Dritter Teil der Krankenhaus-Reihe aus der beliebten historischen Serie „So war es früher“ von Claus-Peter Levermann.

Menden. Was klang das steif: „Am 25. Oktober des Jahres 1911 wurde nach einer allgemeinen Feier der Bürgerschaft das Krankenhaus in Benutzung genommen.“ So zu lesen in den alten Verwaltungsakten. Wie anders klang das doch in den Gazetten, die ihre besten „Dichter“ aufgeboten hatten: „Die Herbstsonne hob den massiven Körper des Krankenhauses vom dunklen Hintergrund plastisch ab. Geschmückt mit Grün und Fahnen trat da stolze Gebäude den zur Einweihung kommenden Gästen entgegen.“

Ja, da schwang Euphorie mit, Freude über das zweite Vincenz-Krankenhaus, erst an der Hautstraße jetzt am Hang des Rodenberg. Die Chronisten beschrieben den „Klang des Glöckleins am Kapellenturme“, die stolzen Worte in der Kapelle, die den „Segen des Himmels auf diese Stätte“ herabflehten.

Elektrisches Licht sorgte für den Glanz

Am Abend beim Festakt trug Konrektor Krug ein neun-strophiges Gedicht vor. In einer Strophe heißt es:

„Die Nächstenliebe trieb uns an,

Ein neues Krankenhaus zu bauen,

Daß jeder da genesen kann

Und jeder froh die Sonne schauen,

Vollendet ist der schöne Bau zu sehen,

Durch dessen Hallen Friede möge wehen“.

In den Sälen der Wilhelmshöhe herrschte allenthalben nur Freude. Rektor Wimhöfer sprach vom Krankenhaus von einer „Zierde der Stadt“. Die drei Worte „dem Schönen, Edlen, Guten“ fänden nun ihre Geltung. Dem Edlen zu dienen sei die Aufgabe des neuen Krankenhauses, dem Guten werde das Progymnasium (1911) sein, und für das Schöne habe Menden die Kaiser-Wilhelm-Höhe. Es gab tatsächlich eine lebhafte Bauphase in der Stadt, zu der sich 1912 das heute Alte Rathaus gesellte und trotz des 1. Weltkrieges der Bau des Kaiser-Wilhelm-Bades mit Turnhalle in Angriff genommen wurde dazu ab 1910 die Versorgung mit elektrischem Licht für besten Glanz.

28 Zimmer und 50 Patienten-Betten

Als das zweite Vincenz-Krankenhaus 1911 errichtet war, zählte Menden gerade mal 11 700 Einwohner. Das für heutige Begriffe recht bescheidene Hospital reichte aus und entsprach den modernen Ansprüchen seiner Zeit. 28 Patientenzimmer gab es mit 50 Betten. Dazu zwölf Barmherzige Schwestern, deren weiße Hauben ihr Erkennungszeichen waren, bis sie 1964 gegen die praktische dunkle Kleidung mit dunkler Kappe getauscht wurden.

Die Kapelle im Altbau des Vincenz-Krankenhauses von 1911.
Die Kapelle im Altbau des Vincenz-Krankenhauses von 1911. © Archiv Klaus Kimna

Der Bau des neuen Krankenhauses war unausweichlich, denn im ersten Vincenz-Hospital von 1862 an der Hauptstraße war die Zahl der Patienten im Jahr 1908 auf 350 angewachsen. Die Räume dort waren noch recht eng. Im neuen Vincenz-Hospital klettert die Zahl der Kranken 1913 bereits auf mehr als 600.
45 von ihnen mussten operiert werden, was vorher noch gar nicht möglich gewesen war.

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Dechant Boeddicker machte die Festversammlung darauf aufmerksam, wie schwierig sich doch die Baumaßnahme gestaltet habe. Aber zügig ging sie dennoch voran: Ab 29. April 1910 die Erdarbeiten, am 1. Juli Segnung des ersten Steines, am 23. Oktober Grundsteinlegung. Ende November 1911 Übergabe des neuen Krankenhauses nach nur eineinhalb Jahren Bauzeit.

Bürger verwundert über Stadtspitze

Die Suche nach dem Standort für das zweite Mendener Vincenz-Krankenhaus 1910 begann unwissentlich bereits 1860 , als der Noch-Bürgermeister Holzapfel die Bevölkerung aufrief, Stellung zu beziehen zu verschiedenen möglichen Plätzen, an denen die Stadt ein Krankenhaus errichten könnte. Das löste Verwunderung aus, denn sonst pflegte die Stadt ihre Bürger nicht zu fragen. Das war damals noch die Zeit, als die Stadt selbst bauen wollte und froh zurücktrat, als die Vincenz-Pfarrei 1862 eigene Pläne im Beringschen Haus an der Hauptstraße verwirklichte (siehe Teil II).

Bogendurchgänge und Blumen auf den Stationen gaben den Patienten Wohnzimmer-Atmosphäre. Ein Bild von1942.
Bogendurchgänge und Blumen auf den Stationen gaben den Patienten Wohnzimmer-Atmosphäre. Ein Bild von1942. © Archiv Klaus Kimna

Die Bürger nahmen Holzapfels Aufforderung auf und nahmen dabei in Leserbriefen kein Blatt vor den Mund. Wenig zimperlich warnten sie davor, ein Krankenhaus in die Nähe der Vincenz-Kirche zu setzen, weil das täglich häufige Geläute und die Glocken vom Turm die Patienten belästigen würden. Das gelte auch für das öffentliche Singen in der Kirche und das Spielen der Orgel. Nervenkranke würden das nicht ertragen.

Abgelehnt wurde auch ein Platz am „Todtenweg“ gegenüber dem neuen katholischen Friedhof. Damals gab es die Werringser Straße noch nicht. Diese Nähe zum Friedhof habe zwar den Vorteil, dass man die im Krankenhaus Gestorbenen nur eine kurze Spanne zu transportieren brauche, aber ob diese Weg-Ersparnis und der tägliche Anblick der Monumente der Vergänglichkeit auf das Gemüt der Kranken belebend oder auch nur beruhigend einzuwirken vermöge, müsse doch stark bezweifelt werden. „Wir glauben, dass ein Kranker, der diesen Todtenweg nach dem Krankenhaus wandeln und sich nahe bei den Toten betten lassen muss, sich schon als halb begraben betrachten wird.“

Päpstlicher Ritterorden für den „geliebten Sohn“

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Die Väter des neuen Vincenz-Krankenhauses nennen seine Lage am Hang des Rodenberges eine „herrliche“. Ärzte hätten schon früher diesen Standort als den allein in Frage kommenden bezeichnet. Betont wird, dass die Grundstücksbesitzer in Anbetracht des guten Zweckes ihre Ländereien zu einem niedrigen Preis abgegeben, ja zum Teil sogar unentgeltlich überlassen hätten.

Ein Raunen ging durch die Festversammlung, als Dechant Boeddicker dem Unternehmer und späteren Mendener Ehrenbürger Franz Kissing (Devotionalien / 1860-1955) eine Urkunde überreichte als Anerkennung für seine Verdienste um die Gemeinde und um das Krankenhaus. Die Urkunde hatte folgenden Wortlaut:

An ihren weißen Hauben waren die Barmherzigen Schwestern des Vincenz von Paul bis 1964 zu erkennen. Im Bild rechts Schwester Bertfrieda geb. Pauline Sauer (1896-1978), die 40 Jahre die Männer-Station im Vincenz-Krankenhaus leitete. 1945/46 (Bild) traf sie sich im Heimaturlaub in Rüthen mit ihren leiblichen Schwestern Willimara geb. Bernhardine Sauer, die in Wanne-Eickel eingesetzt war, und mit beider Schwester Sophie.
An ihren weißen Hauben waren die Barmherzigen Schwestern des Vincenz von Paul bis 1964 zu erkennen. Im Bild rechts Schwester Bertfrieda geb. Pauline Sauer (1896-1978), die 40 Jahre die Männer-Station im Vincenz-Krankenhaus leitete. 1945/46 (Bild) traf sie sich im Heimaturlaub in Rüthen mit ihren leiblichen Schwestern Willimara geb. Bernhardine Sauer, die in Wanne-Eickel eingesetzt war, und mit beider Schwester Sophie. © Archiv Elfriede Hüttemeister

„Geliebter Sohn! Gruß und apostolischen Segen. Da der ehrwürdige Bruder, der Bischof von Paderborn, Dich uns empfohlen hat als einen kath. Mann; der sich sowohl durch ein unbescholtenes Leben als auch durch die Verdienste auszeichnet, die Du erworben hast als Mitglied des Kirchenvorstandes und als Mitglied des Kuratoriums vom St. Vincenz-Hospital, welche Ämter Du auf das sorgfältigste verwaltet hast, haben wir beschlossen, Dir eine Anerkennung zu geben. Deshalb machen wir Dich hiermit zum Ritter des Ordens vom hl. Papste Sylvester und fügen Dich der hochangesehenen Gesellschaft dieser Ritter ein. Deshalb gestatten wir Dir, das diesem Orden eigentümliche Gewand und Zeichen zu tragen, nämlich ein goldenes achteckiges Kreuz mit dem Bilde des hl. Papstes Sylvester in der Mitte.

Gegeben zu Rom unter dem Fischerringe am 30. September 1911 im 9. Jahr unseres Pontifikates. Pius X.“

Nach knapp 20 Jahren die erste Erweiterung

Das achteckige goldene Kreuz des Papst-Sylvester-Ordens für Franz Kissing und Aufnahme in den Ritterstand durch Papst Pius X.
Das achteckige goldene Kreuz des Papst-Sylvester-Ordens für Franz Kissing und Aufnahme in den Ritterstand durch Papst Pius X. © Archiv Elfriede Hüttemeister

Menden aber wuchs, das Krankenhaus musste mitwachsen. Noch gab es 1911 keine Siedlungen auf der Platten Heide, auf dem Lahrfeld und dem Rauerfeld. Aber als sie heranwuchsen, reichte die Kapazität des Vincenz-Krankenhauses schon knapp 20 Jahre nach seiner Übergabe nicht mehr aus. Durch den Anbau im Anschluss an die Kapelle erhöhte sich die Bettenzahl auf 160. „Die Zimmer und Tagesräume wurden mit allen Bequemlichkeiten ausgestattet,“ hieß es. Im Jahr 1930 zählte das Hospital bereits 1383 Kranke und führte 390 Operationen durch.

Menden aber wuchs weiter mit allen Folgen für das Krankenhaus (Teil III).