Fröndenberg. Bei der Orgel der Stiftskirche Fröndenberg ist Großreinemachen angesagt. 1600 Pfeifen müssen geputzt werden. Es gab eine unschöne Überraschung.
Alles für den guten Klang: Die Orgel in der Stiftskirche Fröndenberg wird einer aufwendigen Reinigung unterzogen. Jede der über 1600, teilweise sehr alten Pfeifen muss dafür ausgebaut werden. Und auch eine unschöne Überraschung gab es dabei.
Vielen Menschen, selbst wenn sie den Klang der „Königin der Instrumente“ im Gotteshaus gerne genießen, sind die Ausmaße dieser Bauwerke womöglich gar nicht bewusst. Das kann auch Kirchenmusikerin Ramona Timmermann aus Fröndenberg bestätigen, wenn sie (nicht nur) Kinder im Rahmen von Orgelführungen nach einer Schätzung fragt, wie viele Pfeifen dieses Instrument wohl habe. Der Tipp liegt in der Regel meilenweit unter der tatsächlichen Zahl. Die wenigen, die von außen dekorativ zur Schau gestellt sind, heißen Prospektpfeifen.
Um sich der Realität anzunähern kann man diese Rechnung benutzen: jede Taste des Manuals (das ist die Klaviatur der Orgel) braucht eine eigene Pfeife. Und zwar nur für ein Register (das ist ein bestimmter Klang, und die Anzahl der Registerzüge oder Tasten rund um das Manual gibt die Anzahl der Register der Orgel an). Für jedes Register wird diese Rechnung neu aufgemacht. In der Fröndenberger Stiftskirche kommt man so auf über 1600 Pfeifen, bei sehr großen Domorgeln gerne auch das Drei- oder Vierfache. Das alles sorgt für einen wunderbaren, variationsreichen, festlichen Klang. Bietet aber auch ganz viel Platz für Staub und Dreck.
In der Stiftskirche Fröndenberg steht Großreinemachen an
Bei der Orgel der Stiftskirche steht deshalb nun ein Großreinemachen an. „Das letzte war vor 15 Jahren, da hatte ich gerade meine Stelle in Fröndenberg angetreten", erzählt die Kantorin Ramona Timmermann.
Beschäftigt ist mit der Aufgabe die Orgelbaufirma Stockmann aus Werl, sie bauen nicht nur neue Instrumente , sondern halten sie auch in Schuss. Und mit seinem jetzigen Auftrag in der Stiftskirche ist Orgelbauer Ulrich Keßler auch gut beschäftigt. Im Mai ging es los, mittlerweile ist mehr als die Hälfte geschafft. Jede Pfeife muss dafür ausgebaut werden, aktuell füllen sie nahezu die komplette Orgelbühne.
+++ Statt in der Kirche übt Daria Burlak an virtueller Orgel +++
Die kleinsten Pfeifen sind wenige Zentimeter hoch, die größten hier (16-Fuß in der Fachsprache) mehr als mannshoch. Und alle bekommen die gleiche sorgfältige Behandlung verpasst, wie Orgelbauer Ulrich Keßler erläutert: „Erst bürste ich sie aus, mit Flaschenbürsten je nach Größe. Wie ein Schornsteinfeger. Dann wird die Pfeife mit Pressluft ausgeblasen, damit der Staub rausgeht. Und dann abgewaschen.“
Vogel in der großen Pfeife der Orgel
Staub und Spinnenweben sind dabei natürlich normal. „Zum Glück gibt es keine Mäuse hier", sagt Ramona Timmermann mit Blick auf mögliche, ungebetene Mieter in dem großen Bauwerk Orgel. An einen Vogel in einer großen Pfeife kann sie sich grinsend auch erinnern, der dann sogar noch eigene Klänge zur Orgelmusik beisteuerte.
Orgelbaumeister Bader
Gerne bietet Ramona Timmermann eigentlich auch spezielle Orgelführungen für den Nachwuchs an. „Für Kinder ist das ein Wunder, was hier alles drinsteckt", sagt die Kantorin.
Die Orgel gilt als die letzte in Westfalen noch erhaltene des Orgelbaumeisters Bader aus Unna. 1673 begann der Bau. Das Pedal wiederum ist noch keine 50 Jahre alt.
Die Orgel hat ein paar Holzpfeifen, die allermeisten aber sind aus Metalllegierungen. Und um die 500 davon sind wirklich historisch. Sie stammen aus dem Originalbau der Orgel, welcher 1693 abgeschlossen wurde. Das Material ist also gut 330 Jahre alt. „Das finde ich schon spannend, dass so alte Pfeifen noch in Benutzung sind", sagt Ramona Timmermann. Ansonsten gab es über die Jahrhunderte immer wieder Erweiterungen und Ersatzbauten. An ihrem Arbeitsplatz schätzt die Kirchenmusikerin, dass man einerseits eine schöne Basis für den Gemeindegesang legen kann, für Konzerte aber auch eine klangliche Bandbreite hat.
Stiftskirche besonderes Baudenkmal
Unschöne Überraschung bei den umfangreichen Reinigungsarbeiten: Manche Pfeifen seien von Bleizucker befallen, wie Ulrich Keßler erklärt. Das macht Extraaufwand nötig, denn diese Pfeifen sollten deshalb am besten mehrere Tage in Zitronensäure eingelegt werden. Das kann die gesamte Reinigung verzögern, aber auch verteuern. Worum sich die evangelische Kirchengemeinde aber nicht so große Sorgen mache müsse, wie Ramona Timmermann erklärt. Denn als besonderes Baudenkmal (und Simultankirche, also auch in katholischer Nutzung) gehört die Stiftskirche dem Land NRW. Und Düsseldorf bezahlt auch die Reinigung, allerdings muss das Denkmalamt nun erstmal den erhöhten Aufwand durchwinken.
Ein paar Wochen wird das alles noch dauern. Begonnen hat die Reinigung ausgerechnet in der Zeit, als die Gemeinde nach der Coronapause wieder an Pfingsten mit Präsenzgottesdiensten begann. Aber solch umfangreiche Arbeiten sind nun mal langfristig terminiert. So lange nutzt Timmermann als Ersatz eine kleine transportable Orgel vorne im Altarbereich.
Instrument hat ein bisschen mit Schimmel zu kämpfen
Ein bisschen zu kämpfen hat das ehrwürdige Instrument auch mit Schimmel. Die Luftfeuchtigkeit in der Kirche sei zu hoch, wie Timmermann und Orgelbauer Keßler übereinstimmend erklären. Aber richtiges Lüften ist in den alte Gemäuern nicht so einfach. „Das Problem haben fast alle Kirchen", weiß Ulrich Keßler.