Olpe. Rudi Hetzel (Hetzels Hotelchen) aus Olpe im Interview: Was macht der Gastronomie das Leben schwer, und wie sieht die Zukunft aus?

Rudi Hetzel (56) ist ein gastronomisches Urgestein. Seit 25 Jahren führt er die Geschicke von Hetzels Hotelchen im Herzen der Stadt Olpe. Der gelernte Fleischer, der seit vielen Jahren die Küche des Restaurants verantwortet, wuchs im Familienbetrieb auf. Gegründet wurde das Traditionshaus von seinem Großvater Ewald, der die Geschicke in die Hände von Rudi Hetzels Vater legte. Und auch Rudi Hetzels Nachfolge zeichnet sich bereits ab, seine Tochter ist gelernte Hotelfachfrau. Seit zwölf Jahren hat die Lebensgefährtin von Rudi Hetzel, Steffi Kleine, erheblichen Anteil am Erfolg des Betriebes. Darüber hinaus ebenfalls sämtliche Mitarbeiter des Teams. Uns stand Rudi Hetzel im Interview Rede und Antwort – in schwieriger Zeit für die Gastronomie.

Frage: Herr Hetzel, Anfang der Woche waren tausende Landwirte auf der Straße. Stehen Sie als Gastronom an der Seite der Landwirte.

Rudi Hetzel: Ja, und ich kann die Landwirte auch verstehen, bin aber überzeugt, dass die gesamte Form der Landwirtschaft überdacht werden muss und damit auch die Finanzierung.

In welcher Hinsicht?

Das Thema Subventionen sollte auf den Prüfstand. Für viele Normalverbraucher ist es nicht mehr nachvollziehbar, was überhaupt warum subventioniert wird. Dass es ganz ohne nicht gehen wird, davon bin ich überzeugt, und wir sollten uns alle bewusst sein, dass Landwirtschaft und Gastronomie Branchen sind, die die Gesellschaft braucht.

Müssten nicht auch Gastronomen auf die Straße.

Ja, das müssten sie vom Grundsatz her. Ich kenne keinen Gastwirt, der seinen Laden eine Woche zuschließen würde, um nach Berlin zu fahren. Der Umsatzausfall wäre zu hoch. Und wir würden nicht eine solche Aufmerksamkeit erzielen wie tausend Traktoren vor den Toren Berlins.

Auf ihrer Theke steht ein kleines Schild mit der Aufschrift: Kein Thekenbetrieb. Nun war Hetzels traditionell immer auch eine Bierkneipe. Warum jetzt nicht mehr?

Ich habe 1998 unser Geschäft übernommen und das Geschäftsmodell fortgesetzt. Wir hatten traditionell immer eine gute Küche und einen umsatzstarken Thekenbetrieb – parallel.

Was hat sich verändert?

Irgendwann haben wir festgestellt, allem voran in der Vorweihnachtszeit, dass wir die Tische gut belegt hatten, aber an der Theke so viel Betrieb war, dass sich die Essensgäste nicht mehr wohlfühlten. Parallel dazu verkauften wir immer weniger Bier an der Theke. Deshalb die Entscheidung, ganz auf den Thekenbetrieb zu verzichten. Ausnahmen gibt es aber, zum Beispiel an Schützenfest, bei geschlossenen Gesellschaften oder wenn jemand an der Theke zahlt und vor dem Nachhauseweg noch gerade ein Bier auf dem Sprung möchte. Leider gibt es ab und an Gäste, die mit der Regelung fremdeln.

Was lastet nach Corona am stärksten auf der Gastronomie: Explodierende Energiepreise, steigende Getränkepreise, 19 Prozent Mehrwertsteuer, Mitarbeiterschwund?

Natürlich belasten die gestiegenen Preise. Ob die Energie oder die Einkaufspreise für Lebensmittel, einfach alles.

Wieviel Prozent mehr müssen sie für Gas und Strom seit Ende 2020 einkalkulieren?

30 bis 35 Prozent auf jeden Fall. Unter anderem durch den Krieg in der Ukraine sind auch viele Lebensmittelpreise gestiegen, dann wieder zurückgekommen. Aber die allgemeine Inflation hat die Gemüse- und Fleischbranche im Griff. Alles ist teurer geworden. Das müssen wir, ob wir wollen oder nicht, an die Kunden weitergeben.

Ein Rumpsteak für fast 40 Euro oder ein 0,3-l-Glas Bier für 3,70 Euro sind schon happig. Haben Sie den Eindruck, dass die Leute das noch mitmachen oder ist die Schmerzgrenze überschritten?

Wir können uns bisher glücklich schätzen, dass wir es nicht merken. Aber man muss ehrlich sein. Olpe und das Umfeld ist eine wirtschaftlich und sozial starke Region. Es gibt sicherlich Leute, die sagen: ,Wir sind bisher mit den Kindern zweimal im Monat gekommen, das machen wir jetzt nur noch einmal‘. Da habe ich vollstes Verständnis für. An dieser Stelle möchte ich mich bei unseren Kunden bedanken, die uns seit Jahrzehnten die Treue halten.

Ist die Anhebung der Mehrwertsteuer auf wieder 19 Prozent auf Speisen ein existenzbedrohener Faktor?

Als die Mehrwertsteuer angesichts von Corona von 19 auf 7 Prozent gesenkt wurde, hat das der Gastronomie sehr gut getan. Und die Inflation ist ja geblieben. Da wäre es nachvollziehbar gewesen, sie bei 7 Prozent zu belassen.

Wird das Kneipensterben unvermindert weitergehen?

Das Kneipensterben ist nicht zu leugnen. Und es gibt ein riesiges Problem, Nachfolger für die Betriebe, aber auch Mitarbeiter zu finden.

Wie lösen Sie das chronische Problem fehlender Arbeitskräfte?

Wir sind froh, momentan ein gutes Team zu haben, was natürlich immer Verstärkung brauchen könnte. Manche Gastronomen haben bei einer niedrigen Eigenkapitaldecke Schwierigkeiten, über den Mindestlohn hinauszugehen. Das ist einer der Gründe für die Preisgestaltung. Eigentlich sollte Gastronomie ja bezahlbar sein für alle soziale Schichten. Da sind wir aber schon lange nicht mehr.

Wird es auch in der Olper Innenstadt dunkler, was Gastronomie angeht?

Das sehen wir ja schon. Es wird sich die Spreu vom Weizen trennen.

Wird Olpe also zunehmend zur Imbiss- und Dönermeile?

Es gibt Gastronomen, die sagen, es werde bald nur noch Hop oder Top geben. Soll heißen: Der Gast geht entweder in den Imbiss oder die gepflegte Gastronomie. Und damit meine ich keine Sterne-Küche.

Geht die deutsche Kneipenkultur also den Bach runter?

Sie wird es zunehmend schwerer haben. Es hat sich in der Gesellschaft extrem viel verändert. Früher gehörte Alkohol in vielen Branchen zum Tagesgeschäft dazu. In der Mittagspause gingen viele mal ein Bierchen trinken, auf der Baustelle gab‘s die Flasche zwischendurch, nach Feierabend führte der Weg erst einmal an den Tresen. Und der Sonntags-Frühschoppen war Tradition. All das ist lange vorbei. Was im Gegensatz zu den Kneipen aber nicht sterben wird, sind die traditionellen Feierlichkeiten wie Schützenfeste und Karneval. Da macht auch die Jugend mit.

Wissen Sie noch, was das erste Bier kostete, das Sie gezapft haben?

Ja, weiß ich noch, zumindest ungefähr. Es war etwa 1,10 Mark.

Und heute?

Seit dem 1. Januar 2024 kostet bei uns das 0,3 L-Pils 3,70 Euro.

Treiben die Brauereien Biertrinker nicht geradewegs aus den Kneipen, wenn das gezapfte Bier derart teuer und die Kiste im Discounter für 9,99 Euro im Sonderangebot zu haben ist?

Hinter einem Fassbierpreis verbirgt sich auch ein vielfältiges Engagement der Brauereien für die jeweiligen Betriebe im positiven Sinne. Als Partner der Gastronomie.

Kann eine Bierkneipe dann überhaupt noch existieren?

Nur, wenn eine bestimmte Menge an Getränken verkauft werden kann und wenn sie ein gutes Konzept vorweist.

Gibt es bei den vielen Schwierigkeiten etwas, dass Gastronomen besonders auf die Nerven geht?

Ja, gibt es. Das bezieht sich auf Problemen bei Tischbuchungen.

Was meinen Sie konkret?

Blicken wir mal auf das letzte Quartal 2023, insbesondere auf das Weihnachtsgeschäft mit Weihnachtsfeiern. Es kommt immer wieder mal vor, dass Tische gebucht werden, aber ein Teil der avisierten Gäste nicht erscheint oder die Reservierung kurzfristig abgesagt wird. Der Umsatzverlust summiert sich dadurch auf eine nicht unerhebliche Summe. Dieses Verhalten hat sich nach Corona leider verstärkt.

Das Problem ist mir zwar bekannt, aber das Ausmaß überrascht mich doch. Ist das einfach nur Gedankenlosigkeit?

Die Palette ist breit gestreut. Mitunter kommen von zehn Gästen, für die ein passend großer Tisch gebucht wird, nur zwischen fünf und sieben. In ganz schlechten Fällen sind 50 bis 60 Essen geordert worden, und es kommen 35 Gäste.

Also ein ständiges Hin und Her?

Es sind diese Saison so viele Weihnachtsfeiern gebucht und abgesagt worden wie selten zuvor. Das hängt auch mit dem Corona-Bewusstsein zusammen. Die Menschen sind offenbar etwas vorsichtiger geworden und vermeiden bei Erkältungssymptomen den Gang in die Öffentlichkeit. Sehr problematisch ist es, wenn umfangreiche Menüs vorbestellt sind und kurzfristig abgesagt werden.

Wie reagiert die Gastronomie in anderen Regionen darauf?

In größeren Städten gibt es Gastro-Betriebe, die Tischreservierungen nur noch per E-Mail annehmen, inklusive der Angabe der Kreditkartennummer. Und bei Nichterscheinen wird ein Stornosatz von 15, 20 oder 25 Prozent der vermeintlichen Auftragssumme abgebucht.

Gibt es da keine rechtlichen Hürden?

Was die wenigsten wissen: Eine Tischreservierung ist wie eine Zimmerreservierung im Hotel ein mündlicher Vertrag. Es ist schon immer so gewesen, aber es wurde nicht ernst gemacht. Wenn für 20 Gäste gebucht wird, und es kommen nur zehn, dann muss man sich vorstellen, dass alles vorbereitet ist für diese 20 Gäste, ich habe dafür eingekauft, Personal beauftragt und so weiter.

Was würden Sie sich wünschen?

Dass die Kunden so früh wie möglich klären, wie viele Gäste wirklich kommen und wenigstens einige Tage vorher Bescheid sagen. Wenn dann jemand einen Tisch reserviert hat und tatsächlich ein paar weniger Personen kommen als gebucht, ist das auch kein Drama.

Abschließend die Frage, was Sie sich noch wünschen würden, wenn die Gute Fee Ihnen einen Wunsch erfüllen würde?

Dass sich wieder mehr junge Menschen für die Berufe in der Gastronomie und für das Handwerk allgemein interessieren.

Zur Person

Rudi Hetzel (56) ist ein Olper Junge. Er ist im Elternhaus und somit in der Gastronomie aufgewachsen. Seit seinem 21. Lebensjahr ist der gelernte Fleischer hauptberuflich Gastronom. 1998 übernahm er den Betrieb in der Olper Agathastraße 6. Hetzel ist Vater einer Tochter und führt seinen Betrieb, Restaurant und Hotel mit fünf Zimmern, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Steffi Kleine. Hetzels Hotelchen ist in der 3. Generation familiengeführt, Gründer war Großvater Ewald, es folgte der Vater von Rudi Hetzel, Herbert Hetzel.