Menden. Es ist ein unscheinbares Ladenlokal am Neumarkt. Doch hinter der Gemeinwohlkasse stecken Strukturen, die der Verfassungsschutz beobachtet.

Am Neumarkt hat ein kleines, versicherungsähnliches Geschäft eröffnet. Die Gemeinwohlkasse. Doch dabei handelt es sich nicht etwa um ein zusätzliches Angebot für Versicherte oder eine Bank. Es ist eine Filiale, die Behörden einer Organisation der Reichsbürgerszene zuordnen. Wer das Geschäft betritt, befindet sich vermeintlich nicht mehr in der Bundesrepublik, sondern ist zeitweise Teil des Königreichs Deutschland (KRD).

Ähnlicher Fall in Ulm

Seit einigen Tagen prangen die Banner der Gemeinwohlkasse an dem Ladenlokal am Neumarkt 12. Inhaber ist ein Fröndenberger, der seit geraumer Zeit für das Königreich Deutschland (KRD) wirbt. Das KRD verspricht „autonomere“ Strukturen, eine neue Gemeinschaftsordnung, keine Abgaben an ein Finanzamt und die Vernetzung mit Gleichgesinnten. „Bei uns gibt es ein Vermummungsverbot, das heißt, du kommst mit Maske nicht rein. Bei uns gelten Coronaregeln nicht, wir sind praktisch wie eine Botschaft“, erklärt der Fröndenberger.

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Er ist gut gekleidet und freundlich. Seinen Namen möchte er nicht nennen. Es solle eine Anlaufstelle sein, um gemeinnützige Strukturen und Projekte voranzubringen. Die Gemeinwohlkasse sei „eine Art Bank“, die sich aber nur an Vereinsmitglieder richte und nicht an die breite Öffentlichkeit. Es sei die inzwischen vierte Filiale, die das KRD eröffnet hat. „Wir sind ein gemeinnütziger Zweckbetrieb. Ein Feldversuch, wenn man so will“, sagt der Fröndenberger. „Wir wollen das Alte nicht bekämpfen, das System zerstört sich selbst.“ Er selbst fühle sich dem KRD zugehörig, sei kein Reichsbürger. Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Szene als Teil der Reichsbürger-Bewegung aber auf dem Radar hat, störe ihn nicht.

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Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) warnt allerdings vor dem KRD-Geschäftsmodell und den Filialen der Gemeinwohlkasse. Bereits im März 2021 hat die BaFin versucht, in einem ähnlichen Fall in Ulm dem Geschäft einen Riegel vorzuschieben. Dort hatte ein Mann für den selbst ernannten König, Peter Fitzek, unerlaubte Bank- und Versicherungsgeschäfte abgewickelt. „Herr Fitzek nimmt derzeit unter der Firma ,GK GemeinwohlKasse’ erneut Gelder aus dem Publikum an und verspricht, die Gelder später zurückzuzahlen“, teilte die BaFin dazu mit.

Doch eine Zulassung nach dem Kreditwesengesetz hat Fitzek bis heute nicht. Im Februar 2017 war Fitzek, der Mann hinter dem Königreich Deutschland, vom Landgericht Halle zudem wegen Untreue und unerlaubtem Betreibens von Bankgeschäften zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab später einer Revision statt, da er vor allem bei den Bankgeschäften noch Aufklärungsbedarf sah. In sozialen Netzwerken argumentieren Fitzeks Sympathisanten seither, der BGH habe das Geschäftsmodell als rechtskräftig erklärt. Ein Trugschluss. Dem Vernehmen nach hatte Fitzek rund 1,3 Millionen Euro von Anlegern veruntreut.

Bei WSG vorstellig geworden

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Die Neueröffnung am Neumarkt steht derweil nicht in Verbindung mit dem Sofortprogramm Innenstadt der Mendener Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WSG), wie Geschäftsführer Tim Behrendt auf WP-Nachfrage betont. In diesem Zuge werden Ladenlokale von der Stadt zu deutlich günstigeren Preisen an Interessenten weitervermietet. Gleichwohl ist der Fröndenberger bei der WSG mit seinem Konzept vorstellig geworden. Die Anfrage ist jedoch abgelehnt worden.

Die Eigentümer des Gebäudes zeigen sich WP-Informationen zufolge „schockiert“ und fühlen sich getäuscht, sie prüfen inzwischen rechtliche Schritte, um das Mietverhältnis kündigen zu können. Vom Hintergrund der Gemeinwohlkasse und deren Verbindung zur Reichsbürgerszene habe man demnach nichts gewusst.