Menden. Der Weg aus der Heroinabhängigkeit soll durch Methadon erleichtert werden. Doch für Süchtige in Menden ist es schwierig, den Ersatzstoff zu bekommen.

Seit dem Tod eines Fröndenberger Hausarztes ist es für Drogenabhängige in Menden schwierig, den Heroin-Ersatzstoff zu erhalten. Sie müssen weite Wege auf sich nehmen. Die WP hat zur aktuellen Situation in Menden mit Ansgar von der Osten von der Kassenärztlichen Vereinigung und mit Kristina Sonnen und Thomas Zimmermann von der Anonymen Drogenberatung der Stadt Menden gesprochen.

Die Abhängigen

Ungefähr 50 Mendener Drogenabhängige werden derzeit mit Methadon substituiert, erläutert Ansgar von der Osten, Geschäftsbereichsleiter Sicherstellungspolitik und -beratung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe.

Die Substitution

Die meisten Substituierten sind bereits seit 20 oder  30 Jahren abhängig
Die meisten Substituierten sind bereits seit 20 oder 30 Jahren abhängig

Der übliche Weg zum Methadon läuft für Abhängige über die Drogenberatung. Von dort werden die Abhängigen an einen substituierenden Arzt vermittelt. In Menden sind es nur in ganz seltenen Fällen junge Menschen, die sich mit dem Wunsch nach Substitution an die Drogenberatung wenden. „Inzwischen hat Aufklärung viel gebracht, dass Jugendliche die Finger von Heroin lassen“, berichtet Thomas Zimmermann. Die meisten Substituierten sind bereits seit 20 oder 30 Jahren abhängig, sagt Kristina Sonnen. Der Arzt müsse prüfen, ob der Patient Heroin im Blut hat. „Substitution ist nur etwas für Schwerstabhängige.“ Wer die Droge erst kurze Zeit konsumiere, dem werde zu einer Entgiftung geraten.

Die Ärzte

„Wenn ein Arzt eine entsprechende Zusatz-Weiterbildung hat, dann kann er bis zu 50 Patienten behandeln“, erläutert Ansgar von der Osten. Die komplette Behandlung muss akribisch dokumentiert werden und wird von einer Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung überprüft. Verfügt ein Arzt nicht über die entsprechende Fortbildung, darf er laut Ansgar von der Osten dennoch bis zu zehn Patienten behandeln. In manchen Städten gibt es sogar Spezialpraxen, in denen mehrere hundert Patienten substituiert werden, so berichtet Ansgar von der Osten.

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Das Methadon

Die Abhängigen müssen sich ihr Methadon täglich in der Praxis abholen. So soll sichergestellt werden, dass sie zum einen das Methadon nicht an andere weiter geben und dass sie zum anderen keine anderen Mittel außer Methadon („Bei-Konsum“) einnehmen. Nach einem halben Jahr, wenn die Patienten ihre Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt haben, ist die so genannte „Take-Home-Vergabe“ möglich, erläutert Ansgar von der Osten. Das heißt, dass die Patienten dann nur noch ein- bis zweimal pro Woche in die Praxis kommen müssen, um sich ihre Methadon-Ration abzuholen.

Die Kosten

Die Kosten für die Methadonbehandlung können im Einzelfall je nach Dauer, Dosierung und Substitutionsart erheblich voneinander abweichen, sagt Ansgar von der Osten. „Für substituierte Patienten in Westfalen-Lippe lag der mediane Mittelwert in 2017 bei rund 260 Euro pro Quartal.“

Die Praxen

Laut Kassenärztlicher Vereinigung gibt es in Menden nur einen einzigen Mediziner, der eine geringe Zahl von Patienten mit Methadon versorgt. Der räumlich nächste Facharzt sei in Iserlohn, manche Mendener müssen aber auch noch weitere Wege bis zu ihrem Methadon-Arzt auf sich nehmen. „Der Ärztemangel schlägt in diesem Bereich schon voll durch“, bilanziert Ansgar von der Osten.

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Die Praxis in Iserlohn von Dr. Martina Harbrink-Schlegel platze aus allen Nähten, berichten Kristina Sonnen und Thomas Zimmermann. Die Hausärztin habe eine Sondergenehmigung und behandle ausschließlich Substituierte. Dr. Werner Ommer in Fröndenberg, der 2016 verstarb, habe bis zu seinem Tod 120 bis 150 Substituierte betreut.

Jetzt müssen Mendener bis nach Iserlohn oder Schwerte fahren. „Fakt ist, dass das unheimlich viel Zeit bindet“, erklärt Kristina Sonnen. So sind die Substituierten den gesamten Vormittag unterwegs – und das jeden Tag. Für viele sei es zudem schwierig, zum Monatsbeginn das Geld für ein Monatsticket vorzustrecken. „Nach Fröndenberg sind früher viele zu Fuß gelaufen oder sie sind mit dem Fahrrad gefahren“, sagt Kristina Sonnen.

Die Zukunft

Die Kassenärztliche Vereinigung sieht derzeit nicht, dass es weitere Mediziner gibt, die die Methadon-Substitution übernehmen würden. Generell gebe es aber in der Region Bewegung: „Da tut sich was“, versichert Ansgar von der Osten, will aber noch keine Details verraten.

Grundsätzlich sei es bereits ein Problem, überhaupt Hausärzte für Menden zu gewinnen, sagen Kristina Sonnen und Thomas Zimmermann. Will ein Mediziner die Methadon-Substitution übernehmen, müsse er eine Zusatzausbildung absolvieren. Hinzu kommen Auflagen für die Lagerung von Methadon. „Finanziell kann es sich für Ärzte lohnen“, sagt Thomas Zimmermann. Vorausgesetzt, sie sind aus Überzeugung und mit Herzblut dabei. „Aber nur des Geldes wegen, das funktioniert nicht.“ Die Drogenberatung übernehme als Kooperationspartner die psycho-soziale Betreuung. „Der Arzt soll sich um den medizinischen Bereich kümmern, alles andere machen wir.“

Ganz weg vom Methadon?

Brauchen einstige Drogenabhängige irgendwann auch das Methadon nicht mehr? „Das gibt es zwar, aber oft werden sie dauerhaft mit Methadon versorgt“, sagt Ansgar von der Osten. Wichtig sei in erster Linie, „dass die Patienten durch das Methadon dauerhaft die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen“. Die Substanz sei eine Ersatzdroge, „um die Menschen wieder auf die gerade Bahn zu bringen“.

In den 90er Jahren habe man Methadon nur für eine begrenzte Zeit gegeben und dann auf Abstinenz gesetzt. „Heute weiß man, dass das nicht funktioniert“, sagt Thomas Zimmermann. Bei Methadon gehe es vor allem darum, den Kreislauf, ständig neu Drogen beschaffen zu müssen, zu durchbrechen. „Drogenabhängigkeit ist ein Fulltime-Job“, beschreibt es Kristina Sonnen. Viele Abhängige führen ein normales Leben, gehen arbeiten und fallen nicht auf. „Christiane F. (Red. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo) hat das Bild des Heroinabhängigen geprägt – aber so ist es definitiv nicht.“