Im dritten Teil der Krankenhaus-Reihe nimmt Claus-Peter Levermann Geschichte und Geschichten der drei Innenstadt-Hospitale unter die Lupe.
Menden. Wir müssen noch mal hinabsteigen vom Hang des Rodenberg mit dem 1911 eingeweihten neuen St.-Vincenz-Krankenhaus runter ins Tal, wo die drei Vorgänger-Krankenhäuser liegen (siehe Teil I). Zuviel an Geschichte und Geschichten würde sonst liegen bleiben. Erschütternd, bewundernswert, aber auch kriegerischer und krimineller Art. Kein Zweifel, das „Hospital zum Heiligen Geist“ am Kirchplatz 15 ist das älteste Krankenhaus von Menden. Vermutlich seit Ende der 1300er Jahre, wahrscheinlich auch kirchlich geprägt, ganz sicher aber damals notwendig. In seiner Doktorarbeit hat Theo Bönemann (als Buch: „Stadt und Land im Wandel der Zeit“) aufgezeigt, wie vielfältig dieses älteste Gebäude der Stadt genutzt worden ist. Beileibe nicht nur als Hospital. Aber auch dafür.
Heftiger Kampf vor Mendens Mauern
1673, so schreibt Bönemann, „lieferten sich nach der Belagerung der Stadt Werl die kurbrandenburger und kurkölnischen Soldaten vor den verschlossenen Stadttoren Mendens ein Gefecht. Die Toten wurden auf dem Friedhof vor der St.-Vincenz-Kirche bestattet und die Verletzten im Hospital gepflegt“. Ein kleiner Blick in eine höchst unruhige Zeit mit einer befestigten Stadt Menden.
Der heutige Kirchplatz war also wie bei den meisten Kirchen im Lande ein Friedhof. In Menden wird seit 1824 auf dem Vincenz-Kirchplatz nicht mehr bestattet. Seit der neue katholische Friedhof zwischen Werringser Straße und Schwitterweg eingeweiht ist.
Hl.-Geist-Hospital an arme Familien vermietet
Das „Hospital zum Heiligen Geist“ wurde seinem Namen kaum noch gerecht. Dr. Bönemann fand heraus, dass das Gebäude in den 1800er Jahren an arme Familien vermietet war, danach vom katholischen Elisabeth-Verein als Nähstube und Pflegeräume für Wöchnerinnen genutzt wurde und Anfang des 20. Jahrhunderts als Arbeitsamt diente.
Ich weiß noch, wie in den 1980er Jahren die Musikschule sich des „Alten Hospiz“ für ihre Zwecke bemächtigte und heute das Museum froh ist, in den eigentlich leer stehenden Räumen einiges vorübergehend verstauen zu können. Offenbar muss man damit rechnen, dass dieses nur außen unter Denkmalschutz stehende Gebäude irgendwann verkauft wird.
Städtisches Krankenhaus nur für Bedürftige
War das „Hospital zum Heiligen Geist“ das erste christliche Krankenhaus in Menden, so war das Krankenhaus an der Bergstraße 4 von 1852 bis 1862 das erste städtische. Es stand den Bedürftigen zur Verfügung. Dazu hatten Magistrat und Gemeinderat unter Leitung von Bürgermeister Holzapfel am 22. April 1852 ein Statut unterschrieben, das ob seiner Milde und Einsicht staunen lässt.
Wörtlich steht geschrieben: „Die beschränkten Wohnungen unserer Armen, die bei den Erkrankungen oft die Trennung der Kranken von den Gesunden nicht zulassen, die oft so mangelhafte Pflege der ersten, die schwierige und kostspielige Unterbringung erkrankter Fremder und Heimatloser in Privathäusern sowie die häufigen Verlegenheiten mancher Familien in Krankheitsfällen der Dienstboten haben schon vor mehreren Jahren den Wunsch erzeugt, eine den Bedürfnissen entsprechende Kranken-Anstalt in unserer Stadt zu besitzen…“
Das klang verständnisvoll, ja mitfühlend für eine Stadtspitze. Aber sie ließ auch gleich erkennen, worauf sie hinauswollte. Sie wollte „stufenweise eine Anstalt schaffen, die geeignet ist, von den Bürgern ein ehrendes Zeugnis abzulegen“. Lob als Ziel. Nachdrücklich wurde „unter dem Schutz der Humanität an den Wohltätigkeitssinn unserer Mitbürger und an den Segen des Himmels“ appelliert.
Bei Syphilis nicht ins Krankenhausbett
Und so kam es ja auch. Der Frauen-Verein pflegte und beköstigte die Kranken aus Mitteln, die sie in der Bevölkerung sammelte. Die Armenärzte behandelten ohne weitere Vergütung. Die Geistlichkeit sollte die Mildtätigkeit mit wohlwollenden Worten begleiten, sprich anstacheln.
Das Krankenhaus verfügte über zwei Räume im oberen Stock mit je zwei Betten und im Notfall über eine dritte Stube im Erdgeschoss: Gedacht war an „Kranke mit äußeren Schäden wie Knochenbrüche, Verrenkungen und ähnliches. Unheilbare Kranke mit Syphilis, Krätze oder anderen ansteckenden Hauterkrankungen oder Kranke mit ekelerregenden, auf die Sinne heftig einwirkenden Übeln finden in der Anstalt keine Aufnahme.“
Für den Magistrat unterschrieben Holzapfel, Kaufmann, Tigges und Lillotte, für den Gemeinderat Dr. Amecke, Th. Huckert. H. Beierlinden, Ph. Düllmann, Fr. Wilh. Hollmann, V. Niederstadt, Ernst Schmidt und ein Flues.
„Schallendes Lebehoch auf Hochdenselben“
Was waren die Mendener 1862 froh, an der Hauptstraße ein wohl geordnetes Krankenhaus zu bekommen, das diesen Namen auch verdiente und in der kundigen Hand der barmherzigen Schwestern des Vincenz von Paul Hilfe versprach.
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Es konnte ja niemand ahnen, dass die Einweihung dieses ersten Vincenz-Hospitals am 3. Dezember 1862 der letzte öffentliche Auftritt des Mendener Bürgermeisters Holzapfel sein würde. Alle waren dabei, die Geistlichkeit mit Bischof Freusberg, Domcapitular Drobe und Dechant Hemmer, die Ordensoberin, Magistrat, Bevölkerung. Ein prachtvoller Fackelzug bewegte sich von den Höhen des Kapellenberg hinunter in die Stadt, tauchte alles in warmes Rot, Chöre sangen.
Letzte Amtshandlung für Vincenz-Hospital
Da erhob sich aus der dichtgedrängten Menge vor dem Pfarrhaus die Stimme von Bürgermeister Holzapfel. Er begrüßte „Se. Bischöflichen Gnaden“ im Namen von Stadt und Amt Menden, sprach ihm den „wärmsten Dank aus für das hohe Glück und die Freude“, welche er allen an diesem Tag bereitet habe. Holzapfel schloss seine Rede mit einem „schallenden Lebehoch auf Hochdenselben“. Wenige Tage später war Holzapfel weg. Mitsamt Stadtkasse.
Er stürzte damit die kleine Stadt in arge Schulden, Bürger verloren ihr Geld, man sprach und schimpfte von „Holzapfel-Pleite“. Bekannt ist, dass er sich in Antwerpen mit Familie auf das preußische Schiff „Königin Augusta“ begab mit Ziel Valparaiso (Chile). Er soll rund 3000 Pfund Sterling in englischem Gold bei sich gehabt haben und diverse andere Wertsachen.
Holzapfel, so schildern Zeitungen, war zu seiner Zeit eine schillernde Figur. Neben seiner amtlichen Tätigkeit habe er „kräftig angeschafft“, kaufmännische Geschäfte betrieben. Das habe so überhand genommen, dass die Regierung ihn offiziell verwarnte. Knapp ein Jahr nach seiner Flucht ist Holzapfel gestorben. Die Stadt hat ihn „ad acta“ gelegt.
Pocken-Epidemie forderte viele Tote
Im Jahre 1867 wurden Stadt und Amt Menden von einer schweren Pocken-Epidemie heimgesucht. Sie forderte zahlreiche Todesopfer. Es war die Bewährung für die fünf Barmherzigen Schwestern im neuen Vincenz-Krankenhaus an der Hauptstraße. Die Leitung lag in Händen von Schwester Xaveria, die später in Menden einen legendären Ruf gehabt haben muss. Sie hatte schon in Kriegen Verletzen geholfen und war für unerschrockenen Einsatz mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet worden.
In Menden übernahm sie nicht nur die Leitung des Hospitals, sondern auch die Pflege der Kranken in der Stadt und in den Gemeinden des Amtes. Ob am Tage oder zu später Nachtstunde, so schrieben Chronisten, „ging sie die weitesten Wege nach Lendringsen, Bösperde oder Halingen zu Fuß, um zu helfen“. Wenn es an Ärzten gefehlt habe, habe sie selbst mit großem Erfolg als Ärztin gewirkt.
In Teil III klettern wir wieder auf den Berg zum neuen Vincenz-Krankenhaus von 1911.