Menden. . Andreas Dahlmann und Sophia Skrzypczak gründen die Selbsthilfegruppe „Semper Communis“ in Menden. Es geht um verschiedene Abhängigkeiten.
Das Suchtmittel soll gegen Traurigkeit, gegen schlechte Gefühle, gegen Ängste helfen und den Tag erträglicher machen. Ob Alkohol-, Cannabisabhängigkeit oder andere Süchte – es gibt einen gemeinsamen Nenner. Davon ist Andreas Dahlmann überzeugt. Deshalb hat der 41-Jährige nun gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Sophia Skrzypczak in Menden eine neue Selbsthilfegruppe aus der Taufe gehoben, die im näheren Umkreis wohl einmalig ist: Bei „semper communis“ treffen sich Menschen mit den verschiedensten Süchten.
Andreas Dahlmann sagt von sich selbst, er sei ein so genannter „Drehtür-Patient“ gewesen – also jemand, der nach einer Entgiftung aus der Tür der Klinik rausgeht, einen Rückfall erleidet und kurz danach wieder in der Klinik auftaucht. Bereits als 14-Jähriger konsumierte er Alkohol. Irgendwann merkte er, dass er mehr und regelmäßiger trank als seine Altersgenossen.
Kein Tropfen Alkohol
Hinter ihm liegen bereit 60 bis 70 Entgiftungen, wie er erzählt. Jetzt ist er seit 13 Monaten trocken, rührt keinen Tropfen Alkohol mehr an. Gab es diesen einen Schlüssel-Moment, der ihn nun schon über einen Jahr abstinent sein lässt? „Nein“, sagt Andreas Dahlmann, „ich habe mir nur vorgenommen, es diesen einen Tag zu schaffen.“
Aus Tagen wurden Wochen, schließlich Monate. Dabei würde der 41-Jährige einen Rückfall nie ausschließen. Aber gerade das ist es, was ihn wachsam und achtsam sein lässt. „Ich werde auch nach ein paar Jahren hoffentlich nie sagen, ,Ach, dieses eine Bier kann ich ruhig trinken’“, erklärt er. Seine Motivation möchte Andreas Dahlmann gerne in der neuen Selbsthilfegruppe an andere Betroffene weitergeben: „Das gibt mir einfach ein positives Gefühl, wenn ich anderen helfen kann.“
Kraft gibt ihm sein zweijähriger Sohn, den er mit seiner Lebensgefährtin Sophia Skrzypczak hat. „Ich habe jetzt die Chance, mir gemeinsam mit meiner Partnerin etwas aufzubauen. Für meinen Sohn will ich das schaffen.“ Mit einem Job im Einzelhandel versucht er derzeit, wieder in die Arbeitswelt zurückzufinden. „Da habe ich jeden Tag mit Alkohol zu tun“, sagt Andreas Dahlmann. „Und ich sehe auch, was aus Menschen wird, die weiter zu viel Alkohol trinken.“
Auch Sophia Skrzypczak war abhängig. In jungen Jahren konsumierte sie Cannabis, Amphetamine und Ecstasy, leidet an einer Borderline-Störung. Seit drei Jahren – damals war sie mit ihrem Sohn schwanger – „bin ich clean“. Sophia Skrzypczak und Andreas Dahlmann gehen mit ihrer Suchtgeschichte offen um: „Ich habe genug von Lügen“, sagt Andreas Dahlmann. „Wenn mir jemand Alkohol anbietet, erfinde ich keine Ausrede mehr, sondern lehne mit dem Hinweis, dass ich trockener Alkoholiker bin, ab.“ Er bereue nichts – weder die negativen Erfahrungen mit seiner Alkoholsucht, noch sein halbes Jahr als Obdachloser, noch sein Auslandseinsatz als Bundeswehr-Soldat in Afghanistan: „All diese Erfahrungen, diese Erlebnisse haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin.“
Absolute Verschwiegenheit
„semper communis“ richtet sich an Menschen, die abhängig sind von Alkohol, Cannabis, Amphetamin, Ecstasy, Kokain, Heroin, Spielsucht, Essen oder Sex, aber auch Menschen mit Posttraumatischer Belastungsstörung, Depressionen, Borderline, Angst- und Panikstörungen. „Wir alle versuchen, mit der Sucht etwas zu überdecken“, zeigt Andreas Dahlmann die Gemeinsamkeiten auf. „Entweder gute Gefühle zu bekommen oder die schlechte Stimmung wegzubekommen – das verbindet uns.“
Auch Angehörige sollen durch die Gruppe entlastet werden. Wie Andreas Dahlmann aus eigener Erfahrung weiß, „fühlt sich gerade die Familie oftmals schuldig und fragt sich, was sie falsch gemacht hat“.
Welche Unterstützung will die neue Selbsthilfegruppe leisten? „Abstinent zu bleiben, das muss jeder für sich schaffen“, erläutert Andreas Dahlmann. „Aber wir können in der Gemeinschaft besser versuchen, auch mit Rückschlägen oder mit dem Suchtdruck umzugehen.“ Dazu gehöre auch, dass ein Gruppenmitglied ein anderes bei akutem Suchtdruck anrufen könne, um um Unterstützung zu bitten. Oberste Regel bei den Gruppentreffen: Alles, was gesagt wird, ist vertraulich und unterliegt absoluter Verschwiegenheit.