Menden. „Baldmöglichst“ sollte die Stadt Ackerränder für Blühstreifen sichern, hieß es im Mai 2019. Drei Jahre später erhielten Landwirte erste Anrufe.

Brauchen die Umweltexperten im Mendener Rathaus dringend Verstärkung? Oder ist es anders zu erklären, dass auf deren Liste der noch unbearbeiteten politische Anträge und Beschlüsse gleich fünf Aufträge stehen, die eineinhalb Jahre oder sogar noch älter sind? Der Methusalem unter diesen Beschlüssen ist ein Auftrag an die Stadt, baldmöglichst Mendener Landwirte anzuschreiben, um deren Ackerränder für insektenfreundliche Blühstreifen zurückzugewinnen. Dieser einstimmig gefasste Beschluss des Umweltausschusses stammt aus dem Juni 2019. Angeschrieben hat die Stadtverwaltung 22 Landwirte wegen der Felder am 3. Mai 2022. Drei Jahre später.

Baudezernent Wagenbach: Sachverhalte sind nach Wichtigkeit abzuarbeiten

Ein Vorgehen, für das Baudezernent Frank Wagenbach zwar um Entschuldigung bat. Allerdings stellte er zugleich fest, dass auch die Umweltabteilung alle Sachverhalte nach Wichtigkeit abarbeiten müsse, zeitgleich gehe das nicht. Die Entscheidung darüber, was gerade am wichtigsten ist, treffe die Abteilung selbst. Das könne man gerne ändern: Wagenbach bot an, dem Ausschuss zum Jahresanfang alle noch zu erledigenden Aufgaben der Umweltabteilung vorzulegen. Die Politikerinnen und Politiker könnten dann ja festlegen, was zuerst zu erledigen sei.

Mendener Politiker will die Reihenfolge nicht selber festlegen

Was diese jedoch dankend ablehnten, zumal es auch um Anträge der politischen Konkurrenz gehen könne, wie Grünen-Fraktionssprecher Peter Köhler betonte. Vielmehr müsse die Umweltabteilung angesichts des hohen Arbeitsanfalls offenkundig aufgestockt werden.

Baudezernent lehnt personelle Aufstockung der Abteilung als unnötig ab

„Voll ausgelastet, aber nicht überlastet“ seien seine dortigen Kolleginnen und Kollegen, hielt Baudezernent Wagenbach dagegen. Man könne nicht jedes Problem über mehr Personal lösen. Qualifizierte Leute seien ohnehin extrem schwierig zu bekommen, und man müsse auch den Haushalt und den Stellenplan der Stadt im Blick behalten.

CDU kritisiert scharf, Grüne wollen nach vorne schauen

„Warum dauerte das so lange?“ Für die CDU kritisierte Hubert Schulte die Dauer des Verfahrens um die Ackerränder gleichwohl – er tat auch schärfer als die Grünen, die anno 2019 den Antrag zu den Wegrainen gestellt hatten. Doch die, erklärte Fraktionsmitglied Markus Kisler, habe man sich vielmehr gefreut, dass die Sache endlich zur Umsetzung kommt.

Ausschuss-Vorsitzende fragt nach offenkundigem Personalmangel

Bauern hatten Blühstreifen schon angelegt

Als die Stadtverwaltung drei Jahre nach dem Beschluss die 22 Landwirte im Mai 2022 anrief, gab es zahlreiche Rückmeldungen sowohl von Eigentümern als auch von deren Pächtern. Ein Großteil der Landwirte erklärte auf eine zukünftige Bewirtschaftung verzichten zu wollen, so dass sich dort wieder Grünland entwickeln kann. Teilweise waren bereits Blühstreifen angelegt.

Die Flächen wurden dann von der Umwelt und Bauverwaltung, der Abteilung Straßenbau und Verkehr und dem Mendener Baubetrieb MBB gemeinsam begangen - zunächst ohne die Eigentümer oder Pächter.

Das Ergebnis: Zurückgewonnene Wegraine unter 2,50 Meter Breite werden künftig sich selbst überlassen, da eine Pflege durch den MBB nicht durchführbar ist. Die regelmäßige Pflege der für die Verkehrssicherungspflicht frei zu haltenden Ein-Meter-Randstreifen wird derzeit an Fremdunternehmer vergeben. Darüber hinaus werden die Landwirte gefragt, ob sie die angrenzenden Streifen einmal jährlich mulchen, um Gehölzaufwuchs zu unterbinden. Andernfalls bleiben auch diese Flächen sich selbst überlassen.

Das wiederum ließ Kislers Fraktionskollegin Tina Reers als Ausschussvorsitzende so nicht stehen: „Niemand erklärt hier, dass die Umweltabteilung im Rathaus zu langsam arbeitet. Aber anderthalb Jahre für die Umsetzung eines Beschlusses? Das ist einfach zu lange, in dieser Zeit kann sich auch vieles überholen.“ Deshalb frage auch sie sich ungeachtet der Ablehnung Wagenbachs, ob in der Abteilung schlicht Personalmangel herrscht. Peter Köhler hieb in dieselbe Kerbe: „Auch wir als Politiker können so nicht arbeiten, denn auch wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern ja erklären, warum es mit ihren Anliegen alles so lange dauert. Es ehrt Sie ja, Herr Wagenbach, dass Sie sagen, man brauche im Rathaus nicht immer nur mehr Leute. Aber wenn Dinge zu lange dauern, dann ist es offensichtlich so.“

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Abteilungschef: Lange auf Antworten von Unis gewartet, dann kam Corona

Sven Christiansen, Leiter der Abteilung Umwelt und Bauverwaltung, erklärte auf Nachfrage von Hubert Schulte zur Dauer des Verfahrens: „Wir sollten Fachhochschulen und Universitäten anfragen, um ein Konzept zu erstellen und damit eine Anrechnung der zurückgewonnenen Wegraine auf dem Ökokonto der Stadt zu ermöglichen. Leider haben wir da lange vergebens auf Antworten gewartet.“ Als es zu den Kontakten und Gesprächen mit den Landwirten kommen solle, habe man einen längerfristigen coronabedingten Ausfall gehabt. „Das ist dann schleppend gelaufen.“ Schulte stellte dazu fest, dass der Auftrag der Politik eindeutig die Anrufe bei den Landwirten ganz nach vorn gestellt habe.