Kirchhundem. Die 36-jährige Jennifer Baumeister aus Kirchhundem hat die Maße 124/116/146 und einen Modelvertrag bei „Fräulein Kurvig“ unterzeichnet.
„Jetzt kommt meine Zeit, ich habe mich lange genug versteckt“ – ein starkes Statement einer jungen Frau mit einer kurvigen Figur. Jennifer Baumeister aus Kirchhundem-Selbecke ist 36 Jahre, verheiratet und Mama von drei wundervollen Mädchen. Lea (14), Marie (8) und Lina (2) lieben ihre Mama und sind sehr stolz auf sie. Denn Jennifer Baumeister ist einen sehr langen Weg gegangen, einen harten und steinigen Weg. Sie hat sich von der einstigen grauen Maus zu einer wundervollen, strahlenden und selbstbewussten Persönlichkeit entwickelt.
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Die Vergangenheit
Die gelernte Hotelfachfrau, die als Rezeptionistin im Hotel „Alte Schule“ in Bad Berleburg arbeitet, hatte schon immer mehr auf den Hüften. Sie denkt zurück an die Pubertät. In der Schule sei sie immer die „Nummer 1“ gewesen, wenn es ums Ärgern ging. Hinter ihrem Rücken wurde getuschelt, die Blicke anderer brannten sich in ihre Seele. Sie zog sich zurück, stand oftmals allein in der Ecke und war traurig. „Ich habe lieber gar nicht gesprochen, um nicht aufzufallen. Auch Restaurantbesuche sind für mich Horror gewesen, weil ich das Gefühl hatte, dass andere sich fragen, warum die Dicke sich keinen Salat bestellt“, beschreibt Jennifer Baumeister ihre damaligen Gefühle. Vor zwei Jahren erhielt sie dann auch noch die Diagnose Lipödem Typ II – eine Fettverteilungsstörung an Armen und Beinen – die Ursache für ihre starken Dellen an Oberschenkeln und Oberarmen sowie die Wassereinlagerungen in den Beinen.
Die Akzeptanz
Das Loch, in dem sich die 36-Jährige zu dem Zeitpunkt befindet, kann tiefer nicht sein. Jennifer Baumeister versteckt sich mit ihren ein Meter 66 und Kleidergröße 50 vor der Öffentlichkeit und kleidet sich nur noch schwarz in allen Tönen. Doch dann kommt die Kehrtwende, weil ihr bewusst wird, dass sie mit der Diagnose leben muss. Sie recherchiert im Internet und googelt nach Lipödem und dem Begriff „Selbstliebe“ und stößt auf die Internetplattform und den Instagram-Account von „Fräulein Kurvig“. Dahinter steckt mit Melanie Hauptmanns ein sehr bekanntes Curvy-Model mit einer starken Community. Sie steht für „Deutschlands schönste Kurven“ und führt zudem eine Modelagentur für Models mit Kurven. Und die hat Jennifer Baumeister mit ihren Maßen 124/116/146.
Die Chance
Die kurvige junge Frau aus Kirchhundem folgt Fräulein Kurvig und dem Aufruf zu einem Foto-Casting für den Jahreskalender 2024. Sie sieht andere junge, hübsche und kurvige Frauen, die sich trotz ihres Übergewichts nicht verstecken und spricht mit ihrer Familie über ihre Idee, sich für das Casting zu bewerben. „Ich wollte nicht, dass meine Kinder meinetwegen geärgert werden, wenn ich bei diesem Format mitmache und hatte anfangs große Angst, dass andere sagen ‚spinnst du, guck mal in den Spiegel‘, aber meine Familie stand geschlossen hinter mir“, spricht Jennifer Baumeister über ihren Weg zu „Fräulein Kurvig“.
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Der Erfolg
Drei Tage vor Einsendeschluss bewirbt sie sich und stellt sich in einem Online-Casting vor. Über das Internetportal TikTok werden kurze Zeit später die Kandidaten für das Kalender-Shooting bekannt gegeben, der Name Jennifer Baumeister ist nicht dabei. Sie ist anfangs traurig, aber dennoch positiv gestimmt über die Erfahrung, die ihr neues Selbstbewusstsein geschenkt hat. Dann die Überraschung: Völlig aus dem Häuschen gerät die junge Mutter einen Tag später, als Melanie Hauptmanns sie anruft, um ihr mitzuteilen, dass sie doch dabei ist.
Das Thema des Shootings „Wie möchtest du als Barbie im Regal stehen?“ nimmt Jennifer Baumeister sehr ernst. Bei den Fotos trägt sie das Kleid, das sie auf der Rockabilly-Hochzeit ihrer Schwester getragen hat. Ein schwarzes Petticoat-Kleid mit roten, dicken Tupfen und einem knallroten Haarreifen. Sie strahlt das Selbstbewusstsein aus, das sie 36 Jahre lang vergeblich gesucht hatte.
Ihre Reise nach dem Kalender-Shooting geht weiter. Als Kalender-Girl landet sie automatisch im Halbfinale der „Fräulein-Kurvig“-Gala und ist eine von 24 Finalistinnen und insgesamt 2300 Bewerberinnen. Auch wenn sie es am Ende nicht unter die ersten drei geschafft hat, ist Jennifer Baumeister sehr glücklich über all die positiven Erfahrungen, die sie sammeln durfte.
Die Body-Positivity
Der neue Lebensabschnitt macht etwas mit der 36-Jährigen. Sie fängt an, sich selbst zu lieben. „Wenn mich andere Leute doof anschauen, dann lächele ich zurück und dann wissen sie Bescheid“, sagt sie heute selbstbewusst. Die Zeit sich zu verstecken, weil andere sie dick und hässlich finden, sind vorbei. Auch die Zeiten von ständigen Diäten und Jo-Jo-Effekten: „Ich liebe mich so, wie ich bin und habe mittlerweile so viele Kleider und Röcke in meinem Kleiderschrank, die ich zuvor mein ganzes Leben nicht getragen habe“.
Das Feedback aus ihrem Umfeld ist durchweg positiv. Sie möchte als Botschafterin für Body-Positivity auftreten und hat gerade den Modellvertrag für die Agentur von „Fräulein Kurvig“ unterschrieben. „Jeder Mensch hat etwas Schönes. Es gibt keine hässlichen Menschen. Wir sollten uns selbst akzeptieren“, sagt Jennifer Baumeister, die nun gespannt auf ihren ersten Auftrag als Curvy-Model wartet: „Ich möchte gerne Mode in Online-Shops, in Katalogen und auf Messen präsentieren. Das Thema Curvy-Mode soll positiv und bunt dargestellt werden. Dafür stehe ich“.