Menden. Die Mendenerin Larissa Huckschlag hat ihren Traumsport gefunden: Poledance. Eine Sportart, die viele andere Arten miteinbezieht.

Mit festem Griff umschließen ihre Hände das kalte Metall der Pole-Stange – eine Hand auf Brusthöhe, die andere etwa an der Hüfte. Sie steht auf Zehenspitzen, nimmt Schwung und dreht sich um die Pole.

Die Stange klemmt in einer Kniebeuge, das andere Bein ist elegant vom Körper gestreckt. Drei, vier Spins, und sie kniet auf dem Boden. „Das Tolle ist, wie viele Sportarten das hier mit sich bringt“, erklärt sie während sie sich dreht – als koste sie die Übung nicht das geringste an Anstrengung.

Selbsttest an der Stange

Ein merkwürdiges Gefühl, in kurzer Sporthose und barfuß vor dieser Chromstange zu stehen – als würde sie nur darauf warten, endlich getestet zu werden. Das Ziel ist also, einfach so an ihr zu hängen? Na gut, Versuch macht ja bekanntlich klug.

„Man fängt mit dem Klettern an“, erklärt Larissa. Also los: Die rechte Hand ans oberste Ende der Stange, die andere auf Bauchnabelhöhe. Den rechten Unterschenkel und den Fuß längs an die Stange. „Je mehr Haut an der Pole, desto besser“, sagt Larissa. Kalt ist die Stange übrigens nicht. Ist ja auch kein Winter mehr. Und dann geht’s hoch. Das zweite Bein schwinge ich über das erste, ziehe mit der rechten Hand und drücke mich mit dem Bein und der linken Hand nach oben. Geschafft! Ich hänge!

Doch jetzt kommt erst die Herausforderung. Die Beine ganz fest zusammen gepresst, beugt sich mein Körper nach rechts. Langsam – zitternd – lasse ich die erste Hand los. Dann die zweite. „Wow!“ Larissa ist erstaunt. Mission Lady Seat: Gemeistert! Elegant sieht er vermutlich nicht aus, ganz zu schweigen von der Ankunft auf dem Boden – ich plumpse eher von der Stange. Und merke jetzt schon: Meine Oberschenkel tun innen weh! Die Stange schrappt die Haut regelrecht auf – schließlich berührt sie ja nur da den Körper! Die nächste Übung ist noch schmerzhafter – nur durch meine Oberschenkel gehalten, stehe ich quasi in der Luft.

Es fühlt sich ein bisschen an wie Fliegen – auf sehr schweißtreibende Art. Nach nur zwei Übungen bin ich nass. Und die dritte toppt das noch: Ich möchte den Superman ausprobieren – natürlich in der einfachen Variante. „Du fängst auf dem Boden an“, erläutert Larissa. Also ab in die Liegestützposition. Die Pole zwischen die Beine, den rechten Arm nach hinten und: Hoch! Beim zweiten Mal schaffe ich es. Ganz schön beeindruckend, findet Larissa.

Und am nächsten Tag bin ich beeindruckt: Nur drei Übungen, und ich habe überall Muskelkater!

Larissa Huckschlag ist 39 Jahre alt. Und macht Poledance. Sie nennt ihr Hobby aber lieber Polesport. „Weil es eben eine richtige Sportart ist. Sobald man einmal selbst an so ‘ner Stange hängt, weiß man, wie unglaublich anstrengend das ist!“

Eine Figur für fünf Sekunden

Vor allem das Image der Sportart verärgert die dreifache Mutter. Denn dass ein Sport, der so viel fordert, teils immer noch einen dermaßen schlechten Ruf hat, kann sie einfach nicht verstehen. „Mittlerweile machen das auch so viele Mädels als Sportart und nehmen an Wettbewerben teil!“

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Und gemeint sind Wettbewerbe, bei denen es nicht reicht, ein bisschen um eine Polestange zu tänzeln. „Da muss jede Figur ungefähr fünf Sekunden gehalten werden“, erklärt Huckschlag. Eine Herausforderung, die einem erst dann richtig bewusst wird, wenn man den Sport selber ausprobiert.

Auch für ungestreckte Füße gebe es bei Weltmeisterschaften Punktabzug. Die Tänzerinnen führen bei den Turnieren dann verschiedene Kunststücke vor – es gibt Drehungen, Bodenfiguren und Haltefiguren. „Der Weltmeisterschaftspunktekatalog ist wirklich sehr umfangreich“, erklärt die Tänzerin.

Muskelkater – überall

Und dabei ist das Ganze auch so schon ziemlich schweißtreibend. Jede gute Poledance-Stange lässt sich in einen Dreh- und Statikmodus stellen – das eine ist nicht weniger anstrengend als das andere. „Das Gute ist, dass wirklich alle Muskelgruppen beansprucht werden“, erklärt Huckschlag.

So ändert man den Dreh- oder Statikmodus einer Polestange.
So ändert man den Dreh- oder Statikmodus einer Polestange. © Livia Krimpelbein | Livia Krimpelbein

Seit zweieinhalb Jahren macht sie den Sport jetzt – und erinnert sich noch zu gut ans erste Mal. Tagelang habe sie Muskelkater gehabt. „Ich wusste gar nicht, wo ich überall Muskeln habe“, lacht sie. Auch mit blauen Flecken und aufgeschrammter Haut müsse man – vor allem in den ersten Stunden – klarkommen.

„Man merkt, was man braucht“

„Am schlimmsten war’s aber im Bauch“, erinnert sich Huckschlag. Obwohl die Vermutung auf die Arme fallen könnte, würde der Bauch durchs ständige Hochziehen und Halten stark belastet.

Steter Begleiter auf dem Weg zur Topfigur der 39-Jährigen waren (und sind) auch andere Sportarten – wie Kraftsport, Ausdauertraining, ständiges Stretching und Yoga.

Ein kleiner Poledance-Guide für Anfänger

P oles gibt es in den verschiedensten Ausführungen. Man unterscheidet zunächst zwischen frei stehenden (ab 700 Euro) und klemmenden Stangen (gebraucht ab 150 Euro). Es gibt auch Silikonstangen, die man mit Kleidung nutzen kann.

O ben in der Luft bleiben. Dafür gibt’s eine Kleiderordnung. Am besten eignen sich Top und kurze Hose für den Anfang, aber es gibt auch beschichtete Leggings (Stoppersocken-Effekt).

L ange Nutzung der eigenen Stange setzt die Behandlung mit Desinfektionsmitteln voraus – auch Alkohol eignet sich.

E incremen sollte man sich vor dem Poledance nicht. Stattdessen lohnt sich Flüssigharz an den Händen – so kann man die Stange leichter festhalten.

D er Sport hat mittlerweile eine Riesencommunity. In der Gruppe „Pole Dance Germany“ stehen zahlreiche Trainer und Athleten mit Rat und Tutorials zur Seite. Auch Stangen kann man hier gut kaufen – gebraucht.

A ns Ende der Stange setzen manche Poledancer einen „Hoop“ – also einen Reifen für noch ganz andere Kunststücke.

N icht selten wird den Tänzern vom Drehen übel. Viele schwören deshalb auf Reisekaugummi gegen den Schwindel.

C lubs für den Sport gibt es in Menden nicht – und auch das nächste Poledance-Studio ist in Iserlohn.

E s gibt sogar Kinder-Pole-Kurse. Der athletische Punkt ist hier ganz im Vordergrund.

„Während der Figuren merkt man automatisch, was man braucht. Irgendwann reicht die Kraft, dann braucht man eben mehr Stretching“, erklärt sie.

Einmal pro Woche Training

Ausgestattet ist die 39-Jährige mit allem, was das Poledance-Herz begehrt.
Ausgestattet ist die 39-Jährige mit allem, was das Poledance-Herz begehrt. © Livia Krimpelbein | Livia Krimpelbein

Und gerade Stretching gehört bei ihr jeden Tag auf den Plan. „Mittlerweile kann ich sogar den Spagat“, freut sie sich. Poledance versuche sie mindestens einmal pro Woche zu trainieren. „Aber was einmal sitzt, das sitzt!“

Und bei Huckschlag sitzt schon so einiges. „Dafür, dass ich das noch nicht sehr lang mache, bin ich wirklich zufrieden.“

Der Superman

Choreos macht sie eher selten, lieber erarbeitet sie sich Stück für Stück neue Figuren. „Vor allem den Superman wollte ich von Anfang an können“, erklärt sie.

Eine Figur, bei der man sich mit beiden Beinen und einem Arm waagerecht an der Stange festklammert – und die bei ihr absolut leicht aussieht. „Tja, das geht aber alles andere als spielend“, sagt sie lachend.

Eins-Zu-Eins-Betreuung

Angefangen hat sie damals bei Hannah Boecker. Aufgrund eines Zeitungsartikels habe sie Boecker auf Facebook kontaktiert. „Ich fand den Sport schon immer faszinierend“, erklärt sie.

Mit der frei stehenden Pole geht’s auch draußen in der Natur.
Mit der frei stehenden Pole geht’s auch draußen in der Natur. © Privat | Privat

Über die Möglichkeit einer Eins-zu-Eins-Betreuung durch Boecker habe sie sich sehr gefreut. Und die ist als Coach auch wirklich stolz auf ihren Schützling.

Vieles hat sich Larissa Huckschlag aber auch selbst beigebracht. „Es hat nicht lang gedauert, bis ich meine eigene Stange hatte“, erklärt sie. Auch ein großes Buch über ihren Lieblingssport hat die 39-Jährige im Regal stehen.

Poledance am Strand

„Was mich reizt, ist das Trainieren von Figur zu Figur. Man kann bei dem Sport immer wieder etwas neues lernen.“ Genau das habe ihr bei anderen Sportarten oft gefehlt – die seien teils irgendwann langweilig geworden. Und das passiert beim Poledance sicher nicht.

Akrobatik am Straßenschild

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    Dafür sorgt auch eine frei stehende Stange. „Damit kann ich auch am Strand oder in anderen coolen Locations Poledance machen“, erklärt sie. So hat sie auch mit einer Freundin zuletzt auf einem alten Fabrikgelände ein Poledance-Fotoshooting gemacht.