Menden. Hoshyar Abdallah Mohammed versucht während der Jahrhundert-Flut vergeblich, sein Hab und Gut zu retten – und muss nun wieder von vorne beginnen.

Wer sich mit Hoshyar Abdallah Mohammed unterhält, wird kaum auf die Idee kommen, dass er gleich zweimal binnen weniger Jahre bei Null anfängt. Der 35-Jährige hat in der Jahrhundert-Flut in Menden sein gesamtes Hab und Gut verloren. Zusammen mit seinen Vermietern versuchte er, die Wassermassen aus seiner Souterrain-Wohnung zu schaufeln. Vergeblich.

Schlaflose Nächte

Hoshyar Abdallah Mohammed strahlt geradezu. Dass in den Fluten vom 14. Juli 2021 wie bei vielen anderen seine Existenz sprichwörtlich baden gegangen ist, merkt man ihm nicht an. Auf dem Weg zur Terrasse seiner neuen Wohnung winkt er der neuen Nachbarin zu. Es wirkt, als ob dem 35-Jährigen nichts so recht die Laune vermiesen kann – obwohl er schwierige Zeiten hinter sich hat.

Auch interessant

Als die Hönne am 14. Juli im Minutentakt um gleich mehrere Zentimeter steigt, ist Hoshyar Abdallah Mohammed gerade bei der Arbeit. Er ist Maschinenanlagenführer bei Metaform-HSM in Lendringsen und ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nichts. „Meine Vermieterin hat dann meinen Vorarbeiter angerufen und gesagt: ,Komm sofort nach Hause!’, erinnert er sich. Schnurstracks packt er seine Sachen und düst zur Balver Straße. Zu diesem Zeitpunkt steht das Wasser bereits an seiner Souterrain-Wohnung. Zusammen mit mehreren Nachbarn kämpft er gegen die Wassermassen, baut einen kleinen Damm aus Holzlatten vor den Treppen. Alles vergeblich. Er muss dabei zusehen, wie das Wasser immer weiter steigt – gut eineinhalb Meter hoch steht es schlussendlich in seiner 35-Quadratmeter-Wohnung. „Wir haben mit Eimern und Pumpen alles versucht“, sagt er, während vor seiner neuen Terrasse gerade die Sonne untergeht und Rosenduft durch die Luft wabert. Was ihm damals bleibt, ist nur die Arbeitskleidung, die er trägt – und ein paar Teller und Töpfe. Den Rest seines Habs und Guts holen sich die Fluten. Die Nacht verbringen er und ein Nachbar im Bürgersaal auf den hastig eingerichteten Pritschen, eher er übergangsweise eine Notunterkunft in Lendringsen bezieht.

Auch interessant

Ganz spurlos gehen die Ereignisse aber auch an dem sonst so lebensfrohen 35-Jährigen nicht vorbei. „Ich dachte am nächsten Tag, ich könnte noch etwas retten. Ich konnte eine Woche lang nicht richtig schlafen.“, sagt er. Doch bis auf ein paar Töpfe, eine Arbeitsjacke und Geschirr bleibt nichts mehr. Kein Bett, kein Sofa, keine Bücher oder Fotos. „Traurig sein, bringt nichts. Man muss froh sein, dann wird alles gut“, sagt er. Vor allem die Hilfsbereitschaft von Freunden und Arbeitskollegen helfen ihm durch die schwierige Zeit.

Eine Zukunft in Menden

Auch interessant

Hoshyar Abdallah Mohammed erzählt seine Geschichte ruhig, hat immer ein Lächeln auf den Lippen, seine Augen strahlen. Nur positive Gedanken würden ihn weiterbringen. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass er von vorne anfangen muss. 2015 kam er aus dem Irak nach Deutschland. Seine Familie hat er seitdem nicht mehr besucht, über soziale Medien und Videochats hält er den Kontakt. „Eigentlich wollte ich nach England“, sagt er und grinst. Doch in einer Dortmunder Flüchtlingsunterkunft überlegte er sich spontan anders. Früher, sagt er, war er Buchhalter, hat an der Universität studiert. Doch sein Abschluss werde nicht anerkannt. „Ich möchte nur ein normales Leben leben“, sagt er bescheiden. Als er nach Menden kam, fühlte er sich schnell pudelwohl. Zwei Jahre arbeitete er zunächst in Lendringsen, ehe er seine Ausbildung als Maschinenanlagenführer anfangen konnte. Seit einem Jahr ist er ausgelernt – und liebt seinen Job.

Auch interessant

Inzwischen hat Hoshyar Abdallah Mohammed das Plätschern der Hönne direkt vor der Haustür gegen das leise Rauschen der Autos auf dem Bräukerweg getauscht. Doch das stört ihn nicht. Er sei gesund und habe hilfsbereite Menschen um sich. Mehr braucht es nicht.