Menden. Mendener Kreuztracht: Pfarrer Senkbeil und Bürgermeister Wächter tragen um 6 Uhr das Kreuz auf den Berg. Keine Prozession, aber viele Kreuzgänger.
Unglaublich, aber wahr: Das Kreuz liegt nun doch unterm Baldachin an der Antoniuskapelle, die seit 1685 durchgeführte Mendener Kreuztracht ist damit auch 2020 nicht ausgefallen – der Corona-Seuche zum Trotz. Und das, obwohl dies wegen der Ansteckungsgefahr bei großen Menschenansammlungen so sein sollte. Doch St-Vincenz-Pfarrer Jürgen Senkbeil und Bürgermeister Martin Wächter trugen das Kreuz heimlich, still und leise in den Rodenberg, um 6 Uhr früh, unangekündigt und nur begleitet von Kreuzmeister Markus Ellert, Diakon André Quante-Blankenagel und dessen Frau. Sie hielt das historische Ereignis dieser Nacht-und-Nebel-Aktion, von der vermutlich noch in hundert Jahren erzählt werden wird, im Bild fest.
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Die kleine Gruppe ging den traditionellen Kreuzweg von der Vincenzkirche aus: Pfarrer Senkbeil war der Kreuzträger, Bürgermeister Wächter trug als Simon den Fuß des Kreuzes. Der Geistliche habe seine schwere Aufgabe in erstaunlich müheloser Art und Weise gemeistert, berichtet Martin Wächter nicht ohne Bewunderung für den Pfarrer. Wann und wie die Idee zur Rettung der dreieinhalb Jahrhunderte alten Mendener Tradition aufkam, wollten die Beteiligten dagegen zunächst nicht erzählen.
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icher ist aber, dass die Gläubigen staunten, die ungeachtet des angeblichen Ausfalls schon seit dem Morgen an den Fußfällen vorbei die Bittfahrt hinauf gepilgert waren. Oben angekommen, lag ja das Kreuz nun doch vorm Kapellen-Eingang unterm Baldachin der Gekreuzigtengruppe. Wie es wohl da hin gekommen war? Darüber wurde von den überraschten Mendenern eifrig diskutiert und gerätselt.
Viele Gläubige, die sich zumindest den eigenen Gang in den Berg nicht durch das Virus nehmen lassen wollten, waren am Karfreitagmorgen schon vor der angegebenen Zeit um 9 Uhr auf den Vincenz-Kirchplatz gekommen. 1100 kleine Holzkreuze, die am Palmsonntag gesegnet worden waren, lagen in einem Korb bereit, aus dem sich jeder bedienen konnte. Die Menschen in der langen Schlange verhielten sich indes sehr diszipliniert, deutlich mehr als zwei Meter lagen jeweils zwischen den Wartenden. Mit ihrem Kreuz wanderten sie dann los.
Wie Petra Böckelmann. Die frühere Grundschullehrerin der Westschule sagte der WP auf die Frage, warum sie ungeachtet der Pandemie teilnehme: „Im 16. Jahrhundert hatten meine Vorfahren eine Ziegelei, und sie haben die Steine für den Bau der Antoniuskapelle geliefert. Sogar die alten Rechnungen dazu gibt es noch.“ Von daher empfinde sie es als Verpflichtung, auch an einem solchen Karfreitag in den Berg zu gehen. Im übrigen hielten sich hier alle Menschen an die Verhaltensregeln, sagt die frühere Westschul-Pädagogin. Das war auch an den Fußfällen zu beobachten, wo die Gläubigen auch vor den ausnahmslos liebevoll mit Blumen und Kerzen hergerichteten Heiligenhäuschen innehielten. Auf der Schützenstraße stimmten einzelne Menschen sakrale Gesänge an.
Es dürften Hunderte, über den ganzen Tag vielleicht auch Tausende gewesen sein, die auch ohne die großen Prozessionen den meditativen Weg gegangen sind. „Das ist für mich noch wichtiger als das symbolträchtige große Kreuz“, sagt Diakon André Quante-Blankenagel. Dass so viele alleine gingen, zeige die Bedeutung, die das Nachgehen des Kreuzweges für viele immer noch habe. „Das war für mich sehr bewegend.“