Menden. In Menden gilt jetzt ab 21 Uhr bis 5 Uhr morgens eine strikte Ausgangssperre. So war die erste Nacht in der Mendener Innenstadt. Eine Reportage.

Die Ausgangssperre gilt jetzt für Menden und den Märkischen Kreis. Eine Reportage aus der Mendener Innenstadt zur Premiere am Freitagabend.

Ali Abdo und Haral Zhar (von links) machen das Fenster bei Döpi zu. Sie verkaufen nur noch im Lieferservice nach 21 Uhr. Normalerweise wäre bis 23 Uhr Betrieb.
Ali Abdo und Haral Zhar (von links) machen das Fenster bei Döpi zu. Sie verkaufen nur noch im Lieferservice nach 21 Uhr. Normalerweise wäre bis 23 Uhr Betrieb. © Westfalenpost | Arne Poll

Der letzte Döner! Punkt 20.59 Uhr reicht Ali Abdo das letzte gefüllte und verpackte Fladenbrot aus dem Fenster bei Döpi an der Unnaer Straße. Der Außer-Haus-Verkauf schließt um 21 Uhr. Das Ordnungsamt habe noch drum gebeten, heißt es. Es war nur eine von Tausenden Fragen, die nach der Ankündigung am Donnerstagabend aufgekommen waren: Gilt Ausgangssperre auch für Dönerkauf?

Tatsächlich wäre der Verkauf wohl doch noch erlaubt gewesen. Das hatte der Märkische Kreis am Freitagabend auf WP-Anfrage bestätigt. Die Allgemeinverfügung hatte dagegen noch viele Fragezeichen gelassen. Döpi ging auf Nummer sicher und liefert jetzt nach 21 Uhr. Das ist weiter erlaubt. Denn Döner-Liefern gilt auf jeden Fall als Arbeit und das ist trotz Ausgangssperre legal.

Eine Stimmung wie kurz vor dem Anpfiff eines WM-Finales

Kurz vor 21 Uhr ist es noch ganz schön wuselig in den Straßen und Gassen. Autos flitzen um die Ecken, Menschen marschieren einen Schritt schneller. Eine Stimmung wie kurz vorm Anpfiff eines WM-Finales, wo jeder rechtzeitig vor dem Fernseher sitzen will. (Ach, das waren noch Zeiten.)

Jetzt ist Corona. Und da wird’s zum „Anpfiff“ der Ausgangssperre schlagartig ein gutes Stück ruhiger. Kaum noch Motorengeräusche zu hören. Ein paar Minuten lang ist völlige Stille in der Fußgängerzone, die ja auch sonst schon nicht gerade eine Partymeile ist.

Mit dem Hund legal durch die Fußgängerzone

 Lothar Haufe (69) mit Welsh-Terrier Ben in der Fußgängerzone. Gassigehen ist ausdrücklich erlaubt.
Lothar Haufe (69) mit Welsh-Terrier Ben in der Fußgängerzone. Gassigehen ist ausdrücklich erlaubt. © Westfalenpost | Arne Poll

Dann kommt Lothar Haufe die Fußgängerzone entlang spaziert. Er darf! Denn am anderen Ende der Leine hängt Welsh-Terrier Ben. Der zwölf Monate alte Vierbeiner berechtigt zum Aufenthalt außerhalb der eigenen vier Wände. Er muss ja Müssen dürfen.

Lothar Haufe dürfte auch zum Füttern eines Tieres raus. Nur bitte keine Tauben. Das ist nämlich ganz verboten. Oder er müsste sich sportlich betätigen. Aber wo fängt sportliche Betätigung an? Wo hört sie auf? Fragen, die in diesen Tagen tatsächlich den Märkischen Kreis bewegen… Hintergrund: Anwalt Tobias Noll klagt gegen die Ausgangssperre.

Keine Kontrollen in der Innenstadt spürbar

„Es ist deutlich leerer als sonst um diese Zeit“, sagt der 69-jährige Hundefreund. Drüben unter der einzig verbliebenen Telefonsäule, da sitze sonst immer eine Gruppe. Die Ausgangssperre scheint sich herumgesprochen zu haben. Die jungen Männer, die sonst immer auf den Kirchtreppen sitzen, haben sich ins Dunkel neben St. Vincenz zurückgezogen.

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Blaulicht erhellt plötzlich den Nordwall. Ein Fahrzeug rast mit Sirene heran. Kontrollen? Nein, das ist nur der Notarztwagen, der den Doktor aus dem Krankenhaus abholt und zu einem Einsatz fährt. Einsatzkräfte sind kaum zu sehen. Die Verantwortung liegt bei der Polizei. Die fährt aber optisch zunächst Zurückhaltung auf. Mehr ist auch nicht nötig. Die Polizei-Leitstelle meldet auf Nachfrage eine sehr ruhige Lage. Einzig das Telefon stehe nicht still: Es gebe zahlreiche Anrufe von Bürgern, die sich versichern wollen, ob sie alles richtig machen.

Jeder wird erst einmal zum Verdächtigen, weil er unterwegs ist

Die leere Fußgängerzone in Menden um  21.15 Uhr. Dennoch sind einzelne Gestalten unterwegs.
Die leere Fußgängerzone in Menden um  21.15 Uhr. Dennoch sind einzelne Gestalten unterwegs. © Westfalenpost | Arne Poll

Dennoch: Irgendwie wird gerade jeder zum Verdächtigen. Zwei Männer schlendern nebeneinander her. Sie sprechen kein Deutsch. Ein anderer entschuldigt sich einfach mal so im Vorbeigehen. Warum das denn? „Ist spät geworden“, sagt er und erklärt auf Nachfrage, dass er aus Syrien stamme, viel mitgemacht habe und Ausgangssperre grundsätzlich ernst nehme. Die nächsten rufen „Scheiße Deutschland“ ohne das näher auszuführen.

Bringt die Ausgangssperre etwas im Kampf gegen die Ansteckungszahlen? Der letzte Kunde bei Döpi schüttelt mit dem Kopf. Lothar Haufe beobachtet die Situation noch. Und sonst ist es einfach nur ziemlich ruhig. Zumindest die Befürchtung, dass vor allem eigentlich brave Bürger jetzt von einer Ordnungsarmada gejagt werden, bestätigt sich nicht.

Hier geht’s zu den Regeln der Ausgangssperre im Märkischen Kreis!