Menden. Das Jugendamt in Menden schlägt Alarm: Wegen Corona steige die Gewaltbereitschaft jetzt auch bei Kindern gegen ihre Eltern. Was dahintersteckt.
Das Jugendamt in Menden sieht sich mit einer steigenden Zahl von Fällen häuslicher Gewalt konfrontiert. Die Verantwortlichen führen die Situation auf den Corona-Lockdown zurück. Neu sei, dass auch immer mehr Kinder ihre Eltern verprügeln.
„Wir haben aktuell mehrere neue Fälle häuslicher Gewalt“, beklagt Jugendamtsleiter Christian Peter Goebels. Man spüre ganz klar, dass vielen Familien zuhause die Decke auf den Kopf falle. Das sorge für eine zunehmende Aggressivität, die sich in Gewaltausbrüchen entlade. Viele Jugendliche seien unterfordert, könnten ihrer normalen Freizeitbeschäftigung nicht nachgehen. Man erreiche sie nicht über den täglichen Kontakt in der Schule, in Vereinen, in Jugendzentren. Goebels sagt: „Dieser Lockdown war einfach zu lange.“
Polizei spricht von hoher Dunkelziffer – Eltern melden sich vermehrt beim Notruf
Die Polizei hatte sich schon bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik für das vergangene Jahr besorgt gezeigt, dass es im Bereich häuslicher Gewalt zu einer hohen Dunkelziffer komme. Ein großer Teil der Fälle bei Gewalt an Kindern habe das Potenzial unentdeckt zu bleiben, weil es aktuell wenig Kontakt zu Kindern gebe.
„Wir haben aktuell vermehrt Eltern, die nicht mit ihren Kindern fertig werden und dann den Notruf wählen“, sagt Polizeisprecher Christoph Hüls. Diese speziellen Fälle von häuslicher Gewalt werden allerdings nicht statistisch erfasst, so dass sich nicht exakt beziffern lasse, welchen Anteil die prügelnden Minderjährigen ausmachen. Es gebe aber oft schon 14- oder 15-Jährige, die gegenüber Müttern übergriffig werden. Genauso wie es vorkomme, dass Frauen ihre Männer verprügeln. Traurige Regel sei aber, dass Männer ihre Frauen oder Kinder schlagen.
Anders als bei schlagenden Ehepartnern kann die Polizei die Jugendlichen nicht einfach so als Sofortmaßnahme der Wohnung verweisen. Letztlich komme den Jugendämtern dabei eine bedeutende Rolle zu. „Im gegenseitigen Einvernehmen versucht man dann, die Jugendlichen bei anderen Verwandten unterzubringen“, sagt Hüls. „In der Hoffnung, dass dann dort funktioniert.“
Jugendamt hofft auf schnelle Wiedereröffnung der Jugendtreffs
Das Jugendamt setzt vor allem darauf, wieder direkten Kontakt zu Kindern und Jugendlichen zu bekommen. Das könne nur funktionieren, wenn man zu regelmäßigen Kontakten zurückkomme. „Die Treffs dürfen weiter nicht öffnen.“ Er hoffe aber, dass in der kommenden Woche, wenn auch Schulen und Kindergärten vielleicht wieder starten, auch in den Treffs wieder Betrieb herrschen dürfe.
Goebels kündigt aber schon jetzt an, die Treffs nur nach einem erfolgten Schnelltest zugänglich machen zu wollen. „Ich möchte nicht öffnen, ohne dass getestet wird.“ Das sei eine Verantwortung der Stadtverwaltung gegenüber den jungen Gästen und ihren Familien, aber auch gegenüber dem städtischen Personal. +++ Alle Hintergründe zur Corona-Situation in Menden: Hier geht’s zu unserem Newsblog +++
Nadine Huckschlag vom Team Tagesbetreuung erinnert auch noch einmal an das Angebot „Walk an Talk“. Darin richtet sich die Stadt ausdrücklich an Eltern, die sich von der aktuellen Situation überfordert zeigen. „Wenn alles zu viel wird, braucht man manchmal jemanden zum Reden. Einen Zuhörer, Ratgeber, Kontaktvermittler, Ideenlieferant oder Problemlöser“, heißt es. Die Elternbegleiterinnen der Stadtverwaltung gehen dann mit den Eltern coronagerecht eine Runde spazieren, hören zu und geben Ratschläge.