Menden. . Der Mendener Werbegemeinschafts-Vorsitzende Frank Oberkampf (42) kritisiert Bürgermeister Martin Wächter (CDU) scharf.

Das Projekt Nordwallcenter gilt als gescheitert. Der Investor sucht einen Käufer für das leerstehende Dieler-Gebäude und die angrenzenden Grundstücke. Wie soll es jetzt weitergehen? Der Werbegemeinschafts-Vorsitzende Frank Oberkampf spricht im Interview mit WP-Redakteur Arne Poll über gemachte Fehler und seine Visionen für den Einzelhandel der Zukunft in der Mendener Innenstadt.

Wer trägt die Schuld, dass das Nordwallcenter noch nicht steht?

Es ist nicht alleine die ITG verantwortlich. Das sind aber auch nicht die Anwohner – wie vielleicht ein Alt-Bürgermeister meint. Es ist in Deutschland absolut legitim, zu klagen. Wenn man sich mal vorstellt, dass nicht geklagt werden dürfte, dann hätten wir hier schon längst eine Autobahn. Wir leben nun einmal in einem Rechtsstaat, in einer Demokratie. Die Anwohner haben sich – davon abgesehen – auch auf einen Vergleich eingelassen. Volker Fleige hat allerdings Recht, dass die ganze Sache Zeit gekostet hat. Ich finde es gut, dass er wenigstens eine Meinung hat.

Klingt nach Kritik am amtierenden Bürgermeister...

Bürgermeister mit Meinung sind mir lieber als Bürgermeister ohne Meinung. Das muss nicht meine Meinung sein, aber Hauptsache, er hat eine. Ein Bürgermeister muss doch wissen, wo er mit seiner Stadt mal hin will. Ich muss hart verhandeln. Ich kann keinen Investor verschrecken, indem ich bei Verhandlungen Forderungen stelle.

Was sollte Martin Wächter öffentlich tun?

Frank Oberkampf.
Frank Oberkampf. © Martina Dinslage

Ein Bürgermeister muss doch mal Farbe bekennen. Es kann doch nicht sein, dass der Bürgermeister samstags im Interview mit der WP sagt, dass er volles Vertrauen in den Investor hat und vier Tage später laufen andere Investoren durch die Stadt, die das Ding kaufen wollen. Entweder hat er geflunkert oder wirklich nichts gewusst. Dann fordere ich aber, dass er öffentlich bekennt, dass er sich von denen auf den Arm genommen fühlt. Das kann doch so niemand mehr nachvollziehen.

Wie stehen Sie zum Verhalten des Investors ITG?

Die nicht vorhandene Kommunikation mit der Stadtverwaltung ist eine Unverschämtheit. Man muss doch auch mit den Bürgern kommunizieren. Die sollen doch da reingehen und was kaufen. Wenn ich mich als Bürger veralbert fühle, boykottiere ich doch so ein Center. Wenn ich die Bevölkerung nicht mitnehme, ist jedes Projekt zum Scheitern verurteilt.

Hat die ITG nicht mit offenen Karten gespielt?

Ich unterstelle mal, dass ich das schon im Dezember weiß, wenn ich ein Gebäude dreieinhalb Monate später weiterverkaufen will. Ich kann es natürlich besser verkaufen, wenn mir dann auch das Parkhaus gehört.

Oberkampf will am Nordwall kleinere Lösung

Was soll man nun tun?

Die Stadt sollte den Vertrag rückabwickeln, wenn das irgendwie geht. Nur so wird sie wieder handlungsfähig. Es gibt da recht großzügiges Baurecht. Wenn die ITG das Gelände jetzt verkauft, kann der Käufer fast alles machen, ohne dass die Stadt irgendwie eingreifen kann. Ich hoffe, dass das im Vertrag anders geregelt ist. Wir werden als Werbegemeinschaft unseren Bürgerantrag hervorholen. Wir fordern, dass die Stadt wieder Hoheit gewinnt. Das muss auch die Politik umsetzen. Es reicht nicht, vor der Wahl Luftballons und Kugelschreiber zu verteilen und sich dann fünf Jahre lang zurückzuziehen.

Parkhaus am Nordwall.
Parkhaus am Nordwall. © Arne Poll

Wie sollte es jetzt am Nordwall weitergehen?

Meine Vision wäre, dass das Dieler-Gebäude abgerissen wird und dann vielleicht in einem Neubau unten die Ankermieter einziehen, die die ITG ja gehabt haben will. Darüber könnte dann Wohnbebauung entstehen. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass die Gartenstraße so wie sie ist erhalten bleibt. Für die Fläche des Parkhauses könnte ich mir im Idealfall eine Sanierung vorstellen. Auf der Fläche sehe ich aber auch einen großflächigen Supermarkt. Darauf könnten dann Parkdecks entstehen oder umgekehrt. Fatal wäre, wenn jemand das Gelände kauft und dort Wohnbebauung draufsetzt und die Parkplätze für die Innenstadt verloren gehen.

Welchen Zeitrahmen stellen Sie sich vor?

Ich bin ja sehr leidensfähig geworden. Es muss so schnell wie möglich etwas passieren. Mir ist aber klar, dass nichts schnell geht. Wenn man optimistisch ist, gibt es bis Ende des Jahres Planungssicherheit für etwas Neues. Dann könnte vielleicht in zwei oder zweieinhalb Jahren etwas stehen. Am schlimmsten ist jetzt die Blockade, dass wir nicht wissen, was kommt.

Wären Sie froh, wenn nie jemand auf die Idee gekommen wäre, ein Nordwallcenter zu bauen und sich die Innenstadt einfach so weiterentwickelt hätte?

Nein, man sieht, dass Menden Veränderungen braucht. Stillstand ist immer das Schlimmste. Wir haben jetzt den Stillstand seit acht Jahren. Es zeigt sich, dass vorhandene Geschäfte schließen und nichts oder wenig Neues dazu kommt. Wir brauchen eine Entwicklung, gerade an diesem Standort.

Das fehlende Parkhaus scheint für Geschäftsleute, Kunden und Anwohner das größte Problem zu sein...

Es gibt Politiker in Menden, die behaupten, dass wir genug Parkplätze haben. Das sehen wir aber als Werbegemeinschaft überhaupt nicht so. Wir haben auf dem Papier genug Parkplätze im Stadtgebiet, in Lendringsen vielleicht. Es fehlen aber Parkplätze direkt an der Fußgängerzone. Selbst wenn das Nordwallcenter direkt gekommen wäre, wäre das nur ein Anfang gewesen. Wir brauchen auch in der Oberstadt Parkplätze. Wir brauchen Parkplätze an den drei Eingängen: Das ist an der Kolpingstraße, am Standort des alten Nordwall-Parkhauses. Und wir brauchen natürlich auch gut eine funktionierende Tiefgarage.

Werbegemeinschafts-Chef: Handel total verändert

Was hat denn überhaupt zu der heutigen Situation geführt?

Dass das Center gescheitert ist, hat vor allem etwas damit zu tun, dass sich der Einzelhandel in der Zwischenzeit komplett verändert hat. Auch in den anderen Städten ist das so. Gehen Sie mal nach Hagen. Die Volme-Galerie ist fast leer. Der Online-Handel wächst. Man muss auch mal damit rechnen, dass in der Zukunft mal die Wirtschaft nicht so floriert wie jetzt. Das wird dem Offline-Handel in Städten wie Menden noch mehr schaden.

Wo geht’s dann hin?

Die Zukunft des Einzelhandels sehe ich ganz anders als er derzeit ist. Ich höre immer Neheim als Beispiel. Ich sehe die Zukunft für Menden aber ganz anders als für Neheim. Es macht doch keinen Sinn, Neheim nachzubauen. Wir brauchen nicht mehr Flächen. Wir müssen Bebauungspläne ändern in Bereichen wie der Kolpingstraße oder an der Unnaer Straße. Es muss barrierefreies Wohnen auch in den unteren Etagen möglich sein. Man bekommt mehr Menschen in die Stadt, behebt Leerstände und tritt der Ghettoisierung entgegen. Es müssen beide Nutzungen möglich sein.

Sie sind selbst Immobilienbesitzer. Ist Ihnen persönlich auch eine Wohnnutzung lieber?

Eine vermietete Immobilie ist immer besser als eine leerstehende. Von einem Leerstand habe ich doch nichts. Das ist unabhängig von der Nutzung. Der Bedarf hat sich aber total verändert. Ich kann heute nicht mehr in der Fußgängerzone in der ersten Etage an Rechtsanwälte oder Ärzte vermieten. Die wollen Parkplätze direkt vor der Tür. Wohnbebauung wertet auch die Häuser auf. Letztlich müssen wir aber auch solche Institutionen wie die VHS oder die Musikschule in die Stadt holen. Das sind Frequenzbringer. Wenn ich solche Institutionen aus der Innenstadt raushole, dann läuft hier gar keiner mehr durch. Wir brauchen mehr Gastronomie, mehr Dienstleistungen. Ich kann mir vorstellen, zum Beispiel unten ins alte Rathaus Gastronomie zu holen.

Events sollen die Stadt stärken

Gibt’s denn da überhaupt eine Nachfrage?

Im Moment gibt’s für so gut wie gar nichts eine Nachfrage. Ich muss doch erst einmal stadtplanerisch ein Konzept haben und als Politik überlegen, was ich in der Innenstadt überhaupt haben will. Man kann nicht Dortmund oder Hagen nachbauen. Das sind alles Wünsche von gestern. Gibt’s in 20 Jahren überhaupt noch den Einzelhandel? Ich sage, dass wir ihn nicht mehr in dieser Form haben. Wir haben vielleicht einen Herrenausstatter mit einem Computer zum Bestellen und – ganz wichtig – der Beratung. Die 100 Anzüge werden wir in Menden nicht mehr hängen haben. Ich setze auf drei Bausteine: Gastronomie, modernen Einzelhandel und Events.

Welche Rolle spielen solche Events?

Wir haben in Menden den Vorteil, dass wir tolle Veranstaltungen zu bieten haben. Jetzt steht der Mendener Frühling an. Ich kann mir auch so etwas wie ein Food-Truck-Festival vorstellen. Ich will die Zeit nicht aufhalten. Ich will den Käufern bieten, was sie brauchen. Und das ist Aufenthaltsqualität. Menden ist eine wunderschöne Stadt.

Zahlen sich diese Veranstaltungen in barer Münze aus?

Diese Events bringen Leute in die Stadt, die bringen aber auch Geld in die Geschäfte. Die Kombination macht’s. Menden muss seine Vorteile herausstellen. Es gibt doch so viele tolle Sachen.

Was kann man an den Rahmenbedingungen verändern? Gerade läuft ja der Umbau der Fußgängerzone.

Ich kann mir vorstellen, dass man in Teilen der Stadt den Autoverkehr zulässt. Wenn ich vor den Geschäften halten kann, sieht die Situation doch schon wieder ganz anders aus.

Das Ende der Fußgängerzone?

Ich möchte nicht die ganze Fußgängerzone abschaffen. Um Gottes willen! Eine Durchfahrung wäre doch eine Belebung. Ich muss doch heute wissen, wo ich in 20 Jahren sein will. Dann haben wir zum Beispiel keine Abgasprobleme mehr. Vielleicht wäre eine Spielstraße mit Einbahnstraßen-Regelung gut möglich.