Kreis Olpe. Birgit Lorenz, Landwirtin aus Lennestadt, gehört zum Orga-Team der Bauern-Demos. Sie sagt: „Viele Landwirte bangen um ihre Existenz.“

Die Pläne der Bundesregierung, den Agrardiesel und die grünen Kennzeichen für die Traktoren der Landwirte zu streichen, hat auch Bauern im Kreis Olpe zu Protesten auf die Straße gebracht. Auch, wenn die Bundesregierung jetzt zurückrudern will, werden die Proteste weitergehen. In vorderer Front dabei ist Birgit Lorenz aus Lennestadt-Hespecke, die sich im Verein LsV NRW e.V. engagiert. Der ehrenamtlich geführte Verein macht Öffentlichkeitsarbeit für die Belange der heimischen Landwirtschaft und war Mitveranstalter der Traktoren-Demo am 29. Dezember in Siegen. „Beim Veranstalten von Demos sind wir ganz gut“, sagt Birgit Lorenz. Wir blicken mit der 53-Jährigen, die zusammen mit ihrem Mann einen Hof in Lennestadt betreibt, darauf, was sie antreibt und was die Bauernschaft in diesen Tagen so wütend macht.

Frau Lorenz, Sie waren bei der Traktorendemo am 29. Dezember in Siegen dabei. Wie ist es gelaufen?

Eigentlich sehr gut, die Polizei war sehr zufrieden, die Zusammenarbeit mit dem Orgateam hat sehr gut harmoniert. Sie würde das nochmal mit uns machen, hat die Polizei gesagt. Sie hatten aber nur mit 500 bis 600 Fahrzeugen gerechnet, aber es waren am Ende fast 1000.

Wir bewerten Sie das Echo aus der Öffentlichkeit, wie waren die Rückmeldungen aus der Bürgerschaft?

Durchweg positiv. Viele sagen, wir sollen dranbleiben und weitermachen. Es gab in Siegen einige nette Anekdoten, die das unterstreichen. Eine Dame stand im Stau neben einem Trecker. Sie öffnete dann ihren Kofferraum, nahm einen Blumenstrauß daraus und schenkte diesen der Treckerfahrerin. Und ein Pizzabäcker verteilte kostenlos Brötchen an die Traktorenfahrer. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen jetzt so langsam hinterfragen, warum wir solche Aktionen machen.

Wogegen protestieren die Landwirte konkret?

Durch den geplanten Wegfall der Dieselrückvergütung fehlt uns Geld, das wir für unsere Betriebe dringend benötigen. Sämtliche Maschinen werden mit Diesel angetrieben, eine Umstellung auf E-Fahrzeuge ist nicht möglich. Mindestens genauso schlimm wäre der zunächst geplante Wegfall der grünen Kennzeichen gewesen.

Steckbrief

Birgit Lorenz stammt gebürtig aus Brachthausen. Die 53-Jährige ist gelernte Fleischereifachverkäuferin. Seit rund zehn Jahren betreibt sie zusammen mit ihrem Mann Holger Lorenz einen Hof (Milchviehhaltung (70 Kühe) und Nachzucht) in Lennestadt-Hespecke. Nebenbei arbeitet sie für eine heimische Spedition in Teilzeit. Ihre Hobbys sind Reiten und Hofhund Stella.

Seit 2020 engagiert sie sich in dem Verein LsV NRW e.V. Der ehrenamtlich geführte Verein hat sich zum Ziel gesetzt, gezielte Öffentlichkeitsarbeit für die Belange der Landwirtschaft durch Treffen mit Politik, Verbrauchern und Medien sowie kleine oder größere Aktionen, wie zum Beispiel Demonstrationen, zu organisieren und zu veranstalten.

Bleiben wir beim sogenannten „Agrardiesel“, was bedeutet der Wegfall der Rückvergütung konkret?

Eine Dieselrückvergütung bekommen wir, weil wir mit unseren Maschinen die meiste Zeit auf landwirtschaftlichen Flächen und nicht auf öffentlichen Straßen unterwegs sind. Die momentane auf einen Liter Agrardiesel beträgt 26,72 Cent, davon wurden bisher 21,48 erstattet. Dazu kommen noch Co2-, Bevorratungs- und Mehrwertsteuer. Die Abgaben je Liter Dieselkraftstoff sollen demnächst auf 81,89 Cent steigen.

Viele sagen, wir sollen weitermachen. Es gab in Siegen einige nette Anekdoten, die das unterstreichen. Eine Dame stand im Stau neben einem Trecker. Sie öffnete dann ihren Kofferraum, nahm einen Blumenstrauß daraus und schenkte diesen der Treckerfahrerin
Birgit Lorenz, Landwirtin aus Lennestadt

Und welche Folgen hätte der Wegfall der grünen Nummer an landwirtschaftlichen Fahrzeugen gehabt?

Dies hätte die Streichung der KFZ-Steuerbefreiung vieler landwirtschaftlicher Maschinen bedeutet. Die meisten Maschinen sind außerhalb der Ernte überhaupt nicht im Straßenverkehr unterwegs, höchstens zur An- und Abfahrt zu und von den Arbeitsflächen. Diese Arbeitsgeräte sollten ein eigenes schwarzes Kennzeichen bekommen und Eins zu Eins versteuert werden, wie ein normales Nutzfahrzeug im gewerblichen Güterverkehr. Außerdem müsste fast jeder Anhänger regelmäßig zum TÜV, was zusätzliche Kosten mit sich bringt. Einige Anhänger sind nur an sechs Tagen im Jahr im Einsatz. Zum Glück ist das wohl jetzt vom Tisch.

Warum fallen die Proteste diesmal so heftig und emotional aus? War dies nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt?

Genau. Wir haben in den letzten Jahren schon viele Verordnungen schlucken müssen. Aber wenn diese neuen Pläne umgesetzt werden, dann geraten viele Betriebe in echte Existenznot. Viele wissen nicht, wie sie die Mehrkosten bezahlen sollen. Und noch mehr sparen, das geht eigentlich nicht.

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Haben Sie schon einmal erlebt, dass der Frust und die Wut auf dem Trecker so groß ist?

Nein, in dieser Form noch nicht. Es ist das erste Mal, dass sich die Leute so aufbäumen, weil sie keinen Ausweg mehr sehen. Wir haben noch nie einen so großen Zuspruch erlebt, dass auch der letzte Bauer auf eine Demo geht oder sich auf seinen Trecker setzt und zum Beispiel nach Berlin fährt. Das gab es bisher in dieser Form noch nicht. Viele Betriebe wissen einfach nicht, wie sie das stemmen sollen.

Was bedeutet das konkret. Was hören Sie von den Höfen?

Viele sagen: Wenn das kommt, werden wir es nicht schaffen. Schon heute werden Investitionen zurückgehalten, es wird nicht mehr in neue Technik investiert. Für Landwirte im Nebenerwerb, die noch ein zweites Standbein haben, wären diese Mehrkosten das letzte I-Tüpfelchen, um aufzugeben. Und wenn die Tore einmal zu sind, gehen sie meistens nie wieder auf und die Ställe bleiben leer.

Über 200 Lkw und Lastwagen aus dem Kreis Olpe fahren am 29. Dezember von Hünsborn zur Großdemonstration in Siegen.
Über 200 Lkw und Lastwagen aus dem Kreis Olpe fahren am 29. Dezember von Hünsborn zur Großdemonstration in Siegen. © Jörg Winkel | Jörg Winkel

Was fordern die Landwirte, was muss jetzt passieren?

Die Regierung muss die Pläne komplett zurücknehmen. Die Dieselrückerstattung und das grüne Kennzeichen müssen bleiben. Denn klar ist auch: Die Mehrkosten werden letztendlich in der Summe beim Verbraucher im Einkaufswagen landen, weil die Lebensmittel immer teurer werden. Hinzu kommt, dass die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft gegenüber dem Ausland immer weiter zurückgeht. Dort gibt es diese hohen Auflagen nicht wie bei uns; die Landwirte dort dürfen noch Spritzmittel verwenden, die bei uns schon lange nicht mehr zugelassen sind und es gibt dort viel niedrigere Löhne. Dagegen kommen wir nicht an.

Was motiviert Sie, in der Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit für die Landwirtschaft mitzumachen. Langeweile haben Sie sicher nicht?

Die Arbeit des Vereins LsV hat mir gut gefallen. Er ist recht breit aufgestellt. Wir haben 2021 in der Coronazeit einen „Danke-Anhänger“ losgeschickt. (Als Dankeschön für die Verbraucher, die in den Hofläden einkaufen, die Red.). Dadurch habe ich die Leute kennengelernt. In dem Verein sind Landwirte aus jeder Richtung dabei. Irgendwann wurde ich gefragt, ob ich im Orgateam mitarbeiten möchte und habe „Ja“ gesagt!