Menden. . Bianca Humme, Monika Jablonka und Astrid Schnell haben zum ersten Mal in ihrem Leben die Adventszeit in eigenen Wohnungen verbracht.
Die Weihnachtszeit ist für viele Menschen eine ganz besondere Zeit. Erst recht gilt dies für Bianca Humme, Monika Jablonka und Astrid Schnell. Die drei Frauen haben diese Zeit zum ersten Mal in ihrem Leben in eigenen Wohnungen verbracht und dort ein neues Gefühl der Selbstständigkeit erlebt. Bislang haben die Drei bei ihren Eltern gelebt, erst vor wenigen Monaten sind sie in den Neubau am Lenzenplatz – eine Hausgemeinschaft für Menschen mit Handicap – eingezogen.
Ans große Fenster hat Bianca Humme Weihnachtsmotive geklebt, ein großer Stern baumelt von der Decke, ein geschmücktes Weihnachtsbäumchen steht auf dem Boden: „Ich habe selbst dekoriert“, sagt sie stolz.
Nach den ersten Wochen im Appartementhaus habe sie sich gut eingelebt, auch wenn das Gefühl, alleine zu leben „ab und zu noch ein bisschen komisch“ sei, sagt Bianca Humme. Zuvor hat die 37-Jährige bei ihren Eltern in Eisborn gelebt. Als die Entscheidung fiel, dass sie in die erste eigene Wohnung zieht, war für Bianca Humme am wichtigsten, „dass hier im Haus 24 Stunden ein Ansprechpartner ist, wenn ich jemanden brauche“.
Laufen können, "wie normale Leute"
Und was wünscht sich Bianca Humme zu Weihnachten? „Eigentlich habe ich ja alles, was ich brauche“, sagt sie und strahlt. Dann wird sie doch nachdenklich und fügt hinzu: „Einen Wunsch hätte ich, aber der wird nie in Erfüllung gehen: Es wäre schön, wenn ich so laufen könnte wie normale Leute.“ Aufgrund einer angeborenen Spastik ist sie auf eine Gehhilfe angewiesen.
In Astrid Schnells Zuhause kann sich jeder Fan von Weihnachtsdeko Anregungen holen: Ihre ganze Wohnung ist liebevoll dekoriert. „Meine Mutter hat mir geholfen“, sagt die 41-Jährige, die das Down-Syndrom hat. Viele der anderen Bewohner kennt sie schon lange, Freundschaften sind entstanden. „Ich habe hier auch schon Plätzchen gebacken mit einer Betreuerin zusammen“, erzählt die Mendenerin, die viele auch als langjährige Mitarbeiterin in der Küche der Jugendbildungsstätte Kluse kennen. Sie genießt es, eine eigene Wohnung zu haben, auf eigenen Beinen zu stehen. Die Weihnachtstage wird sie aber in jedem Fall mit ihrer Familie verbringen.
Auch die 40-jährige Monika Jablonka hat bis vor wenigen Monaten immer bei ihren Eltern gewohnt.„Das ist ein wunderschönes Gefühl“, sagt Monika Jablonka nach ihrem Umzug. „Ich bin mein eigener Herr und kann alles selbst entscheiden.“
Lange traute sie sich nicht, wollte auch noch nicht ausziehen. „Aber jetzt ist die Zeit gekommen, dass wir sie gehen lassen“, sagt ihre Mutter Anne-Marie (76) mit Blick auf ihre Alter und das ihres 80-jährigen Ehemannes Alfred.
Weihnachten mit vielen Gästen
Kochen, Wäsche waschen, bügeln, einkaufen – bei vielen Dingen im Alltag braucht Monika Jablonka Unterstützung, die sie in dem Appartementhaus problemlos bekommt. Gleichzeitig genießt sie, dass sie auch mal alleine sein kann: „Ich male dann sehr gerne Mandalas.“ Heiligabend und die Feiertage wird sie bei ihren Eltern verbringen: „Mit vielen Gästen, Geschenken und einem tollen Weihnachtsbaum.“
Aber spätestens zur Überraschungsparty, die Silvester im Appartementhaus am Lenzenplatz steigen wird, wird sie dann wieder in ihrem neuen Zuhause sein.
>> HINTERGRUNDDIENST IMMER ERREICHBAR
Der VKM (Verein für körper- und mehrfach behinderte Menschen) ist Träger und Betreiber mehrerer Wohnmöglichkeiten für Menschen mit schweren Behinderungen, nämlich das „Wohnhaus Sollingstraße“ und die „Villa Dominik“. Das neueste Projekt ist das Appartementhaus für Menschen mit Handicap am Lenzenplatz – eine Hausgemeinschaft für 16 Personen, die teils sehr hohen Unterstützungsbedarf beim selbstständigen Wohnen haben und hier intensive Unterstützung erhalten. Die Bewohner sind im Spätsommer eingezogen.
Ob tagsüber oder nachts: Immer ist in dem Appartementhaus jemand erreichbar, erklärt VKM-Geschäftsführerin Marie-Ellen Krause. Zusätzlich zu den planbaren, pflegerischen Hilfen gibt es einen so genannten Hintergrunddienst, der für alle nicht planbaren Aufgaben zuständig ist. So übernimmt Yannick Duwenbeck Heiligabend sowie am 1. und 2. Weihnachtstag die Nachtschichten im Hintergrunddienst: „Ich fange dann um 22 Uhr an.“ Er leistet spontane Unterstützung für die Bewohner. Dazu ist er jederzeit per Handy erreichbar. Dass er Weihnachten arbeitet, macht Yannick Duwenbeck nichts aus: „Wenn ich hierher komme, ist das wie in einer anderen Welt“, schwärmt der 27-Jährige. „Ich gehe hier mit einem guten Gewissen und mit einem Lächeln im Gesicht arbeiten.“ Heiligabend schrumpft die Zahl der Bewohner stark: Lediglich drei bleiben am Lenzenplatz, die anderen verbringen das Christfest bei ihren Familien.