Menden. Die Hälfte die Kinderzettel am Wunschbaum im Rathaus trug zuletzt nur Wünsche nach Jacken oder Schuhen. Die Initiatoren haben das jetzt gestoppt.

Bald startet sie wieder, die seit 15 Jahren erfolgreiche Wunschbaum-Aktion für Mendener Kinder, die sonst zu Weihnachten kein Geschenk bekämen. Doch diesmal wird es anders sein als sonst: „Wir werden erstmals keine Kleidungswünsche mehr dabeihaben“, sagen die Initiatoren Nils Kemper und Fabian Pröpper. Zuletzt standen auf der Hälfte der 500 Zettel für den Rathaus-Baum nur Jacken, Hosen oder Schuhe als Kinderwünsche. „Wir vermuten, dass dies eher die Bedarfe der Eltern sind“, sagen auch Melanie Kersting und Jenni Gröhlich vom Mendener Stadtmarketing, das die Aktion begleitet.

Enttäuschungen vermeiden

Die Wunschbaum-Macher zählen gleich mehrere Gründe auf, warum sie die Kleiderwünsche nicht mehr zulassen. „In erster Linie geht es uns um eine Freude für die Kinder zu Weihnachten“, sagt Nils Kemper, „das war und ist uns das Allerwichtigste.“ Und Kinderaugen leuchteten nun mal dann am hellsten, wenn sich die ersehnte Barbie oder das Fernlenkauto im Geschenkpapier verbergen – und nicht eine neue Winterjacke, so dringend sie vielleicht gebraucht würde.

Herzenswünsche das Wichtigste

Auf diesen Umstand hätten in den Vorgesprächen für den Wunschbaum 2019 die Vertreter der beiden Sozialverbände aufmerksam gemacht, über die das Ausfüllen der Wunschzettel seit vielen Jahren stattfindet: die Evangelische Jugendhilfe Menden und der Katholische Verein für soziale Dienste (SKFM). Die trotzdem gefällte Entscheidung gegen die Kleidung sei den Initiatoren alles andere als leicht gefallen, betont Kemper. Aber: „Nicht nur wir selbst wollen am liebsten die echten Herzenswünsche der Kinder und Jugendlichen erfüllen. Sondern die auch die vielen großzügigen Spender.“

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Ablesbar sei das daran, dass es immer die Kleiderwünsche waren, die am längsten am Baum im Erdgeschoss des Rathauses hingen. „Auch die Gönner und Sponsoren, denen wir immer wieder nur herzlich danken können, wollen doch Kinderherzen höher schlagen lassen“, sagt Fabian Pröpper. Dass die Spender anonym bleiben, spiele dabei offenkundig keine Rolle. Stattdessen könne sich aber jeder die Enttäuschung in den Gesichtern der Kinder ausmalen, wenn sie „nur“ Kleidung auspackten, die dann womöglich auch nicht passt oder nicht gefällt.

Große Umtausch-Aktionen

Zahlreiche solcher Fälle hätten in den vergangenen Jahren regelmäßig zu aufwändigen Umtausch-Aktionen geführt, und nicht immer sei es am Ende gut ausgegangen. Wenn etwa die zu kleine Jacke in Dortmund gekauft wurde – und nur dort umgetauscht werden konnte. Wenn ein Junge eine knallrosa Jacke ausgepackt hatte, für die obendrein der Kassenbon zum Umtausch fehlte. Melanie Kersting: „Da gab es einige Geschichten, die wir nicht mehr erleben wollen.“

Verweis auf Second-Hand-Kleidung

Einen weiteren Aspekt führt Jenni Gröhlich ins Feld: „Man kann sich Kleidung heute in vielen Second-Hand-Shops oder Kids-Märkten sehr günstig besorgen.“ Dank der Nachhaltigkeitsdebatte kauften heute auch wohlhabende Menschen bewusst gebrauchte Kleidung. An der Tatsache, dass bedürftige Familien in Menden ihren Kindern kein nagelneues Kleidungsstück kaufen könnten, gebe es nichts zu beschönigen. „Aber die Zeiten, in den das nur der Notbehelf war, der die Kinder obendrein stigmatisierte, die sind hoffentlich vorbei.“

>>>KOMMENTAR<<<

Es geht um die Kinder

Vor eine schwierige Frage sahen sich die Initiatoren des Wunschbaums gestellt: Sollen sie Kinder glücklich machen oder Familien in Not unterstützen? Sie haben sich zurecht fürs Spielzeug entschieden, denn es soll ihnen um die Kinderwünsche gehen.

Die Entscheidung stand indes auch vor dem Hintergrund der immer weiter wachsenden Nachfrage nach diesen Geschenken an. Wie kann das sein, nach zehn Jahren Hochkonjunktur mit niedrigster Arbeitslosenquote? Hier zeigt sich, dass die vermeintlich fetten Jahre an allzu vielen Elternpaaren und Alleinerziehenden vorbeigegangen sind. Mag sein, dass sie Jobs haben. Doch um dem eigenen Kind ein Geschenk zu kaufen, dafür reichen ihre Einkommen nicht aus.

Eine Schande ist das.

Thomas Hagemann