Menden. Das Amtsgericht Menden hat aufgrund der Krise kreative Lösungen erarbeitet, um weiterarbeiten zu können. Der Schutz ist nicht immer leicht.

Das Amtsgericht Menden hat den Geschäftsbetrieb so weit wie möglich heruntergefahren. Das sagt Direktor Martin Jung auf WP-Nachfrage. Sitzungen und Richtergeschäfte finden aufgrund der Corona-Krise nur statt, wenn sie unaufschiebbar sind. Aufgrund entsprechender Anordnung des Ministeriums für Justiz bringt auch das Amtsgericht Menden die Bürger nach Möglichkeit nicht in Gefahr sich in gerichtlichen Verhandlungen und Anhörungen zu infizieren.

Schutzscheibe nicht als Waffe verwenden

"Wir können nicht so locker verfahren wie im Supermarkt", erklärt der Experte und spielt auf Schutzmaßnahmen im Gebäude an. Es gelte, sich an strenge Vorschriften zu halten. Gerade in unaufschiebbaren Sachen wie etwa einer Vorführung einer gerade festgenommenen Person zur Prüfung der Untersuchungshaft - mit teilweise sehr aufgebrachten Personen zusammen. "Die stehen teilweise am Rande eines Nervenzusammenbruchs." Deshalb müssten alle Gegenstände gut gesichert werden, damit sie im Zweifel nicht als Waffen missbraucht werden können.

Dennoch: Wenn ein Termin unaufschiebbar ist, dann soll er im möglichst geschützten Kontext wahrnehmbar sein. Mit dem nötigen Abstand und auch Scheiben als Schutz vor einer Tröpfcheninfektion. "Wir warten darauf, dass ein Zimmer dafür hergerichtet wird", sagt Martin Jung. Aber - wie auch in anderen Branchen - sei es aktuell nicht so einfach, an entsprechende Materialien zu kommen. Auch Schutzkleidung habe das Gericht zwar, aber nur "sehr wenig", eben so viel wie nötig. Nachschub wäre dennoch gut. "Es ist ja absehbar, dass wir früher oder später auch mit einem Infiziertem Kontakt haben werden und eingreifen müssen."

Kontakt auf ein Minimum reduzieren

Generell gelte: "Wir wollen möglichst keinen Kontakt erzwingen", sagt Martin Jung. "Wir wollen Ängste bei den Menschen vermeiden." Besonders bei älteren Menschen, die der Risikogruppe angehören. Deshalb versuchen er und seine Mitarbeiter möglichst viele Angelegenheiten schriftlich zu erledigen. Doch das sei nicht immer eine Option. "Da bleibt natürlich einiges liegen", weiß der Experte. Letztendlich bedeute das: Nach der Krise wird "erhebliche Mehrarbeit" anfallen. "Aber der Schutz von Personal und Bürgern geht jetzt vor."

Während beispielsweise Haftsachen nicht warten können, seien Scheidungstermine aktuell nicht dringend. So habe er jetzt einen Termin mit einem Paar verschoben, wo beide über 70 Jahre alt sind und seit 14 Jahren getrennt leben. In so einem Fall komme es auf ein paar Wochen mehr oder weniger auch nicht an. Vielmehr gelte es, diese Risikogruppe zu schützen. "Wir haben auch Anwälte, die aus dem Skiurlaub zurückgekommen sind oder sich freiwillig in Quarantäne begeben haben", sagt Martin Jung. Niemand könne zu 100 Prozent ausschließen, dass er nicht infiziert ist. "Wir wollen das Infektionsrisiko so klein wie möglich halten."

Prioritäten festlegen und sortieren

Darüber hinaus gibt es im Gericht sehr beschränkten Publikumsverkehr. Auch Kirchenaustritte haben aktuell keine hohe Relevanz. Besondere Priorität haben Haftsachen ("Wir können die Menschen ja nicht ewig in Haft lassen") und Kinderschutzverfahren, bei denen es um das Wohl eines Kindes gehe. Das seien sogenannte Eilverfahren. Auch bei Erbausschlagungen mit einer festgelegten Frist müsse innerhalb dieser gehandelt werden.

"Wir tun den Menschen keine wesentlichen Vermögens- oder Lebensschäden an", sagt Martin Jung. "Es muss etwas sein, was wirklich unaufschieblich ist. Wir entscheiden das im Einzelfall." Dennoch würden nicht alle Verständnis für die aktuelle Situation zeigen. "Für die Menschen ist ihr eigenes Verfahren natürlich immer am dringlichsten", sagt er mit einem Schmunzeln. "Das ist ja klar."

Kreative Lösungen finden

Auch durch die Sprechanlage werden einige Angelegenheiten nun geklärt. Das sei rechtlich möglich und sowohl der Betroffene als auch die Wachtmeister seien so gut geschützt. In diesen Tagen komme es mehr denn je darauf an, kreative Lösungen zu finden. Das gelte auch für Anhörungen oder Verkündigungen bei Risikogruppen. Wenn es drängt, verkündet der Richter eben im geschützten Raum an der frischen Luft bei den Personen Zuhause. "Gerade Ältere fürchten fremde Personen." Diese Art und Weise sei sehr unüblich, aber die Betroffenen seien oft begeistert über diese Option.

Trotz all der Sicherheitsmaßnahmen muss bei einigen Verfahren immer sichergestellt sein, dass die Öffentlichkeit gewahrt wird. Niemand könne bei einer Verhandlung absehen, wie viel Publikum komme. Einlasskontrollen sind wichtig, genau wie die nötigen Abstände. Das kann besonders für das Wachpersonal zur Herausforderung werden. Denn die können sich im Ernstfall nicht an den nötigen Abstand halten und müssen demnach geschützt werden. "Das Publikum ist nicht immer einsichtig und nimmt den Virus teilweise nicht ernst." Nicht nur deshalb sei man gerade "zurückhaltend, Sitzungen anzuberaumen".

Im Zweifel entscheidet der Richter

Aber: "Wir können gefährliche Täter auch nicht einfach laufen lassen!", sagt Martin Jung. "Wir haben beispielsweise eine Haftsache, die bald beginnen soll." Es gehe um mehrere Fälle. Menschen, die an der Verhandlung beteiligt sind, befinden sich teilweise in Quarantäne. "Wir müssen aber trotzdem den Schutz aller gewährleisten", erklärt Jung den Zwiespalt. Da gebe es kein Patentrezept. Der Richter habe die Hoheit und entscheide, wie er die Sache angehe.

Generell habe das Gericht aber mehrere Möglichkeiten zu reagieren. So könne beispielsweise anverhandelt werden und dann eine Fortsetzung bis zu drei Wochen hinausgezögert werden. "Die Quarantäne eines etwaig beteiligten Infizierten ist dann ja hoffentlich ohne Befund", sagt Jung.