Arnsberg/Menden. . Am zweiten Verhandlungstag wegen versuchten Mordes schildern ein Opfer und dessen Tochter die Folgen des Martyriums. Die Angst ist immer noch da.

Es ist der zweite Prozesstag wegen des versuchten Mordes an dem Rentner-Ehepaar Ende 2016 an der Thüringenstraße – und der fördert das ganze Leid zutage, das die Opfer seit dem brutalen Überfall ertragen müssen.

Dabei schildert vor allem die 57-jährige Tochter der beiden Opfer die Folgen des Raubüberfalls deutlich schwerwiegender als es ihr Vater vor Gericht tut. „Er gibt sich hier vor Gericht sehr tapfer. Er sagt aber auch nicht, wie schlecht es ihm und meiner Mutter wirklich geht. Vieles bagatellisiert er und will oft nicht mit uns, der Familie, über das schreckliche Ereignis reden“, sagt die Frau dem Schwurgericht, nachdem sie zuvor die Aussage ihres Vaters gehört hatte.

Vater versucht, sich an die Tat zu erinnern

Dieser versucht, sich an die Ereignisse in der Nacht im November 2016 zu erinnern. Er und seine Frau hatten schon geschlafen, als gegen Mitternacht vermutlich drei Männer in das Haus auf der Platte Heide eindrangen und sofort auf das Ehepaar einschlugen. „Eine unmenschliche Gewalt, wir wurden halb tot geschlagen, immer mit der Faust ins Gesicht. So etwas wünsche ich selbst meinem schlimmsten Feind nicht.“

Vollständige Erholung scheint unwahrscheinlich

Der 86-jährige Mendener leidet nach dem brutalen Überfall im November 2016 noch heute an den Folgen. Durch Schläge und Tritte trug er Hämatome am gesamten Körper sowie eine Schädelprellung davon.

Der behandelnde Arzt der Hans-Prinzhorn-Klinik in Hemer spricht in einem Schriftstück von „einer chronifizierten Posttraumatischen Belastungsstörung und mittelschweren, depressiven Symptomen“. Konkret würde sich dies über sogenannte Flashbacks, also kurze Episoden, in denen das Opfer das Martyrium nochmals durchlebt, äußern. Dabei habe sich der Rentner unmittelbar nach dem Überfall noch nicht in ärztliche Behandlung begeben. Hinzu komme, dass durch die Pflege seiner an Demenz erkrankten Ehefrau eine zusätzliche persönliche Belastung hinzukomme.

In Gesprächen neige der 86-Jährige dazu, die Geschehnisse aus Selbstschutz herunterzuspielen. Dabei, so äußert es der behandelnde Arzt in einem Attest weiter, werde sich der Rentner voraussichtlich nicht mehr vollständig von den Spätfolgen des Unfalls erholen.

Das Opfer berichtet auch, wie er und seine Frau von den Tätern gefesselt und schließlich erst nach gut 20 Stunden von Nachbarn gefunden und ins Krankenhaus gebracht wurden. Insgesamt wirkt der Rentner gefasst bei seiner Aussage. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Klaus-Peter Teipel, wie es im heute, gut zwei Jahre nach der Tat, gehe, antwortet der 86-Jährige überlegt: „Es ist noch nicht ganz ausgeräumt. Die Angst ist mal größer, mal kleiner. In der Familie weiche ich dem Thema aus, will das oft nicht hören. Jetzt vor der Aussage habe ich sehr schlecht geschlafen.“

Seine Tochter stellt die Folgen in ihrer Vernehmung noch deutlich schwerwiegender dar. „Vom früheren Leben meiner Eltern, von der Selbstständigkeit auch im hohen Alter, ihrer Lebensfreude, ist nichts mehr übrig“, sagt die 57-jährige Mendenerin, der die Aussage sicht- wie hörbar schwer fällt. Die beiden hätten sich nun in ihrem Haus verrammelt, die Türen erneuert, schließen diese mehrfach ab. „Mein Vater wandert nachts durch das Haus und kontrolliert alle Türen.“

Erinnerung an drei Täter

Noch schlimmer seien die Folgen für ihre Mutter: „Sie hat lebensbedrohliche Angstattacken, versteckt sich im Haus, im Garten, läuft aus dem Haus und hat auch schon erzählt, ihr Mann möchte sie ermorden. Sie kann nicht mehr klar denken. Das Leben meiner Eltern ist dahin.“

Von all dem sei natürlich die ganze Familie betroffen, berichtet die 57-Jährig weiter. Das Vertrauen in andere Menschen habe gelitten, erzählt die Frau, die im November 2016 ebenfalls zum Haus ihrer Eltern geeilt war. An ihr Eintreffen dort erinnert sie sich mit tränenerstickter Stimme wie folgt: „So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Das war wie Krieg in dem Zimmer“, sagt sie zum Anblick des elterlichen Schlafzimmers.

Ihr Vater konnte sich in der Vernehmung an drei Täter erinnern, die einige Brocken deutsch sprachen, sich untereinander aber in einer anderen Sprache unterhielten, die er dem Balkan zuordnete. Der 35-jährige serbische Angeklagte folgt den Aussagen äußerlich unbewegt und macht auch bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Aussage. Die Frau des Rentners wird aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes nicht vernommen.