Menden. Verletzliche Infrastruktur – nicht nur bei der Bahn: Die Stadtwerke Menden erklären, was sie vor Sabotage schützen soll – und wo Grenzen liegen.

„Die Sensibilität für die Sicherheit unserer Netze hat sich zweifellos erhöht.“ Das erklärte Stadtwerke-Geschäftsführer Bernd Reichelt auf die Anfrage der WP nach dem mutmaßlichen Sabotageakt auf die Deutsche Bahn am vergangenen Samstag, bei dem der Schienenverkehr in Norddeutschland zusammenbrach.

In Deutschland bisher noch kein ausgeprägtes Sicherheitsdenken

Aktionismus breche beim heimischen Versorger jetzt nicht aus, betont Reichelt. Doch sähen sich die Stadtwerke Menden in ihren umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen für ihre verletzliche Infrastruktur bestätigt. Laut Reichelt gibt es hier indes noch Luft nach oben. So würden bei Energieversorgern in den Niederlanden immer wieder alle möglichen Szenarien durchgespielt. Dort seien Stresstests mit simulierten Ausfällen aller Art an der Tagesordnung. „Dafür hat es in Deutschland bisher kein ausgeprägtes Bewusstsein gegeben.“

Mendener Stromleitungen würde bis nach Turin reichen

Die Stadtwerke Menden haben bei alledem auf ungeahnt lange Strecken zu achten, ergänzt deren Pressesprecher Josef Guthoff. So seien allein die Stromleitungen in Menden insgesamt 960 Kilometer lang, was der Strecke zwischen Menden und Turin entspricht. Die Wasserleitungen in Menden messen 290 Kilometer – würde man diese Rohre aneinanderlegen, dann reichten sie von Menden bis nach Mannheim. Und 210 Kilometer lang sind die Erdgas-Röhren im Mendener Boden, damit käme man immerhin noch bis Frankfurt am Main. Wie kann angesichts solcher Strecken ein wirksamer Schutz vor mutwilligen Beschädigungen aussehen? Und was ist, wenn die Versorger des Versorgers betroffen wären, also die Überlandleitungen, aus denen die Stadtwerke Menden ihre Energie beziehen?

24 Stunden Wachsamkeit: Leitwarte bietet Chance auf schnelle Reaktion

„Wir haben zum einen gemeinsam mit Fröndenberg/Wickede eine Leitwarte, die 24 Stunden am Tag und sieben Tage pro Woche besetzt ist“, erläutert Matthias Lürbke, der in der Stadtwerke-Geschäftsführung für die Netze zuständig ist. Die Warte habe alle Netze und 112 Anlagen in Menden, Fröndenberg und Wickede im Auge. Damit könne man mutwillige Beschädigungen zwar nicht verhindern, aber immerhin sofort darauf reagieren. Und bei aller Liebe zur Transparenz: Leitungspläne gebe man niemals preis, schon gar nicht im Internet.

Zur Sicherheit: Immer mehrere Einspeisepunkte ins Mendener Netz

Was die Übernahme von Gas oder Strom aus Überlandleitungen angeht, so gebe es für alle Bereiche in Menden mehrere Einspeisepunkte: Fielen einer oder zwei aus, könne die Energie an anderer Stelle in die Stadt geleitet werden. Auch fürs Wasser stünden stets mehrere Schieber bereit. Sollte ein Vorversorger von wirksamer Sabotage und großen Schäden betroffen sein, „dann gilt natürlich, dass wir auch nur ein Verteiler sind“, sagt Lürbke.

Zur Ehrlichkeit gehört: Man kann sich nicht vor allem schützen

Man müsse ehrlicherweise sagen, dass sich die Überwachung, aber auch die regelmäßigen Audits für die Beschäftigten bislang auf technische Ausfälle beziehen, nicht auf Sabotage. „Gegen alles kann man sich nicht schützen. Es wäre auch falsch, diesen Eindruck zu erwecken.“ So lebe man auch von der Hoffnung, dass in und um Menden keine Befürchtung wahr wird. „Zum Millennium habe ich Silvester im Leitstand verbracht, weil wir alle Angst hatten, die Computer würden beim Umspringen aufs Jahr 2000 verrückt spielen“, erinnert sich Lürbke. Passiert ist – nichts.