Menden. . Es ist kalt dieser Tage. Doch das war es früher auch schon. Dr. Johannes Löhnert aus Menden erinnert sich an einen Hungerwinter vor 70 Jahren.
Es war so kalt wie dieser Tage. Das Thermometer schaffte es nicht über den Gefrierpunkt, wochenlang. Doch damals, vor 70 Jahren, gab es ein paar Unterschiede zur heutigen Zeit. 1947, zwei Jahre nach Kriegsende, waren Brennstoff knapp – und Lebensmittel. Dr. Johannes Löhnert erinnert sich an eiskalte Wochen, die sich als „Hungerwinter“ ins Gedächtnis einer ganzen Geschichte eingebrannt haben. Der Mendener besitzt sogar ein Foto von damals.
Der Junge steht da, schmal und ernst
Das Gruppenbild ist bei einer Feier entstanden. Die Kleidung der Kinder zeigt, dass der Anlass – das silberne Priesterjubiläums von Löhnerts Onkel Leo Machinek – nach dem großen Dauerfrost im Frühjahr 1947 aufgenommen wurde. Löhnert selbst steht, schmal und ernst, mit seinen beiden Schwestern im Vordergrund.
Schmal und ernst: Der siebenjährige Knirps hatte, wie fast alle Zeitgenossen, einen brutal harten Winter sich – wo seine Familie noch Glück im Unglück hatte.
„1946 waren meine Mutter mit meinen beiden Schwestern und mir von Oberschlesien nach Menden gekommen“, erinnert sich der pensionierte Chirurg. Ein Studienfreund von Pfarrer Machinek hatte die Familie an den Walburgis-Geistlichen Jodokus Schulte vermittelt. „Wir durften bei ihm im Pfarrhaus wohnen.“
Erstaunlich präzise Kindheitsbilder
Ein Zeichen der Solidarität gegenüber den Neubürgern, den Heimatvertriebenen. Es sollte nicht das einzige Zeichen der Unterstützung bleiben.
Löhnert hat erstaunlich präzise Kindheitsbilder im Kopf: „Wir durften zum Mittagstisch in den Gasthof Sturm, auch zu Metzger Ising neben dem Rathaus und zum Sägewerk Schumacher in der Nähe der Werler Straße. Natürlich gingen wir zu Fuß dahin.“
Oft wurde Fleisch serviert, erzählt Löhnert, ohne zu verschweigen, dass sein Hunger zuweilen größer war als sein Appetit. Mancher Klassiker sauerländischer Kochkunst schmeckte dem Jungen aus dem Osten bestenfalls mäßig. Ungern denkt Löhnert an Sauerkraut mit Rosinen zurück. „Das war gar nichts für mich“, sagt er, und noch immer klingt ein gewisser Widerwille mit.
Ein Loblied auf die Freundschaften
Dennoch betrachtet der Arzt seine Jugendjahre in Menden keineswegs mit Bitterkeit. Das Einzige, was den Knirps ernsthaft ängstigte, war „eine dicke, fette Ratte“, die sich auf den Dachboden des Pfarrheims verirrt hatte: „Sie war wohl über einen Kirschbaum gekommen, der bis ans Dach reichte.“
Mit den neuen Gegebenheiten kam der junge Löhnert schnell zurecht – und mit den neuen Nachbarn. „Ich habe schöne Erinnerungen an die unglaubliche Hilfsbereitschaft, die ich erlebt habe“, bilanziert der Mittsiebziger, der nach dem Ende seiner Zeit als Chirurgischer Chefarzt an einer Gelsenkirchener Klinik im südlichen Münsterland lebt. „Da sind Freundschaften entstanden, die bis heute halten.“
Der Vater kehrt zurück
Für Löhnert gab es einen weiteren Grund, der dafür sorgte, dass das Jahr 1947 besser endete, als es angefangen hatte. Vater Löhnert, studierter Realschullehrer, galt zunächst als vermisst. Doch dann kam über den DRK-Suchdienst eine frohe Botschaft: „Wir erfuhren, dass mein Vater lebte. Er war in Bad Oldesloe. Nach dem Winter kam er zu uns zurück.“