Menden/Venedig. Bilder der international aufstrebenden Künstlerin Claudia Mölle hängen in Venedig in leeren Fluren. Sie sorgt sich indes eher um ihre Heimatstadt.

Claudia Mölle hatte eines ihrer Traumziele erreicht: Die Mendener Künstlerin war eingeladen worden, ihre außergewöhnlichen Metall-Bilder im Februar in Venedig auszustellen – im Palazzo Ca’ Zanardi, einer Top-Adresse für zeitgenössische Kunst in Italien, direkt am Canal Regio. Offiziell sind die Mölle-Bilder dort noch bis heute im Rahmen der Ausstellung „Body Language“ zu sehen, doch schon seit Wochen darf niemand mehr einen Blick darauf werfen: Das Coronavirus, das Italien im Griff hat wie bisher kein anderes europäisches Land, sorgte in Venedig frühzeitig für den Abbruch aller öffentlichen Veranstaltungen mitten im berühmten Karneval.

Viele Ausstellungen in ganz Europa sind jetzt abgesagt

Kurz nach Mölles planmäßiger Abreise griffen dort die ersten der drastischen Maßnahmen, die mittlerweile das ganze Land zu einer einzigen Schutzzone machen. Und so hängen vier Werke von Claudia Mölle bis heute an den Wänden des Palazzo, doch niemand darf mehr hinein, um sie sich anzusehen. „Richtig so“, sagt sie. Wann sie ihre Bilder selbst wiedersieht, stehe unterdessen noch in den Sternen: „Geschrieben haben sie mir gerade, dass die Bilder keinesfalls vor Mai zurückkommen.“

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Weitere geplante Ausstellungen im Ausland, zu denen die aufstrebende Mendenerin Malerin und Bildhauerin mit ihrer Kunst eingeladen war, sind inzwischen abgesagt worden. Als nächstes wäre für Mölle die „Artbox“ in der Galerie Valid World Hall in Barcelona an der Reihe gewesen, die am 18. März beginnen sollte. Die Kunstmesse Stroke International, wo sie mit der Galerie Gaudi aus Madrid ausstellen sollte, entfällt ebenfalls. Aufgeschoben, vielleicht auch aufgehoben ist die „Woman’s Essence“ in Zusammenarbeit mit der UNESCO im Palazzo Tofanini in Bologna.

Engel und Artisten

In der heutigen Zeit wird der Karneval offiziell zehn Tage vor Aschermittwoch an einem Sonntag eröffnet. Erste Festivitäten beginnen aber oft bereits eine Woche zuvor. Beim Engelsflug (Volo dell’ Angelo) schwebt ein Artist an einem Stahlseil gesichert vom Campanile herab über den Markusplatz.

Es gibt in der Stadt auf verschiedenen Bühnen künstlerische und artistische Darbietungen. Privatpersonen flanieren in Kostümen durch die Stadt, in der Mehrzahl natürlich um den Markusplatz herum.

Die meisten Besucher kommen am Wochenende vor Aschermittwoch; außer von weiter her angereisten Touristen finden sich auch viele Tagestouristen aus dem Umland (bis nach Österreich) ein. Für die Kostümierten bilden die Parade und die Preisvergabe für das schönste Kostüm am Sonntag den Höhepunkt. (Quelle: Wikipedia)

Weil Claudia Mölle aber nicht nur Künstlerin ist, sondern zuvor auch zwölf Jahre lang Intensivschwester am Mendener St.-Vincenz-Krankenhaus war, macht sie sich heute weniger Gedanken um ihre Bilder als vielmehr um Familie und Mitbürger. „Als ich aus Venedig abreiste, war der berühmte Karneval mit den unglaublichen Masken noch in vollem Gange. Erst als ich tags darauf wieder zuhause war, wurde klar, was dort passierte“, berichtet sie.

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Als Frau vom Fach ließ sie sich sofort untersuchen und begab sich dann freiwillig in häusliche Quarantäne, um das Ergebnis abzuwarten. In ihrem Umfeld stieß das zu dieser Zeit bestenfalls auf Amüsement, aber auch auf Unverständnis. „Dabei war mir klar, wie man sich verantwortungsvoll verhalten muss.“ So blieb die mittlerweile weltläufige Künstlerin konsequent in ihren eigenen vier Wänden. Bis nach einigen Tagen feststand, dass sie sich in einem der absoluten Risikogebiete und trotz der Massen im Karnevalstrubel der Lagunenstadt zum Glück nicht mit dem Coronavirus angesteckt hatte.

Gefragt in ganz Europa: Von Paris im Nachtzug in die Lagunenstadt gefahren

Claudia Mölle hinter einer der Masken des berühmten Herstellers Sergio Boldrin.
Claudia Mölle hinter einer der Masken des berühmten Herstellers Sergio Boldrin. © Privat

Den Karneval in Venedig, zu dem sie am 12. Februar im Liegewagen von Paris-Saint Germain aus aufgebrochen war, hatte sie selbst noch in vollen Zügen genossen. Es sei zwar anstrengend gewesen, unmittelbar nach dem Abbau der Ausstellung in der Galerie Etienne de Causans über Nacht nach Italien zu reisen. Doch Venedig im Karneval sei eben jede Reise wert. Im Normalfall.

In Paris hatte sie bereits Chinesen mit anderen als karnevalistischen Masken gesehen: Die Leute trugen Atemschutz. In Venedig herrschte noch Sorglosigkeit. Massenveranstaltungen, Umzüge, all das erlebte Mölle mit. Im weltberühmten Masken-Shop von Sergio Boldrin an der Rialtobrücke probierte sie einige an – zufällig mit Promis wie Design-Papst Oscar Carvallo, Ex-Model und Künstlerin Alexandra Mas oder Fotograf Marco Tassini.

Entsetzt darüber, wie lange in der Heimatstadt noch munter gefeiert wurde

Zuhause fragte sie sich dann, wann die Behörden ähnliche Anordnungen wie in Italien treffen würden. „Ich war einigermaßen entsetzt, wie lange bei uns einfach nichts geschehen ist“, sagt Mölle heute. Dass in Menden trotz der enormen Ansteckungsgefahr bei Coronaviren und einer mehrtägigen Inkubationszeit munter Zeltkarneval gefeiert wurde, während in Italien bereits massive Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden, will ihr nicht in den Kopf.

Dass es auch hier jetzt Absagen hagelt, sei gut und richtig, sagt sie. Motto: Besser spät als nie.

A propos: Während Mölles Werke von Ausstellungen in Tokio und Xian unversehrt heimgekehrt sind, lassen ihre Bilder in Venedig wohl noch länger auf sich warten.