Menden. Ein Jahr nach der Starkregen-Katastrophe ist in Menden eine neue Gefahrenkarte in Arbeit. Was sie leisten soll – und was sie für Bürger bedeutet.

Überflutete Straßen und Hauskeller entlang der Hönne, Riesenschäden auch in Unternehmen, Sporthallen oder Behindertenheimen, Dauereinsätze für Feuerwehr, Polizei und Bauhof, und nur mit viel Glück keine Verletzten: Mitte Juli jährt sich die fatale Starkregennacht vom letzten Sommer in Menden. Grund genug zu fragen, was die Mendener Stadtverwaltung seither getan hat, um sich besser gegen solche Ereignisse zu wappnen, die aufgrund des Klimawandels künftig häufiger zu erwarten sind. Ein Beispiel liefert die schon 2019 gegründete Projektgruppe „Starkregen-Management“ im Rathaus. Ihr Hauptziel ist nichts weniger als die Rettung von Menschenleben. Und gerade jetzt laufen im Stadtgebiet Untersuchungen darüber, wo sich das Wasser bei einer Starkregen-Katastrophe in Menden Bahn brechen kann, wo es für Menschen gefährlich würde – und wie Rettungskräfte noch zu ihnen gelangen können.

Starkregen-Karte und Hochwasser-Prävention sind zwei Paar Schuhe

Projektgruppen-Leiter Thomas Höddinghaus unterscheidet daher zuallererst zwischen Hochwasser und Starkregen. In der Hochwasser-Vorbeugung, die in Menden seit Jahren mit hohem Aufwand betrieben wird, will man im Stadtgebiet neue Überschwemmungsflächen schaffen, die überschüssiges Wasser schadlos aufnehmen können. Was an den Oeseteichen und am Walzweg bereits geschehen ist, soll bald auch im Bereich zwischen dem Ohl in Hüingsen und der Hönne folgen (die WP berichtete).

Brücken und Wehre weg: Viele Maßnahmen gegen Überflutungen schon ergriffen

Die Stadt hat seit dem Hochwasser vom August 2007 auch Fließhindernisse wie die Kaiserstraßenbrücke oder das Hönnewehr am Battenfeld beseitigt. Die Hönne wurde an mehreren Engstellen verbreitert, damit die Wassermassen hier nicht mehr so stark hindurch schießen und dahinter liegende Gebäude gefährden können. Spundwände können heute an der Kaiserstraße und in der Molle eingesetzt werden – die Wand an der Kaiserstraße war vor einem Jahr allerdings glatt überflutet worden.

Wenn Wasser von allen Seiten kommt: Wie können Retter bedrohte Häuser erreichen?

Immense Schäden: So wie hier sah es beim Hochwasser vom Juli 2021 an vielen Stellen in Menden aus.
Immense Schäden: So wie hier sah es beim Hochwasser vom Juli 2021 an vielen Stellen in Menden aus. © Privat | Peter Grewe

All das steht für die Projektgruppe „Starkregen-Management“ jedoch nicht im Vordergrund. Ihr geht es laut Höddinghaus vor allem darum: „Wie können wir im Katastrophenfall in Menden Menschenleben retten?“ Und dieser Ernstfall fängt für die Gruppe nicht schon bei einem angekündigten Hönne-Hochwasser an. „Uns geht es nicht um nasse Füße und feuchte Keller“, sagt Höddinghaus. Sondern vielmehr darum, was passiert, wenn – wie in Fröndenberg am 8. Juli 2021 – eine Gewitterzelle über einem eng begrenzten Bereich abregnet und den Ortsteil in wenigen Stunden derart unter Wasser setzt, dass es für die betroffene Bevölkerung sogar in ihren Häusern lebensbedrohlich wird.

Projektgruppe zu Starkregen bereits 2019 im Mendener Rathaus gegründet

Starkregen: Was können Hausbesitzer tun?

Was Hausbesitzer tun können, um sich vor Starkregen-Ereignissen besser zu schützen, erklärt die 2014 stark getroffene Stadt Münster auf ihrer Homepage:Vor Rückstau aus der Kanalisation schützen: Es empfiehlt sich der dauerhafte Schutz eines Gebäudes vor einem Rückstau aus der Kanalisation, zum Beispiel durch eine Abwasserhebeanlage oder einen Rückstauverschluss.Gebäudeöffnungen anpassen: Der Schutz aller Gebäudeöffnungen wie Lichtschächten, Kellerfenster und -treppen und Eingängen verhindert sehr effektiv das Eindringen von Oberflächenwasser in das Gebäude.Wasser wegleiten: Fällt die Geländeneigung von einem Gebäude aus ab, wird oberflächlich abfließendes Wasser vom Gebäude ferngehalten.Naturnahe Regenwasserbewirtschaftung: Gemeint sind Maßnahmen, die Regenwasser (länger) auf dem Grundstück halten, so dass es versickern oder verdunsten kann.

Auch das bundesweit extremste Ereignis dieser Art war von Menden nicht weit weg: Im Juli 2014 fielen in Münster innerhalb von sieben Stunden 292 Liter Regen auf den Quadratmeter – mit katastrophalen Folgen für die Stadt. „Als klar wurde, dass so etwas immer häufiger passiert, haben wir noch unter Bürgermeister Martin Wächter vor drei Jahren unsere Projektgruppe aufgebaut“, berichtet Höddinghaus. Ihr gehören neben dem Stadtentwässerungsbetrieb Menden und dem Ordnungsamt auch die Umwelt- und die Bauabteilung an, Feuerwehr und Polizei sollen eingebunden werden, wenn eine Starkregen-Gefahrenkarte für Menden vorliegt.

Mit Landesgeldern laufen jetzt Untersuchungen im Stadtgebiet – zu drei Szenarien

Und die ist in Arbeit, denn dank der Projektgruppe sei es auch gelungen, Fördergelder des Landes NRW zur Vorbeugung gegen Starkregen für Menden zu gewinnen, als andere Städte und auch der Märkische Kreis hier noch nicht so aktiv waren. Das versetzt die Stadt Menden laut dem Projektleiter jetzt in die Lage, Starkregen-Katastrophen für das Stadtgebiet in drei unterschiedlich starken Varianten durchzumessen – und auszurechnen, wo in Menden die am stärksten gefährdeten Bereiche liegen. Nach einer beschränkten Ausschreibung konnte die Stadt ein spezialisiertes Essener Ingenieurbüro damit beauftragen, as aktuell daran arbeitet.

Ergebnisse werden im Laufe des Jahres erwartet – auch Bürger sollen profitieren

Die Ergebnisse der Essener für Menden sollen im Herbst oder Winter vorliegen – und nicht das Geheimnis der Stadtverwaltung bleiben: „Daraus wird die Starkregen-Gefahrenkarte erstellt, die auch in die Computersimulation des Märkischen Kreises einfließen wird. Und so bald alle Untersuchungen abgeschlossen und ausgewertet sind, werden wir selbstverständlich auch unsere Bürgerschaft informieren.“ Schon heute könnten auch Eigentümer ihre Gebäude gegen Starkregen besser schützen als es viele heute tun, etwa durch den Einbau von Rückstauklappen in Hausgrundleitungen (siehe Infobox). Dass daraus eine Pflicht wird, kann sich Höddinghaus indes nicht vorstellen. Allerdings könnte es für Versicherungsgesellschaften die Voraussetzung dafür werden, dass es auch in Gefahrenbereichen noch einen Elementarschutz gibt.

Gefahren mit mehr Intensität und Häufigkeit als Folge des Klimawandels

Die künftige Gefahrenkarte kann der Stadt wie auch Privatleuten dann zeigen, an welchen Stellen Vorsichtsmaßnahmen besonders geboten sind. Vieles daran wird neu sein, denn eines ist laut Thomas Höddinghaus klar: „Die Gefahren, die jetzt durch den Klimawandel auf uns zukommen, hat es in dieser Intensität früher nicht gegeben. Wir müssen damit rechnen, dass Starkregenwasser auf dem Weg in unsere Flüsse so stark und tief wie nie zuvor abfließt. Und dafür wollen wir gewappnet sein und etwas vorweisen können, wenn uns die Bürgerinnen und Bürger danach fragen.“