Menden/Düsseldorf.. Kult-Jazzer Ali Claudi zieht in seiner Heimatstadt Menden neue Saiten auf. Was er vorhat, verriet er im Interview.


Eines steht fest: Ali Claudi ist kein Morgenmuffel. Als wir den Kult-Gitarristen in seiner Wahl-Heimat Düsseldorf erreichen, ist es zwölf. „Ich bin gerade aufgestanden“, sagt der gebürtige Mendener leichthin. Ein freundlicher Gruß zum neuen Jahr entpuppt sich unvermutet als perfekter Gesprächseinstieg. Wie sein guter Vorsatz laute, wollen wir wissen. „Ich will entschleunigen“, entgegnet der Jazzer. Und lacht schallend.

Ein Album für sein Vorbild

Denn der Mann, der im Herbst 75 wird, liebt rasante Läufe übers Griffbrett. Er kann über Techno, der 130 BPM (Schläge pro Minute) vorgibt, nur lachen: „Ich glaube, ich bin eher bei 200.“ Geschwindigkeit ist für den Hartbesaiteten keine Hexerei.

Dafür tut er sich erklärtermaßen schwer mit den musikalischen Tempo-30-Zonen: „Ich kann“, bekennt Ali Claudi augenzwinkernd, „einfach keine Balladen.“

Heimspiel in Menden für Ali Claudi
Heimspiel in Menden für Ali Claudi © Martina Dinslage | WP






Stimmt. Beim ersten Heimspiel nach langer Zeit, im „wo-anders“ im vorigen Herbst, löste er das Problem der Geschwindigkeitsbegrenzung auf seine Weise: Bei Balladen spielte der Künstler, unter Bluesern und Jazzern durchaus verbreitet, kurzerhand „double time“ – doppelt so schnell wie die Rhythmusgruppe.

Jazzige Kommentare zu poppigem Liedgut

Dabei pflegt Deutschlands Antwort auf Cool-Star Kenny Burrell keineswegs nur die Tradition des Modern Jazz. Natürlich, ein paar Klassiker tauchen immer wieder in seinem Repertoire auf; das Publikum erwartet sie. Spannender aber sind die Überraschungen in Ali Claudis Programm. Jazzige Kommentare zu poppigem Liedgut.

Tim Bendzko gehört nicht zu den Favoriten von Ali Claudi.
Tim Bendzko gehört nicht zu den Favoriten von Ali Claudi. © imago stock&people | imago/VIADATA






Hört er viel Radio? Ali Claudis Laune kippt. Als er über die Endlos-Schleife computer-erzeugter Retorten-Hits bei WDR 2 spricht, klingt seine rauchige Stimme stark nach Blues. „Tim Bendzko“, sagt der Musiker. Als er den Namen des Nachwuchs-Stars nennt, ist erkennbar: Für Claudi verkörpert Bendzko die Generation Plastik-Pop. „Wenn ich den schon höre! Die Musik – nichtssagend. Und dann die Stimme.“ Claudi selbst hat kein wohltönendes Gesangsorgan. Aber es hat etwas, was ein Künstler braucht, der im Populär-Gewerbe unterwegs ist: eine wiedererkennbare Stimme, geschult an Cool-Jazzern wie Chet Baker, an Cool-Rockern wie J. J. Cale.

Gelebte Entschleunigung

Als der Name „Cale“ fällt, hellt sich Claudis Stimmung auf. Für ihn ist der 2013 verstorbene Songwriter ein Vorbild, so sehr, dass er dem Autor des Clapton-Klassikers „Cocaine“ bei einem Konzert in Düsseldorf ein Album zum Signieren mitbrachte. Cale stand zeitlebens für das, was Claudi jetzt anstrebt: Er lebte Entschleunigung.