Menden. Ein vorbildliches und wortwörtlich wegweisendes Projekt: Der Rolliweg in Menden erntet lobende Worte bei der Übergabe der Auszeichnung.

Natur grenzenlos genießen – dafür steht der Rolliweg in Menden. Und das wortwörtlich, denn der Waldweg ermöglicht einen barrierefreien Zugang für alle Menschen. Dafür ist am Dienstagabend das Projekt nun offiziell von der UN-Dekade Biologische Vielfalt im Rahmen des Sonderwettbewerbs „Soziale Natur – Natur für alle“ ausgezeichnet worden. Eigentlich sollte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dafür in die Hönnestadt kommen und die Auszeichnung verleihen. Doch der Minister war verhindert – eingesprungen ist der Mendener Unternehmer Ulrich Bettermann. Denn der OBO-Chef weiß genau, wovon beim Rolliweg die Rede ist und kann dessen Bedeutung für Menschen mit Handicap einschätzen: Sein Sohn Christoph ist selbst Rollstuhlfahrer.

„Was bedeutet Behinderung? Es ist ein ganz anderer Blick durch die Welt“, betonte Ulrich Bettermann auf der Wilhelmshöhe. Für ihn sei Barrierefreiheit heutzutage eine Pflicht. Seinem Sohn habe er damals die bestmögliche Förderung und Ausbildung trotz Behinderung bieten wollen – die fand er schließlich in Budapest. Nicht jeder könne jedoch seinen Kindern solch eine Möglichkeit und solch ein Leben bieten. „Den Rolliweg finde ich super“, sagte der OBO-Chef und erklärte, dass es oft ganz einfach sei, Menschen mit Handicap zu helfen und zu fördern. Er wünsche sich, dass diese Idee Nachahmer findet.

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Welche Bedeutung der Rolliweg insbesondere für Menden, aber auch darüber hinaus hat, wurde bei der Verleihung ganz deutlich. Nicht nur Ulrich Bettermann lobte das Projekt, auch Bürgermeister Martin Wächter fand anerkennende Worte: „Über das Thema Inklusion wird viel gesprochen, wichtig ist aber mit kleinen Schritten anzufangen, um Großes zu erreichen. Dazu gehört auch, Natur zugänglich zu machen, und das ermöglicht der Rolliweg.“

Absage von Jens Spahn wegen Corona-Pandemie

Aufgrund der aktuellen Situation mit Covid-19 werden des Öfteren Arbeitskreise spontaner Natur einberufen, so dass Minister Spahn am Dienstag bereits ab 16 Uhr wieder auf dem Weg nach Berlin war. „Wir können absolut nachvollziehen, dass in der aktuellen Zeit jegliche Maßnahmen gegen das Corona-Virus erstmal vorrangig sind“, erklärte dazu Melanie Kersting vom Stadtmarketing Menden.

Weiterhin: „Herr Bettermann ist als international tätiger Unternehmer sowie als einer der Gründerväter des Weltwirtschaftsforums in Davos für uns der perfekte Laudator für die Übergabe einer Auszeichnung an seine Heimatstadt.“

Paul Ziemiak, Generalsekretär der CDU, fügte hinzu: „Der Rolliweg hört sich so banal an, es ist aber unglaublich wichtig darüber nachzudenken, Natur erlebbar zu machen.“ Genau das schaffe der Weg durch den Wald – für Menschen im Rollstuhl, aber auch für Eltern mit Kinderwagen oder Seniorinnen und Senioren mit Rollator.

Zurück geht das ganze Projekt auf eine Idee des ehemaligen Stadtmarketings und des Mendener Stadtförsters Dirk Basse. 2018 wurde das Vorhaben in die Hand genommen und umgesetzt. Der gut 500 Meter lange Weg in der Walde-mei führt entlang einer Waldwiese bis zu Traeberts Teich. Bevor es den Weg gab, war es für Rollstuhlfahrer unmöglich, bis runter zum Teich zu kommen. Jetzt ist das idyllische Gewässer für alle zugänglich.

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Neben den notwendigen Bodenarbeiten, um den Weg befahrbar zu machen, wurden auch barrierefreie Zugänge zu den Sitz- und Rastmöglichkeiten sowie ein barrierefreier Parkplatz geschaffen. Seit Ende 2018 lädt außerdem das Waldsofa zum Verweilen ein. Ein weiteres Highlight ist die mit dem Rollstuhl unterfahrbare Infotafel an Traeberts Teich. Damit auch Rollstuhlfahrer einen ungehinderten Blick auf den Teich genießen können, wurde der Schutzzaun abgesenkt.

Problem: Der Weg ist kaum bekannt

„Das war mein erstes großes Projekt und eins meiner Herzensprojekte“, erinnerte sich Melanie Kersting vom Stadtmarketing Menden. Noch in den letzten Tagen wurde endlich auch die Beschilderung angebracht, welche zuvor kaum vorhanden war.

Damit einher geht ein Problem, dass Marie-Ellen Krause aufgefallen ist. Sie ist Vorsitzende des Vereins für körper- und mehrfachbehinderte Menschen in Menden. „Ich habe rumgefragt, und das Projekt Rolliweg war im Verein kaum bekannt“, erklärte sie. Bei einem Besuch fiel ihr auch die bis dahin noch fehlende Beschriftung auf – sie habe gar nicht bemerkt, dass sie schon auf dem Weg stand.

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Der Rolliweg erfülle dennoch ein wichtiges Ziel: „Menschen mit Einschränkung sind oft von dem erholsamen Besuch eines Waldes ausgeschlossen. Das Ziel der Barrierefreiheit ist es, ihnen die volle Teilnahme in allen Lebensbereichen zu ermöglichen.“

Was also jetzt noch fehle, und das gehöre genauso zur Barrierefreiheit, sagte Krause, sei die Information über den Weg. „Damit auch jeder über diese Möglichkeit Bescheid weiß.“ Mit der Auszeichnung durch die UN-Dekade Biologische Vielfalt ist auch ein erster Schritt getan, das Projekt noch über die Grenzen Mendens hinaus bekannt zu machen.

Im Rahmen des Sonderprojektes „Soziale Natur – Natur für alle“ werden vorbildliche Projekte geehrt, die Natur und soziale Fragen in Verbindung setzen. Dabei lenken die ausgezeichneten Projekte den Blick auf die Chancen, die Natur und die biologische Vielfalt für den sozialen Zusammenhalt bieten. Der Rolliweg ist buchstäblich wegweisend für andere Städte und dient, wie auch Ulrich Bettermann sagte, als Vorbild. Die Auszeichnung besteht für zwei Jahre. Für eine Verlängerung müsste sich die Stadt mit Weiterentwicklungen neu bewerben.