Menden. Anbieter von Gas und Strom, aber auch das Inkassobüro: Die Stadtwerke Menden sorgen sich vor den Gaspreis-Erhöhungen nicht nur um ihr Ansehen.
Es kommen extreme Gaspreis-Steigerungen, die ab 1. Oktober und im neuen Jahr allen Mendener Stadtwerke-Kunden in Rechnung zu stellen sind. Es kommt die Gasbeschaffungs-Umlage, für die allein in Menden etwa 8,7 Millionen Euro von allen Gaskunden eingenommen werden müssen. Und es kommen viele Unwägbarkeiten auf die Stadt-Tochter selbst zu, die einige Verwerfungen ahnen lassen: In einer undankbaren Rolle sehen sich derzeit die Stadtwerke-Verantwortlichen. Das wurde bei ihrer jüngsten Online-Infoveranstaltung für alle Stadtratsmitglieder (die WP berichtete) deutlich.
Rechnungslegung bis hin zur Sperrung von Anschlüssen wird bleiben
Denn laut Geschäftsführer Bernd Reichelt stellt die Stadtwerke GmbH nicht nur die Rechnungen, sie muss auch als Inkassobüro auftreten – bis hin zur Sperrung von Strom oder Gas. Vorsorglich wies Reichelt die Politikerinnen und Politiker darauf hin, dass das Unternehmen selbst keine Sozialtarife einführen dürfe. Entlastungen für die Kunden müssten von anderer Seite kommen. Für die Stadtwerke wären die Folgen ansonsten unabsehbar.
Stadtwerke-Spitze warnt Politik auch vor Insolvenzrisiko für kommunale Betriebe
Vor den Politikern führte Vertriebschef Alexander Nickel dazu auch die Insolvenzgefahr für kommunale Betriebe wie die Stadtwerke auf. Sie besteht demnach in einem fatalen Mix aus hohen Beschaffungspreisen, steigenden Zinsen und erschwerter Refinanzierung. Hinzu kommen die Risiken aus der Vorfinanzierung der Umlagen – und aus womöglich hohen Forderungsausfällen, wenn viele Kunden ihre Abschläge nicht mehr zahlen können. Allein bei diesen Forderungsausfällen rechnen die Stadtwerke Menden mit einer Verzehnfachung des heutigen Wertes.
Aktuell gute Liquidität dürfte mit dem kommenden Winter leiden
Aktuell weisen die Stadtwerke aber eine gute Liquidität auf, sagte Martin Weick, Leiter der Unternehmenssteuerung: „Das liegt an unserer risikoarmen, langfristig angelegten Beschaffungsstrategie – und daran, dass wir auch im Sommer die Abschläge aus Haushalten und Firmen einnehmen, jetzt aber viel weniger Gas anschaffen müssen.“
Neue Wege zu Menden-Energie
Derzeit verhandeln Stadt und Stadtwerke mit zwei Landwirten um neue Windkraft-Standorte in Menden, erklärte Geschäftsführer Bernd Reichelt auf WP-Anfrage. Problematisch sei, dass es noch keine politische Beschlusslage zum Windkraft-Ausbau in Menden gebe. „Das ist noch ein offenes Thema.“
Zugleich hätten Stadt und Stadtwerke die laufende Untersuchung des Stadtgebietes nach Möglichkeiten zur Gewinnung erneuerbarer Energien veranlasst. Auch Wasserkraft und Biomasse würden einbezogen, „bei der Erdwärme stehen wir noch ganz am Anfang“. Alles lande schließlich in einer kommunalen Wärmeplanung.
Die Explosion der Gaspreise mache zuvor unwirtschaftliche Energieträger jetzt lukrativer.
Ganz anders sehe das im Winter aus. Bei nahezu gleichen Einnahmen steigen die Beschaffungskosten naturgemäß seit jeher. Hatte man diese Enden übers Jahr gesehen bisher gut zusammenbekommen, drohe dieses Gleichgewicht diesmal angesichts astronomisch hoher Einkaufspreise beim Gas zu kippen. Deshalb, ergänzte Vertriebschef Nickel, müsse es die höheren Abschläge für Privat- und Gewerbekunden in Menden geben. Sonst könne das stadteigene Unternehmen selbst in Schieflage geraten.
Stadt Menden darf für 100-Prozent-Tochter bei Schieflage zunächst nicht einspringen
Verneint wurde aus der Geschäftsführung die Frage von Grünen-Fraktionssprecher Peter Köhler, ob die Stadt im Zweifel für ihre Stadtwerke geradestehen müsse. Das dürfe die Stadt gar nicht, hieß es. Weil die Stadtwerke GmbH als Unternehmen am Markt tätig ist, seien Finanzspritzen des Mutterkonzerns Stadt erst einmal eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung. Auch hier müssten Hilfen von oben kommen, sprich vom Gesetzgeber.
Mit dem Wissen von heute „für den Windpark Ostsümmern entschiedener eingesetzt“
Ein Ausweg aus dem Dilemma wäre für die Stadtwerke die eigene Produktion von Energie auf Mendener Boden. „Mit dem Wissen von heute“, räumt Geschäftsführer Bernd Reichelt auf WP-Nachfrage ein, „hätten wir uns 2018 in der Debatte um den Windpark am Wälkesberg in Ostsümmern viel klarer und entschiedener für dessen Bau einsetzen müssen.“ Doch damals habe man sich nicht in Not gesehen. „Und ohne Not wollten weder wir noch Gelsenwasser als Projektbetreiber gegen die große Bürgerinitiative ankämpfen.“