Menden. Der Mendener Kevin Chen studiert in China. Doch statt Vorlesungen zu besuchen, kämpft er gegen Vorurteile nach dem Coronavirus-Ausbruch.

Eigentlich will Kevin Chen nur zurück nach China. Doch das geht momentan nicht. Seit dem Ausbruch des Coronavirus’ ist der 18-jährige Mendener sozusagen in der Hönnestadt gestrandet – und hat hier stellenweise mit Vorurteilen zu kämpfen.

Schriftzeichen pauken statt Vorlesungen im Hörsaal

Ein Semester hat Kevin Chen bereits an der Xiamen University studiert, auf einem der größten Campusse des Landes. Rund 40.000 Studenten zählt die Universität in der Provinz Fujian im Südosten Chinas. Und eigentlich hätte der Mendener schon vor zwölf Tagen wieder in die Heimat seiner Eltern zurückkehren sollen. Doch selbst mit chinesischem Pass ist das derzeit zu umständlich, obwohl Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes bislang nur für die zentralasiatische Provinz Hubei gelten.

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Kevin Chen studiert Business-Chinese. Drei Auslandssemester hatte der 18-Jährige nach seinem Abitur geplant – für das höchste Sprachzertifikat C2. „Es ist die Sprache meiner Eltern, es wäre schade, sie nicht zu lernen“, sagt er. Doch derzeit heißt es statt in der Uni-Bibliothek zu pauken, vor dem Rechner zuhause den Professoren bei Online-Vorlesungen zu lauschen. Zu groß ist das Risiko, dass es zum Semesterstart mit Studenten aus allen Himmelsrichtungen des Landes zu einem weiteren Corona-Ausbruch kommt.

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Dabei kann sich Kevin Chen nicht über zu wenig Lernstoff beschweren. Da er mit Mandarin, also Hochchinesisch, aufgewachsen ist, fällt ihm das Sprechen nicht schwer. Satzstruktur und Grammatik seien dem Deutschen sehr ähnlich. Viel schwieriger seien die Schriftzeichen. „Die schrecken viele Menschen ab“, sagt der 18-Jährige. 2500 sind es im alltäglichen Gebrauch, rund 4000 im literarischen.

Quarantäne ist eine psychische Herausforderung

Eine Rückkehr in den Uni-Alltag scheint aber weit entfernt. Viele namhafte Airlines haben ihre Linienflüge nach China inzwischen ausgesetzt oder stark begrenzt. Derweil hält Kevin Chen den Kontakt zu Familie und Freunden rund um seine Heimatstadt Fuzhou, der Hauptstadt der Fujian-Provinz. „Die Region ist zwar nicht stark betroffen, aber trotzdem müssen alle zuhause bleiben“, erzählt Chen.

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Vor einigen Tagen sei die Quarantäne zwischenzeitlich aufgehoben worden – was rund 70 neue Infektionen binnen eines Tages nach sich zog. Seitdem herrscht wieder Quarantäne. „Das ist schon in gewisser Weise gruselig“, so der Mendener. Trotz einer täglichen Ungewissheit mangele es den Chinesen an nichts. „Eine psychische Bürde ist es dennoch.“

Dabei ist nicht einmal eine Reise nach China notwendig, um die Auswirkungen des Coronavirus’ auf die Gesellschaft zu bemerken. Nachdem die Zahl der Neuinfektionen auch in Deutschland zunimmt, hat Kevin Chen hierzulande bereits Erfahrungen mit Vorurteilen gemacht.

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Bei einem Arbeitsamt-Termin habe die Sachbearbeiterin mitten im Beratungsgespräch eine Atemmaske aus der Schublade gekramt und übergezogen. „Sie sagte, dass sie sich unwohl fühlt. Das war richtig verrückt“, berichtet der 18-Jährige. Schuld treffe die Frau jedoch nicht. „Sie hat sich mehrfach entschuldigt.“ Vielmehr kritisiert er die mediale Panikmache rund um das Coronavirus. So seien er und seine Schwester vor einigen Tagen auch am Kölner Bahnhof von den Menschen gemieden worden.

Noch könne er über solche Vorfälle oder Witze der Freunde lachen. Doch die zunehmende Hysterie verfolgt er mit Sorge, fürchtet gar Übergriffe auf andere Chinesen. Dabei, sagt Chen, will er nur so schnell wie möglich wieder studieren, „es soll sich normalisieren“.

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