Fröndenberg/Bausenhagen. Die katholischen und evangelischen Friedhöfe im Stadtgebiet Fröndenberg werden zum immateriellen Kulturerbe erklärt. Über besondere Orte.

„Ein Friedhof ist vor allem auch ein Ort der Lebenden“, sagt Pfarrerin Dr. Jula Well. Innehalten, erinnern, zur Ruhe kommen, kommunizieren. Für sie, noch relativ neu in Fröndenberg, war es sogar ein Ort zum Kennenlernen. Die katholischen und evangelischen Friedhöfe im Stadtgebiet werden nun zum immateriellen Kulturerbe erklärt.

Jedes Jahr am 20. September, also nun am morgigen Sonntag, wird in Deutschland der Tag des Friedhofes begangen. Ein besonderer Ort sicher für die meisten Menschen, voller schmerzhafter, aber auch schöner Erinnerungen. Gerade Seelsorger kommen durch Gespräche mit trauernden Angehörigen und die Beerdigungen immer wieder auf dieses Thema. „Die meisten Menschen wollen und müssen wissen, wo ihre Toten liegen“, sagt Pfarrerin Dr. Jula Well über das Bedürfnis nach einem Ort zum Erinnern und Trauern. Deshalb sei es für Familien so besonders schwer, wenn Soldaten in Kriegen vermisst blieben. Und es entsprechend auch eine Erleichterung ist, wenn sterbliche Überreste auch noch Jahrzehnte später identifiziert und in die Heimat überführt werden können.

Zeremonie abgesagt

An den entsprechenden Friedhöfen der katholischen und evangelischen Gemeinden in den Fröndenberger Ortsteilen weisen Schilder am Eingang auf das immaterielle Erbe Friedhofskultur hin, Flyer und die Internetseite www.kulturerbe-friedhof.de informieren weiter, geben Anregungen. Ursprünglich hätten auch kleine Zeremonien am Sonntag dieses Ereignis würdigen sollen, was aber wegen des Virus abgesagt wurde.

Insgesamt gibt es in Deutschland gut 32.000 Friedhöfe.

Annette Behlau-Schnier, die beim Evangelischen Kirchenkreis Unna mehrere Friedhöfe verwaltet, ergänzt einen anderen Aspekt: Menschen, die sich selber für eine Bestattung auf See oder eine andere anonyme Form, im Wald etwa, entscheiden, nehmen ihren Angehörigen – vielleicht unbewusst – oft die Möglichkeit, einen konkreten Ort zum Trauern zu haben.

Friedhof ist oft auch Ruhepol

Ein Friedhof ist oft auch ein Ruhepol – manchmal der einzige – in einer hektischen Großstadt, den Menschen sogar in der Mittagspause zum Durchatmen aufsuchen, hat Jula Well beobachtet. Sie kam zur Zeit des Corona-Lockdowns neu nach Fröndenberg, als es keine Gottesdienste, keine Treffen der Gemeindegruppen gab. „Und dann habe ich mich gefragt, wie ich in dieser Zeit überhaupt Menschen kennenlernen kann“, erzählt sie.

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Und kam auf Supermärkte und Friedhöfe. An letztgenannten Orten habe sie sich dann – sehr vorsichtig natürlich – Menschen genähert, die die Gräber ihrer Lieben pflegen, sei damit über die Familiengeschichte dann auch schnell mit den Menschen selbst ins Gespräch gekommen. Beiderseitig sehr erfüllende Begegnungen, wie die Pfarrerin berichtet.

Nachfrage nach Urnengräbern steigt

„Friedhofskultur ist auch ein Spiegel unserer Gesellschaft“, erklärt die Seelsorgerin weiter. Früher gestalteten Familien ihre großen Gruften auf den Friedhöfen aufwändig selber. Heute, wenn die Angehörigen weit verstreut leben, geht es oft um den geringst möglichen Aufwand. Wodurch sich die stark steigende Nachfrage nach Urnengräbern und Grabplätzen auf der Wiese unter Bäumen, mit lediglich einem Namensschild als Schmuck, erklärt. Die Intention laute dabei manchmal aber auch „zurück zur Natur“.

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Heiner Redeker, Gemeindereferent im Katholischen Pastoralverbund Fröndenberg, berichtet, dass auch immer wieder Menschen den Friedhof als Ort der letzten Ruhe ablehnen. Dadurch gewinnen Friedwälder an Beliebtheit. Dieser Ort in Balve zum Beispiel wird zur Bestattung auch von Menschen von weit außerhalb angefragt. Naturnähe kann aber auch auf klassischen Friedhöfen noch mehr gepflegt werden, Insektenhotels und Totholz als Lebensraum für Tiere seinen Platz bekommen. Auf dem evangelischen Friedhof in Dellwig sollen demnächst viele Bäume einen Platz bekommen.

Kulturerbe: Auszeichung der UNESCO

Der Friedhof im Fröndenberger Westen ebenso wie die evangelischen Friedhöfe in Frömern und Bausenhagen und die katholischen Friedhöfe Warmen und Bausenhagen sind nun als immaterielles Kulturerbe der UNESCO ausgezeichnet worden, wie noch viele andere Orte dieser Art in Deutschland. In der Ruhrstadt entstand die Idee in der ökumenischen Zusammenarbeit der Gemeinden. Beschlossen hatte die Kulturerbe-Verleihung die deutsche Kultusministerkonferenz zeitgleich mit dem Corona-Lockdown im März, wodurch es für dieses Thema quasi keine Resonanz in der Öffentlichkeit gab. Das wird nun nachgeholt.

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