Kreis Ope. Die Behörden sind gegen die Raser unter den Motorradfahrern so gut wie machtlos. Die Unfallzahlen steigen seit drei Jahren an.
Die rücksichtslose Fahrt eines Motorradfahrers am Pfingstmontag auf der B 236 in Bamenohl beschäftigte am Mittwoch noch die Verkehrskommission der Olper Kreispolizeibehörde. Der 23-Jährige hatte in riskanter Fahrweise mehrere Autos überholt, war dann vor einem Pkw eingeschert und hatte den Autofahrer hinter ihm zur Vollbremsung gezwungen. Der 21-jährige Beifahrer in dem Auto erlitt durch die Aufregung eine Herzattacke und kam per Rettungswagen ins Krankenhaus.
In diesem Fall dürften sich alle, ob Kradfahrer oder nicht, einig über diese Fahrweise sein: unverantwortlich, Menschen-gefährdend, nicht tolerierbar. Ein Einzelfall? Wohl nicht. Jeder Autofahrer kennt das, dass sich Motorradfahrer bei zäh fließendem Verkehr wie selbstverständlich nach vorn drängeln. Und viele sind zu schnell. Am zweiten Maiwochenende haben Beamte des Verkehrsdienstes das Streckenverbot für Motorradfahrer auf der L 687 über das Lenscheid (Rönkhausen-Wildewiese) überwacht. Ergebnis: 170 Geschwindigkeitsverstöße. „31 Motorradfahrer missachteten das am Wochenende und Feiertagen geltende Streckenverbot. Sie mussten an Ort und Stelle ein Verwarnungsgeld in Höhe von 50 Euro entrichten“, hieß es im Polizeibericht.
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„Da lachen die doch drüber“, sagt dazu Björn Jarosz, selbst Motorradfahrer. Für den Bürgermeister der Gemeinde Kirchhundem gehören Beschwerden über Motorradraser auf der L 553 von Oberhundem hinauf zum Rhein-Weser-Turm zum sommerlichen Standardprogramm in seinem Job – nicht selten verbunden mit der Forderung, auch diese Strecke für Motorräder zu sperren. „Davon halte ich überhaupt nichts, dadurch wird das Problem nur verlagert und nicht gelöst“, so Jarosz. Denn mit Streckensperrungen würden nicht nur die „Vollidioten unter den Motorradfahrern“, so Jarosz, sondern alle Biker bestraft. „Ich fühle mich dadurch diskriminiert. Ich fahre mit meinem Motorrad so, wie ich darf und kann, und habe keinen extra lauten Auspuff.“ Die einzige Möglichkeit, wirkungsvoll gegen die Raser und illegales Tuning vorzugehen, seien mehr Kontrollen und drastischere Sanktionen. „Ich würde mir wünschen, dass die Maschinen bei Verstößen an Ort und Stelle stillgelegt werden. Die Fahrer können dann sehen, wie sie nach Hause kommen und ihr Motorrad später abholen, aber nicht auf eigener Achse, sondern auf einem Anhänger. Ich glaube, das würde Wirkung erzielen“, sagt Jarosz.
Die beliebtesten Motorradstrecken
Zu den beliebten, kurvigen Motorradstrecken im Kreisgebiet gehören u.a. die L 553 zwischen Oberhundem und Röspe, die L 687 zwischen Rönkhausen und Wildewiese (Lenscheid), die L 697 zwischen Helden und Attendorn, die L 711 zwischen Neuenkleusheim und Kruberg, die L 880 (Mecklinghausen-Oberveischede), die Kreisstraße K 18 (Fahlenscheid) und die Negertalstraße von der B 55 (Kreisel Rother Stein) zum Biggesee.
Über den prozentuellen Anteil der Raser unter den Motorradfahrern gibt es keine repräsentativen Zahlen. Fachleute nennen Zahlen zwischen 5 und 20 Prozent. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren im Jahr 2020 in Deutschland 35,4 Prozent der verunglückten und 18,3 Prozent der getöteten Kraftradbenutzer zwischen 15 und 24 Jahre alt.
Kriminalhauptkommissar Michael Klein von der Direktion Verkehr der Olper Kreispolizeibehörde, kann den Vorschlag nachvollziehen, doch in den allermeisten Fällen fehle die Rechtsgrundlage für eine Fahrzeugstilllegung. Zu hohes Tempo allein reiche dafür sowieso nicht aus. Kollektivstrafen sieht auch er kritisch, sagt aber auch: „Die Sperrung am Lenscheid ist ein Segen, wir haben dadurch dort erheblich weniger Unfälle.“ Die Polizei werde auch weiterhin „im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf den bekannten Strecken kontrollieren, damit weniger Unfälle passieren und die schwarzen Schafe erwischt werden.“ Doch die Möglichkeiten sind begrenzt. Um alle „Hotspots“ im Auge zu behalten, besonders an den Wochenenden, fehlt es der Polizei an Personal. Oft sind im gesamten Kreis Olpe nur ein Streifenwagen und ein Beamter auf einem Motorrad im Kontrolleinsatz unterwegs, erfuhr die Redaktion aus Polizeikreisen.
Die Sanktionen, die Raser befürchten müssen, haben nur einen geringen Abschreckungseffekt. Am gesperrten Lenscheid nehme ein großer Teil der Fahrer sogar in Kauf, erwischt zu werden, erfuhr Michael Klein aus Motorradfahrerkreisen: „Manchmal wird dann einer vorgeschickt. Wird er erwischt, warnt er die anderen und das Knöllchen wird hinterher geteilt.“ Motorradfahrer sind außerdem gut vernetzt. „Wo gemessen wird, das spricht sich sehr schnell rum und wird über WhatsApp, Insta oder Facebook geteilt“, erklärt Kleins Kollegin Sonja Rauterkus.
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Bleibt die Polizei ihrer bisherigen Strategie treu und werden Kontrollen und Überwachung nicht signifikant ausgedehnt, wird die Raserei der „Vollidioten“ weitergehen und viele Menschen müssen mit dem zum Teil ohrenbetäubendem Lärm weiterhin leben. Natürlich spüre auch die Polizei den Druck, dagegen vorzugehen, sagt Sonja Rauerkus. Druck kommt auch durch die letzte Verkehrsunfallstatistik der Olper Polizei: 60 Kradfahrer verunglückten im letzten Jahr im Kreis Olpe, neun mehr als 2022 (51 Unfälle) und fast doppelt so viele wie 2021 (32 Unfälle). Die meisten Unfälle passieren an den Wochenenden. Zudem stellt die Polizei fest, dass immer mehr auswärtige Kradfahrer die beliebten Strecken im Kreis Olpe nutzen. Offenbar hat sich herumgesprochen, dass man im Kreis Olpe „richtig gut“ Motorradfahren kann.