Oberveischede. Das Landhotel Sangermann in Oberveischede hat eine lange Tradition. Doch jetzt zieht sich das Chef-Trio zurück. Wer die neuen Pächter sind.

„Letztlich ist die Qualität entscheidend, nicht der Preis. Wenn der Gast es als richtig gut empfunden hat, wird über den Preis nicht mehr gesprochen“, sagt Ludger Sangermann, Traditions-Gastronom aus Oberveischede. Er weiß, wovon er spricht. Gemeinsam mit seiner Schwester Maria Anna und seiner Frau Petra hat er die Geschicke des Landhotels im Herzen des Kreises Olpe 36 Jahre lang geführt. Und das mit anhaltendem Erfolg. Doch mit 66 Jahren, wenn das Leben bekanntlich erst anfängt, wollte man Kultbarde Udo Jürgens Glauben schenken, möchten der Senior und seine Frau kürzer treten und mehr Freizeit genießen: „Wir fahren gerne Fahrrad und wandern.“ Keine Frage: Das Gastro-Trio ist durchweg gertenschlank geblieben, eine in der Branche eher selten anzutreffende Eigenschaft. Besonders froh sind die Sangermanns, dass ihnen gelungen ist, was für viele Traditionsbetriebe im Hotel- und Gaststättengewerbe zu einem kaum zu lösenden Problem wird: eine Nachfolge zu finden. Doppelten Grund zur Freude haben die Oberveischeder, weil sie ihr Geschäft nicht nur an qualifizierte Branchenkenner übergeben können, sondern auch an ihre Nichte Anne, die wie ihr Mann Bastian Hohleweg Koch gelernt hat. Beide arbeiten bereits seit einigen Jahren im Landhotel. Die gelernte Hotelfachfrau Maria Anna, die in der Familie nur „Nanni“ gerufen wird, lobt den innerfamiliären, reibungslosen Übergang: „Nachfolger aus der eigenen Familie zu finden, das ist die beste Lösung.“

Rund 1,8 Millionen Glas Bier gezapft

Interessante historische und statistische Fakten haben die Sangermanns nach ihrer 36-jährigen Gastro-Zeit zusammengestellt: Seit 1900 ist das Haus im Familienbesitz, seit 1988 wird es geleitet von Ludger mit Ehefrau Petra und Maria Anna Sangermann.

In dieser langen Zeit wurden bei den Sangermanns rund 550 Hochzeiten gefeiert, mit rund 30.000 Hochzeitsgästen, die rund 250.000 Gläser Bier getrunken haben.

Insgesamt wurden in 36 Jahren etwa 450 Hektoliter Bier verzapft, damit etwa 1,8 Millionen Gläser Bier.

Kaminzimmer, Fliederstube, Kegelbahn, Spiegelsaal, aber auch der Biergarten gehören neben dem urigen Schankraum zum vielfältigen Angebot, ebenso 23 Hotelzimmer mit 41 Betten.

Auch der Zeitpunkt passe, denn: „36 Jahre in der Gastronomie, das ist schon eine Hausnummer“, sagt Petra Sangermann mit Blick auf die arbeits- und zeitintensive Branche. Nanni und Ludger Sangermann stammen aus einer typischen Gastwirtsfamilie. Schon Großvater August stand am Tresen, und Vater Paul Sangermann ebenso. Er war vielen Olpern nicht nur als Wirt ein Begriff. Als Ratsherr, CDU-Fraktionsvorsitzender und stellv. Olper Bürgermeister gilt er bis heute als „Architekt“ des Zusammenwachsens von Oberveischede und Olpe.

Bastian Hohleweg und seine Frau Anne übernehmen das Landhotel in Oberveischede.
Bastian Hohleweg und seine Frau Anne übernehmen das Landhotel in Oberveischede. © WP | Josef Schmidt

Bei aller Tradition hat die Gastro-Familie immer auch Wert auf Modernisierung gelegt, ohne den Sauerländer Charme zu vernachlässigen: „Der Wandel war und ist bei uns ein stetiger Begleiter“, lächelt Ludger Sangermann, „ohne Veränderung und Entwicklung wird man abgehängt.“ Noch 2016 hatten die Sangermanns den früheren Stall in ein Gästehaus verwandelt. Auch in den Spiegelsaal, ein Schmuckstück des Betriebes, wurde stets investiert. Vor allem Hochzeiten werden dort gerne gefeiert. Platz ist ausreichend vorhanden – für bis zu 120 Gäste. Stillstand gibt es auch während der Betriebsübernahme durch die Hohlewegs nicht: Die jungen Leute starten direkt mit einer Renovierung der Gästezimmer im Stammhaus und einer Komplett-Modernisierung der Küche durch.

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Bastian und Anne Hohleweg setzen dabei weiterhin auf kulinarische Vielfalt, aber auch auf den direkten Bezug zur Region: „Ständig wechselnde Speisekarten, aber auch Angebote für Vegetarier und Veganer gehören ebenso zu unserer Struktur wie die Küche für jüngeres Publikum“, verweist der 33-Jährige, dessen Wurzeln in Rüblinghausen liegen, auf die derzeit laufenden „Burger-Wochen“. Gäste im Landhotel Sangermann dürfen grundsätzlich eine gutbürgerliche Küche erwarten, aber auch alpenländische Schmankerl. Erfahrungen in dieser Hinsicht hat der Koch aus einigen Jahren im bayerischen Chiemgau mit ins Sauerland gebracht.

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Apropos „Regionaler Schwerpunkt“: „Das Fleisch für unsere Wild-Gerichte stammt von heimischen Jägern, alles andere von Landwirten aus der Nachbarschaft wie zum Beispiel vom Hof Middel aus Neuenwald“, hebt Anne Hohleweg hervor. Brot von der Verwandtschaft, in dem Fall Bäckermeister Georg Sangermann, oder der Bäckerei Vente aus Bilstein gehört ebenso zum Portfolio des Landhotels wie Eier vom Hof Röhrig aus Schmallenberg. Kein Wunder, dass bei aller Bodenständigkeit auch kulinarische Nostalgiker bei den Hohlewegs auf ihre Kosten kommen: Denn die Rindfleischsuppe mit Markklößchen erinnert nicht wenige Senioren an Mutters oder Omas Kochkünste.

Alte Fotos und ein Meisterbrief zeugen von langer Tradition.
Alte Fotos und ein Meisterbrief zeugen von langer Tradition. © WP | Josef Schmidt

Kein Geheimnis machen die Sangermanns daraus, dass die vergangenen Jahre für alle Gastronomen kein Zuckerschlecken gewesen seien: „Unsere Energiekosten haben um gut 50 Prozent zugelegt“, blickt Ludger Sangermann auf die Vor-Inflationszeit zurück. Corona, aber auch die jetzt geführte Mehrwertsteuer-Diskussion, sind Themen, die jeden Wirt umtreiben. Die Preise, sagt Petra Sangermann, habe man dennoch nur moderat angehoben. Momentan, fügt Nichte Anne hinzu, laufe das Geschäft gut: „Wir haben bisher einen starken Januar“.

Der Licht durchflutete Spiegelsaal wird häufig von Hochzeitsgesellschaften genutzt.
Der Licht durchflutete Spiegelsaal wird häufig von Hochzeitsgesellschaften genutzt. © WP | Josef Schmidt

50 Pfennig für das erste Glas Bier

36 Jahre Gastronomie? Drängt sich die Frage an den Senior des Hauses auf, ob er sich noch an den Preis seines ersten gezapften 0,25-l-Bieres erinnern könne: „Das dürfte so in den 70ern gewesen sein. Da kostete das Pils bei uns 50 Pfennig.“