Olpe. Polizei und Unfallhelfer im Kreis Olpe sensibilisieren junge Verkehrsteilnehmer für Gefahren. Authentische Berichte kommen an.
Das Format heißt „Crash-Kurs NRW“. Die Unterzeile: „Realität erfahren. Echt hart“. Es geht darum, angehende Auto- und Motorradfahrerinnen und -fahrer durch authentische Berichte von Betroffenen vor den Gefahren des Straßenverkehrs zu warnen. Nicht vor den allgemeinen Gefahren, denen niemand ausweichen kann, sondern denen, die beeinflussbar sind: zu schnelles Fahren, das Fahren unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen, das Ablenken am Steuer. Rund 500 junge Menschen, Schülerinnen und Schüler der beiden Olper Gymnasien, des Berufskollegs und einer Berufsakademie, strömten am Mittwochmorgen in die Olper Stadthalle. Zwar wussten sie grob, was ihnen blüht, aber Gekicher und mancher „coole Spruch“ unter den Wartenden ließ ahnen, dass nicht alle ahnten, dass diese Veranstaltung mehr als ein willkommener Unterrichtsausfall, sondern für viele ein Lernen fürs Leben ist – und das im wahrsten Sinn des Wortes.
Der 30. „Crash-Kurs“, die Veranstaltungen finden in Blöcken in Olpe, Attendorn und Lennestadt statt, war ein besonderer: Letztmals stand Michael Klein mit auf der Bühne, Hauptkommissar bei der Kreispolizeibehörde Olpe und Leiter der Führungsstelle in der Direktion Verkehr. Klein hat das Konzept des „Crash-Kurses“ im Kreis Olpe prägend mitentwickelt und führte gemeinsam mit Dirk Wiedehöft durch den Vormittag. Er fand eindrückliche Worte, um das sensible Thema jugendgerecht aufzubereiten. Denn junge Fahrerinnen und Fahrer sind überproportional häufig an Unfällen beteiligt und überproportional hoch ist auch ihr Anteil, insbesondere an Tempo- und Drogenunfällen.
Das Gekicher in den Reihen fand schnell ein Ende, als die erste Referentin zu Wort kam. Carla Hennecke saß vor knapp zehn Jahren auf der Rücksitzbank eines Autos, das schwer verunglückte, und seitdem gehört sie zum Team des „Crash-Kurses“, um durch ihre persönlichen Schilderungen klarzumachen, was ein solcher Unfall bedeutet, wie man ihn als Betroffene erlebt und welche Folgen er hat. Sie nahm ihre Zuhörer mit, ließ spüren, dass der Gestank des Sprengstoffs der Airbag-Patronen sich unauslöschbar in ihr Gedächtnis gebrannt hat und sie die Schmerzen von Unfall und folgenden Operationen nie vergessen wird. „Verkehrsunfälle fallen nicht vom Himmel, sie haben immer eine Ursache“, so ihr Appell an die jungen Leute im Plenum, in ihrem Fall: unerkannte Straßenglätte bei einer „kurzen Runde zur Tankstelle“.
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Eine Collage von Fotos aus Polizeiakten folgten, unterlegt vom Lied „Geboren, um zu leben“, die eines gemeinsam hatten: Bei jedem der abgebildeten Unfälle waren junge Menschen im Kreis Olpe ums Leben gekommen. Gekicher war spätestens hier nirgends mehr zu hören; mehrere der jungen Zuschauer nutzten das Angebot der Veranstalter, den großen Saal der Olper Stadthalle zu verlassen und im Foyer mit Notfallseelsorgern zu sprechen.
Dann folgte Klaus Schmidt. Der gestandene Polizeibeamte, auf den ersten Blick ein Mann wie ein Fels, stockte mehrfach bei seinem Vortrag, der den „schlimmsten Unfall meiner Dienstzeit“ wiedergab. Es war die Nacht, in der die Heimfahrt von vier Jungschützen nachts an einem Baum endete und Schmidt auf dem Beifahrersitz des Autowracks den toten Sohn eines Bekannten fand. Er schilderte die Szenen im nächtlichen Wald, die Schreie der Unfallbeteiligten, die fassungslosen Feuerwehrleute, die alle Insassen kannten und trotzdem professionell und ohne Gefühlsregungen ihre Arbeit tun mussten, und die für ihn unvergessene Szene des gemeinsamen Gebets am offenen Blechsarg, zu dem sich alle Retter und Helfer spontan eingefunden hatten. „Ich möchte nie wieder an einem Sarg stehen, in dem einer von euch liegt, und ,Vater unser im Himmel‘ beten“, so sein eindringlicher Appell: „Setzt euch nie in ein Auto, dessen Fahrer betrunken ist oder andere Drogen genommen hat.“
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Christian Hengstebeck, Chef der Olper Feuerwehr, rief einige der schlimmsten Einsätze seiner Laufbahn in Erinnerung: Auch er traf bei einem tödlichen Unfall auf einen Unfallbeteiligten, den er gut kannte, und wird einen Unfall nie vergessen, bei dem zwei Autos mit Freunden hintereinander hergefahren waren und die Insassen des folgenden Fahrzeugs Augenzeugen wurden, wie das führende Auto verunglückte und eine junge Frau weit hinausgeschleudert wurde und tot liegenblieb. Pfarrer Ludger Wollweber sprach für die Notfallseelsorger im Kreis und schilderte den Fall eines Jungen, den er schon als Kommunionkind begleitet hatte und der, gerade volljährig, bei einem Motorradunfall ums Leben kam. Wollweber griff vor allem die Frage des „Warum?“ auf und machte klar, dass auch er hier keine Antwort weiß.
Den letzten Vortrag hielt Angela Kraft: Sie schilderte, wie sie den tödlichen Unfall ihres Bruders erlebte, der unverschuldet auf einem Motorroller von einem schleudernden Pkw erfasst worden war. Der Bundeswehr-Hubschrauber, der den Schwerstverletzten vom Attendorner Krankenhaus in eine Spezialklinik nach Münster flog, weckte sie damals auf. Alle Bemühungen der Ärzte waren vergebens. Am Morgen nach dem Unfall entschlossen die Angehörigen sich schweren Herzens, die lebenserhaltenden Maschinen auszuschalten, weil dadurch nur noch der Körper in Funktion gehalten wurde. Ihre Familie sei seitdem nicht mehr die alte, „bei jedem blöden Geburtstag fehlt da einer“. Ihr Appell: Unfälle passieren nicht einfach, sie werden verursacht. „Es liegt in eurer Macht, ob ihr feiert und lacht oder an einem Grab steht und weint.“