Menden. Bürger, Vereine und Fraktionen warten oft Monate, bis ihre Anliegen bearbeitet werden. Die FDP sagt: Die Stadt hat vom Digitalen keine Ahnung.

Arbeitet die Mendener Stadtverwaltung zu langsam, wenn es um die Anliegen von Bürgern oder Ratsfraktionen geht? Um diese Frage ging es im jüngsten Hauptausschuss gleich mehrfach – und es ging zur Sache zwischen Bürgermeister Martin Wächter und den Fraktionsvertretern Mirko Kruschinski (SPD) und Stefan Weige (FDP).

Die Debatte begann mit einem Antrag von Markus Kisler, dem Vorsitzenden des Stadtsportverbandes: Sowohl der Verband wie auch seine Mendener Vereine oder die Schulen machten regelmäßig die Erfahrung, dass es sehr lange dauere, bis Anträge inhaltlich beraten werden. Das liege offenbar daran, dass sie erst den Hauptausschuss passieren müssten, um dann ins Fachgremium vorzustoßen. Kisler regt an, Anträge über die Stadtverwaltung direkt an den Ausschuss zu verweisen. Dazu sagte Bürgermeister Martin Wächter: „Das Verfahren gibt es aus guten Gründen.“

Anträge „vergammeln“

Hier setzte nun FDP-Fraktionschef Stefan Weige an: „Wir haben ja selbst darunter zu leiden. Es ist unfassbar, wie lange manche Anträge hier vergammeln! Das geht ja über Jahre, sogar wahlperiodenübergreifend!“ So etwas sei nicht nachvollziehbar und auch nicht mit dem Verfahren zu erklären. Weige: „Es wäre gut, sich dazu mal ein paar Gedanken zu machen!“ Beschlossen wurde daraufhin, dass die Verwaltung zur nächsten Sitzung eine Beschlussvorlage erarbeiten soll.

Statt „Tell me“ eine Großrecherche

Doch das war längst nicht das Ende der Fahnenstange.. Denn jetzt standen Anträge von FDP und SPD zur Digitalisierung an, beide bereits gestellt im Januar 2019. Die Liberalen wollen, dass auf der Stadt-Homepage „menden.de“ eine App installiert wird, über die alle Bürger Mängel im Stadtgebiet melden könnten – ob defekte Mülleimer oder Bänke, Laternen, Spielplätze und vieles mehr. Die unaufwändig zu installierende App könne jeden Mangel gleich klassifizieren und an die zuständige Stelle im Rathaus weiterleiten. Nachbarstädte wie Fröndenberg und Arnsberg, so die FDP, hätten dies längst. Beide nutzen dafür die kostengünstige Melde-App „Tell me“ (zu Deutsch: „Sag’s mir“).

SPD sieht „Bankrotterklärung“ an Bürgernähe

Einen „Luxus, den sich in der freien Wirtschaft niemand erlauben könnte“, nannte Mirko Kruschinski (SPD) im Hauptausschuss die jüngste einwöchige Schließung des Bürgerbüros im Rathaus in der Herbstferien – wegen Urlaubszeit und Krankheitsfällen.

Der Sozialdemokrat nannte das Dichtmachen „eine Bankrotterklärung gegenüber jedem Gedanken von Bürgerservice und Bürgernähe“. Statt die Haupt-Anlaufstelle für alle Mendener im Rathaus über so lange Zeit einfach zu schließen, hätte man im Sinne der Bürger andere Lösungen unter Einbindung anderer Verwaltungsbereiche finden müssen.

Wie zuvor schon für den Begriff „Unverschämtheit“ zur überlangen Bearbeitungsdauer des SPD-Antrags auf ein Online-Formular erntete Kruschinski auch hier den Widerspruch von Bürgermeister Martin Wächter als Ausschuss-Vorsitzendem: „Den Ausdruck Luxus kann ich so nicht stehen lassen! Auch hier bitte ich Sie, angesichts von zahlreichen Krankheitsfällen Ihre Wortwahl noch einmal zu überdenken.“

Die Stadt Menden begann stattdessen mit aufwändigen Recherchen und der Ermittlung von Kosten bis in den fünfstelligen Bereich, was obendrein zu der langen Bearbeitungszeit beitrug. Dass man jetzt nach zehn Monaten sogar nur einen Zwischenbericht ablieferte, ließ Weiges Fass überlaufen: „Muss man das so aufblasen? Das ist ein halber Tag Arbeit. Ich weiß ja nicht, ob es in dieser Verwaltung Fachleute gibt, sonst kann man auch die Citkomm als Dienstleister oder in den Nachbarstädten fragen. Das wäre ein Klacks!“ Was aber hier daraus gemacht wurde, zeige vor allem eins: „das fehlende Digital-Verständnis der Stadtverwaltung!“

SPD: „Unverschämte“ Bearbeitungsdauer

Diesem Urteil schloss sich Mirko Kruschinski an. Seine SPD hatte im Januar ein Online-Formular beantragt, das Bürgern die Möglichkeit bieten soll, ein Feedback zu erhaltenen städtischen Dienstleistungen zu geben (die WP berichtete). Dies sei eher eine rhetorische Frage gewesen, denn zu Spielplätzen in Menden gebe es solch ein Formular schon lange. Kruschinski nannte es „eine Unverschämtheit“, dass die Stadt zehn Monate brauchte, nur um festzustellen, dass auch dieses Online-Formular funktionieren könne.

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Den Ausdruck Unverschämtheit weise er mit Nachdruck zurück, machte sich daraufhin Bürgermeister Wächter für die Rathaus-Bediensteten stark. „Das kann ich so nicht im Raum stehen lassen!“ Weige ergänzte daraufhin: „Unverschämtheit ist zu stark. Ich finde das – bemerkenswert.“ Einen Verteidigungsversuch unternahm auch CDU-Fraktionschef Bernd Haldorn: „Die Vorwürfe in dieser Verve finde ich erstaunlich. Man kann sich auch per Telefon, Mail oder persönlich beschweren.“ – Könne man eben nicht, konterte Kruschinski. So habe „Ampeldetektiv“ Ingo Günnewicht, der die Schaltung an der Bismarckstraße für gefährlich hielt, monatelang keinerlei Reaktion aus dem Rathaus erhalten: „Erst als er sich an die WP wandte, ging es ganz schnell.“

Jetzt wird gehandelt

Wolfgang Lück vom Zentralen Service der Stadtverwaltung entschuldigte sich schließlich in aller Form: „Dass es mit diesen Anträgen so lange gedauert hat, liegt an der personellen Besetzung, dem Krankenstand und der Vielzahl kleinerer Aufgaben.“ Peter Köhler (Grüne) warf ein, dass es doch ein digitales Gesamtkonzept über das millionenschwere Förderprogramm „Smart City“ geben solle. Doch das ließen Weige und Kruschinski nicht gelten: „Das dauert doch noch Jahre. Menden trägt digital längst die Rote Laterne. Wie lange wollen wir uns das eigentlich noch leisten?“, fragte der FDP-Fraktionschef. daraufhin wurde beschlossen, die Anträge der beiden Fraktionen einfach schnellstmöglich umzusetzen.

Auch Digital-Beauftragter wartet

Am Ende erinnerte Sebastian Meisterjahn an einen Antrag des SPD-Ortsvereins Menden, im Rathaus einen Digital-Beauftragten einzustellen: „Der wird offenbar noch dringender gebraucht, als wir dachten.“

Dieser Antrag datiert vom Februar.