Menden/Arnsberg. Vier junge Männer sollen zwischen Dezember 2017 und Februar 2018 vier Tankstellen in Menden überfallen haben. Die Idee dazu kam ihnen bei Witz.

Die jungen Männer, die zwischen Ende Dezember 2017 und Februar 2018 insgesamt vier Tankstellen und eine Spielhalle in Menden, Hemer und Iserlohn überfallen haben sollen, zeigen sich am ersten Prozesstag vor der 6. Großen Strafkammer als Jugendkammer am Landgericht Arnsberg größtenteils geständig.

Dabei wird deutlich: Die Täter, die allesamt zwischen 17 und 19 Jahre alt sind, handelten bei ihren Raubzügen keineswegs nach einem festen Plan.

17-Jähriger will bei Tankstellen-Überfällen nicht dabei gewesen sein

Zu Beginn des Prozesses lassen die Angeklagten über ihre Verteidiger mitteilen, dass sie aussagen wollen. Dabei weist der erste Täter, ein 17-jähriger Hemeraner, jede Beteiligung von sich. „Ich hab‘ damit nix zu tun, ich weiß nicht, wer mich verpfiffen hat.“ Seine Vermutung: Wegen des Streits um ein Mädchen wollen ihm seine mutmaßlichen Mittäter etwas in die Schuhe schieben.

Tatwaffen und Kleidung, die die Ermittler bei der Durchsuchung des Fluchtautos vom mutmaßlichen Kopf der Bande gefunden haben.
Tatwaffen und Kleidung, die die Ermittler bei der Durchsuchung des Fluchtautos vom mutmaßlichen Kopf der Bande gefunden haben. © Melissa Fichtner

Auch nach einer Prozesspause bleibt der 17-Jährige bei seiner Aussage, er habe mit den Taten nichts zu tun. Dass er sogar auf Fotos zu sehen ist, die die Bande kurz nach einem Überfall mit der Beute von sich im Fluchtwagen gemacht hatte, sei Zufall gewesen. „Ich hab’ zwar gefragt, woher das Geld ist, aber sie haben es nicht gesagt“, so der 17-Jährige. Plausibel klingt die Geschichte für Richter und Schöffen nicht. Selbst auf den Hinweis von Richter Markus Jäger, ein Geständnis wirke sich strafmildernd aus, reagiert der 17-Jährige trotzig: „Wozu soll ich ein Geständnis ablegen?“

Idee für Übefälle entstand aus Witz

Ganz anders zeigt sich der mutmaßliche Kopf der Bande. Der 18-jährige Hemeraner hatte nicht nur die Schreckschusspistole, die in allen Überfällen zum Einsatz kam, besorgt, sondern stellte auch den Fluchtwagen, einen Teleskopschlagstock und einen Elektroschocker zur Verfügung. „Ich war daran beteiligt, das stimmt so“, sagt der 18-Jährige.

Rückblick: Esso-Tankstelle wird zweimal heimgesucht

Am 29. Dezember schlugen die maskierten und mit einer Schreckschusswaffe ausgerüsteten Täter an der Esso-Tankstelle an der Iserlohner Landstraße das erste Mal zu. Um kurz vor 1 Uhr nachts überraschten sie den Kassierer, trieben ihn hinter den Tresen und erbeuteten rund 900 Euro.

Rund einen Monat später, am 24. Januar, sollen die Männer – die teilweise in wechselnder Besetzung unterwegs waren – an der Shell-Tankstelle in Lendringsen zugeschlagen haben. Mit einer Schreckschusswaffe, so die Anklage, forderten sie den Angestellten auf, das Geld aus der Kasse zu räumen. Doch die Bemühungen scheiterten. Die Täter flüchteten lediglich mit einer Tüte Zigarettenstangen.

Nach dem zweiten Coup ging es laut Anklage weiter. Nur drei Tage nach dem Überfall auf die Shell-Tankstelle in Lendringsen sollen die Angeklagten die Esso-Tankstelle ins Visier genommen haben. Beute: rund 800 Euro und „eine Erdbeermilch“, wie Staatsanwalt Lars Grothe in seiner Anklageverlesung erklärt.

Zwei Tage später sollen drei der Angeklagten an der Star-Tankstelle an der Ihmerter Straße in Hemer rund 900 Euro sowie eine Handvoll Süßigkeiten und Energy-Drinks geraubt haben. Ein weiterer versuchter Raubüberfall auf eine Spielhalle in Iserlohn scheiterte, weil ein gesondert verfolgter mutmaßlicher Mittäter kalte Füße bekommen habe.

Er gibt in seiner Vernehmung zu, die Idee eines Überfalls schon länger im Kopf gehabt zu haben. Aus Geldnot, wie er sagt, habe man zunächst in einer Sisha-Bar in Hemer über einen möglichen Raub gewitzelt; später dann wurde aus den eher flapsigen Gesprächen der Gruppe Ernst. Ein Muster, das sich so vor fast allen Taten wiederholte. „Die Hemmschwelle war irgendwann tief genug“, sagt der Hemeraner. Er sei zum Tatzeitpunkt mit seinem Leben unzufrieden gewesen und klagte sein Leid einem Bekannten, der ebenfalls aus Geldnot in die Überfälle einstieg. Eine Vorbereitung oder Aufgabenverteilung bei den Taten habe es bei dem Quintett in wechselnder Besetzung nicht gegeben.

Jungen Männer grinsen sich im Gerichtssaal an

Immer wieder grinsen sich die jungen Männer gegenseitig an. Es wirkt, als ob das Ganze für sie nur ein dummer Jungenstreich gewesen sei. Ein weiterer Angeklagter, ein 19-jähriger Sunderaner, sei sich der möglichen Strafe der Taten „gar nicht wirklich bewusst“ gewesen. „Ich dachte, es wird erst schlimm, wenn wir jemanden verletzen.“

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Er habe ein schwieriges Verhältnis zu seiner Familie gehabt. Nach dem ersten Raubzug beichtete er die Taten seinem Vater. Der habe ihn daraufhin regelrecht verstoßen. Nachdem der 19-Jährige für den zweiten Überfall ausgesetzt hatte, ist er für die Folgetaten wieder in die Gruppe eingestiegen.

Polizei zapft Handys der mutmaßlichen Täter an

Der vierte Angeklagte, der lediglich bei einer Tat dabei war, legt ebenfalls ein Geständnis ab. Sein Haftbefehl ist im Gegensatz zu seinen Komplizen derzeit ausgesetzt. Ein fünfter junger Mann ist von Richter Markus Jäger im Vorfeld ausgeladen worden, denn dieser habe von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Am Donnerstag hat zudem der Leiter der Ermittlungskommission der Iserlohner Polizei ausgesagt. Denn erst durch einen Hinweis aus der Bevölkerung waren die Beamten den jungen Männern auf die Schliche gekommen. Die Zigarettenstangen aus ihrem zweiten Überfall hatte der 17-Jährige in Hemer verkauft. Im Zuge der Ermittlungen sind auch sämtliche technische Möglichkeiten zum Einsatz gekommen. Denn neben der reinen Personenüberwachung hörten die Beamten auch die Handys der mutmaßlichen Täter ab.

Für den zweiten Verhandlungstag am Mittwoch, 5. September, ist die Vernehmung der vier Tankstellenmitarbeiter angesetzt.