Menden. Mendener Selbsthilfegruppe für Suchtkranke und psychisch Kranke fühlt sich vergessen in der Corona-Pandemie. Die Auswirkungen sind dramatisch.
Immer wieder ein Lockdown, viele Einschränkungen – und bisweilen keine Perspektive. Für Menschen, die an einer Sucht leiden oder die psychisch krank sind, ist die Corona-Pandemie besonders herausfordernd. Gerade auch, weil mit den Selbsthilfegruppen ein wichtiger Baustein in ihrem Leben komplett weggebrochen ist. Welche Erfahrungen machen Claude Sahlmen und Andreas Dahlmann von der Selbsthilfegruppe Semper Communis?
Die Selbsthilfegruppe Semper Communis gibt es jetzt seit drei Jahren in Menden. Für wen ist die Gruppe?
Claude Sahlmen Bei uns treffen sich Suchtkranke und Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Zum Beispiel Drogen-, Tabletten- und Alkoholsüchtige, Sex- und Spielsüchtige, Borderliner, Menschen mit einer Depression, mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung, mit Angst- und Panikstörungen. Zu den Treffen sind immer zwischen 16 und 24 Mitglieder gekommen.
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Wann hat sich die Gruppe zuletzt gesehen?
Andreas Dahlmann Normalerweise treffen wir uns einmal in der Woche im Jugendtreff Platte Heide. Das letzte Mal haben wir uns im August/September vergangenen Jahres gesehen. Danach waren persönliche Treffen aufgrund der Corona-Einschränkungen leider nicht mehr möglich.
Können Sie nicht auf Besprechungen per Video ausweichen?
Claude Sahlmen Das ist schwierig. Zum einen hat nicht jeder ein modernes Smartphone, mit dem das möglich ist. Und zum anderen ist ein Gespräch per Video eben etwas anderes als ein persönliches Treffen – gerade, wenn es um vertrauliche Dinge geht. Hinzu kommt, dass unsere Mitglieder bei Gruppentreffen offen sprechen können. Wenn bei einem Gespräch über Video Kind oder Partner im Hintergrund sind und vielleicht mithören, dann ist das eine andere Situation. Und nicht jeder hat zu Hause eine Rückzugsmöglichkeit.
Was hat sich durch die fehlenden Treffen der Selbsthilfegruppe verändert?
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Andreas Dahlmann Wir gehen mittlerweile auf dem Zahnfleisch, weil wir uns ziemlich vergessen fühlen.
Claude Sahlmen Wenn jemand beispielsweise in der Klinik eine Entgiftung gemacht hat, ist es oft langwierig, einen Therapeuten zu finden. Das dauert oft viele Monate oder sogar mehr als ein Jahr. In dieser Zeit ist die Selbsthilfegruppe extrem wichtig für die Betroffenen. Das fällt jetzt weg, weil wir uns ja nicht treffen dürfen.
Hatte das Folgen für die Mitglieder?
Claude Sahlmen Wir haben seit Beginn der Pandemie in unserer Gruppe drei Tote, zweimal Alkohol, einmal Tabletten mit Alkohol.
Andreas Dahlmann Aus Telefongesprächen weiß ich, dass viele die Ausweglosigkeit spüren. Sie sagen, sie haben keine Hoffnung mehr. Hinzu kommt, dass der Arbeitsmarkt schwierig ist. Die Leute finden keinen Job und verlieren die Perspektive.
Wir erleben Sie persönlich den Lockdown?
Claude Sahlmen Das ist fast wie eine erzwungene Isolation.
Andreas Dahlmann Eine gewisse Zeit kann man das ertragen. Aber wenn irgendwann Perspektivlosigkeit und Hoffnungslosigkeit dazukommen, wird es schwierig.
Was würden Sie sich wünschen?
Claude Sahlmen Dass wir uns in kleinen Gruppen wieder treffen dürfen. In unserem Raum im Jugendtreff Platte Heide gibt es große Fenster, da könnte man problemlos lüften. Wir würden alle Hygienevorschriften einhalten, alles desinfizieren, Maske tragen, Abstand halten.
Wie haben Ihnen vor der Corona-Pandemie die Treffen der Selbsthilfegruppe geholfen?
Claude Sahlmen Das ist wie Medizin für mich. Ich bin selbst durch die Gruppe aus einer tiefen Depression gekommen. Ich habe gelernt, Kontakte wieder zu pflegen, mir Hobbys gesucht. Das ist ein anderer Austausch, wenn jemand die gleichen Erfahrungen gemacht hat, als wenn ich das meiner Partnerin erzähle.