schätze ausgepackt, dann wandern sie in der Halle sofort auf gesonderte Stapel. Denn diese Kartons sollen nicht auf die Straße, sondern schnellstmöglich auf eine Startbahn gebracht werden: direkt ins Katastrophengebiet. Die Flüge dafür, berichten die Helfer in Menden, organisiere das türkische Konsulat in Essen. Die Lkw, die all die gespendeten Hilfsgüter abholen, sollen vom türkischen THW kommen.

Viele engagierte Helfer haben Familien in der Erdbeben-Region

Klarer Fall für den Flieger: Diese gespendeten Notfall-Sets sollen auf schnellstem Weg ins Erdbebengebiet.
Klarer Fall für den Flieger: Diese gespendeten Notfall-Sets sollen auf schnellstem Weg ins Erdbebengebiet. © WP | Thomas Hagemann

In der Halle herrscht geschäftiges Treiben, es wird konzentriert gearbeitet. Was auffällt: Es sind offenkundig ausschließlich Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, die hier arbeiten. Vielfach stammen sie aus dem jetzt so furchtbar getroffenen Südosten der Türkei. Bei ihren Internet-Aufrufen hatten die Mendener Autoren darauf geachtet, sie auf Deutsch und Türkisch zu verfassen.

Bedarfsliste des Konsulats reicht vom OP-Tisch bis zum Ladegerät

Vom türkischen Konsulat haben sie für ihren Aufruf auch eine Liste all dessen bekommen, was jetzt dringend gebraucht wird. Darauf stehen etwa OP-Tische und -Lampen, Schränke, Zelte und Campingmöbel, frei stehende Lampen, ADSL-Modems, Ladegeräte, Drucker, Waschmaschinen, Kühlschränke, Defibrillatoren oder Rollstühle.

Grausige Aufnahmen aus dem Katastrophengebiet nach Menden geschickt

Aufmachen, einsortieren, etikettieren: Das ist der Job der ehrenamtlich tätigen Kräfte in der Menden-Arena.
Aufmachen, einsortieren, etikettieren: Das ist der Job der ehrenamtlich tätigen Kräfte in der Menden-Arena. © WP | Thomas Hagemann

Hier wissen alle, wofür sie tun, was sie tun. Denn auf ihren Handys sind grauenhafte Aufnahmen aus der Heimat zu sehen. Es sind Bilder, die keine Zeitung ihren Lesern, kein TV-Sender seinen Zuschauern zumuten würde – zu grausig, um sie auch nur zu beschreiben. Die kleine Xezal bekommt sie zum Glück nicht zu sehen. Doch auch so hat die Grundschülerin aus Ense in krakeliger Kinderschrift einen Dankesbrief an alle Spenderinnen und Spender geschrieben. Darin erzählt sie von der Not der Kinder, der Babys und der Erwachsenen im Erdbebengebiet: „Die brauchen Kleidung, denen ist kalt. Stellt euch mal vor: Die bleiben draußen!“

Kleines Mädchen appelliert und dankt für Spenden – Adoptionen sind Thema

Ihre Mutter Zuhaye hat gehört, dass es jetzt viele Kinder gebe, die ihre ganze Familie verloren haben. Von Adoptionen ist die Rede. „Ich würde zwei dieser Kinder nehmen, auch wenn ich schon vier habe“, sagt sie ernst. Xezal freut sich schon: „Ich wünsche mir ein kleines Brüderchen“, strahlt sie. Und sie verspricht dem Reporter: „Ich kann schon gut drauf aufpassen.“

Zahide Yasar aus Ense, hier mit Tochter Xezal, hilft in Menden, wo sie kann. Sie würde auch zwei Kinder adoptieren, die bei der Katastrophe ihre Familien verloren haben, sagt sie. Die kleine Xesal hat einen Dankesbrief an die Menschen verfasst, deren Spenden sie sortieren darf.
Zahide Yasar aus Ense, hier mit Tochter Xezal, hilft in Menden, wo sie kann. Sie würde auch zwei Kinder adoptieren, die bei der Katastrophe ihre Familien verloren haben, sagt sie. Die kleine Xesal hat einen Dankesbrief an die Menschen verfasst, deren Spenden sie sortieren darf. © WP | Thomas Hagemann