Neger. Beim WP Mobil macht das Negertal mobil: 30 Dorfbewohner diskutieren eifrig mit - Mit Kritik an der Stadt Olpe wird nicht gespart.
Auf die Frage, was sich die Bewohner des Negertals wünschen würden, zögerte eine ältere Dorfbewohnerin keine Sekunde: „Ich würde mir wünschen, dass man uns nicht immer die Ortsschilder klaut.“ Das war natürlich nur ein Thema unter vielen, die bei der Aktion „WP Mobil“ zur Sprache kamen, die am Dienstagabend im Negertal Station machte, genauer gesagt auf dem Schmuckstück des Dorfes, dem Mehrgenerationenplatz in Unterneger. „Es müsste doch technisch möglich sein, unsere Schilder so zu befestigen, dass sie nicht zur Beute von Souvenirjägern werden“, fügte ein weiterer Negeraner hinzu. Hintergrund: Offenbar gibt es Zeitgenossen, die sich einen Spaß daraus machen, den originellen, teilweise sogar umstrittenen Ortsnamen im eigenen Partykeller zu präsentieren. Das sei an einem Wochenende so weit gegangen, dass das gesamte Negertal innerhalb von drei Tagen leergeräumt worden sei.
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Während die Ortsschilder aber nur ein Rand-Problem sind, drückt das 360-Seelen-Völkchen in den Ortsteilen Unterneger, Mittelneger und Oberneger ein anderes Problem spürbar gravierender: Eine bauliche Perspektive für die eigene Jugend. Ortsvorsteher Sven Ochibowski: „Es steht eine Flächennutzungsplanänderung an, die uns negativ betreffen wird. Das bedeutet, dass in den nächsten, mindestens zehn Jahren keine neuen Baugrundstücke realisiert werden können. Und das bedeutet Perspektivlosigkeit für unsere jungen Leute.“ Das wiederum wirke sich mittelfristig auf die Vereine und Verbände im Ort aus, wo immer ehrenamtliche Kräfte gesucht würden, die Verantwortung übernehmen wollten. Wenn die jungen Menschen aus dem Dorf wegziehen würden, fehle auf Sicht dieses ehrenamtliche Potenzial.
17.000 Quadratmeter entfallen
Hintergrund des Baugrundproblems: Laut aktuellem Flächennutzungsplan war ein über 17.000 Quadratmeter großes Neubaugebiet für das Negertal (Lehmenohl) vorgesehen, das aber jetzt zur Fläche für die Landwirtschaft heruntergestuft wird. Die Stadt muss laut der Technischen Beigeordneten Judith Feldner Forderungen der Bezirksregierung umsetzen und Wohnbauflächen im Stadtgebiet eliminieren, darunter fällt jetzt auch das Negertal. Feldner erklärte auf Anfrage am Mittwoch zwar: „Das bedeutet aber nicht, dass Neger nie wieder ein Neubaugebiet bekommen wird“, ob die im Ort lebenden jungen Menschen aber so lange warten können und wollen, erscheint unrealistisch. Dass es im Ort junge Menschen gibt, die in ihrer Heimat bleiben wollen, bestätigte der Besuch des WP Mobils im Negertal. Zum Beispiel der 21-jährige Jona Sander: „Ich lebe noch im Elternhaus, würde aber gerne hier im Dorf bleiben.“ Aber: Die Perspektive, selbst mal in Neger bauen zu können, sei offenbar schwierig. Hintergrund: Baulücken gebe es noch in den drei Dörfern, aber nur private, die nicht zum Verkauf stünden. Ähnlich sieht es Lennart Hachenberg (19), ein „Negeraner Junge“, der sich, wenn es möglich wäre, im Negertal ansässig machen würde. Kurios: Ludger Huperz weist daraufhin, dass der Abwasser-Kanal seitens der Stadt schon aufgeweitet worden sei für das geplante Neubaugebiet für etwa 13 neue Bauplätze, das jetzt eliminiert werde. Huperz: „Auch die Stichstraße im ersten Bauabschnitt ist schon für die spätere Erweiterung angelegt worden.“
WBV im Streit mit der Stadt
Ludger Huperz ist auch Vorsitzender des örtlichen Wasserbeschaffungsverbands, der mit der Stadt Olpe eine jahrelange Kontroverse wegen des Löschwassers führte. Die Vorgeschichte: Der WBV Neger wollte das Löschwasser nicht mehr unentgeltlich zur Verfügung stellen. Eine Lösung bzw. ein Kompromiss wurde nicht gefunden, was darin mündete, dass der WBV sein Wasser nicht mehr zur Verfügung stellt und die Stadt einen eigenen Löschwasserbehälter baute. Im Zuge der Streitigkeiten vermutet Huperz eine Retourkutsche der Stadt, die das Schild ,Anlieger frei’ zum WBV-Hochbehälter entfernt habe, so dass alle WBV-Verantwortlichen eine Sondergenehmigung bräuchten, um zum eigenen Behälter zu kommen. Huperz und seine Vorstandskollegen: „Ein Unding.“ Die Folge: Bisher habe niemand eine solche Genehmigung beantragt. Huperz: „Das lassen wir nicht mit uns machen.“
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Deutlich wurde während des knapp 90-minütigen WP Mobil-Treffens, dass sich so mancher Negeraner von der Olper Stadtverwaltung ungerecht abgehängt fühlt. Ähnlich argumentierten schon die Saßmicker Dorfkollegen, die beim WP Mobil-Abend argwöhnten: „Wir sind der A.. von Olpe.“ Antwort der Negeraner: „Dann sind wir die andere Backe.“ Offensichtliches Grundverständnis im Negertal: Der vielzitierte Slogan der Stadt: ,Stadt und Land, Hand in Hand’ existiere nur auf dem Papier, werde politisch aber nicht gelebt. Fundamentalkritik: Das Ehrenamt in den Dörfern werde aus der Zentral-Stadt nicht entsprechend unterstützt und gewürdigt.
Schwacher ÖPNV
Weitere Themen des Abends drehten sich um den Straßenverkehr: Zum einen bemängeln die Negeraner einen unzureichenden Öffentlichen Personen-Nachverkehr, zum anderen den nervenden Terror rasender Motorradfahrer.
„Vor dem Hintergrund der Energiewende ist gewollt, dass der Individualverkehr schrumpft, aber von einem Ausbau des Busverkehrs kann nicht die Rede sein. Das ist eher rückläufig“, sagte Christian Schneider, Kassierer des Dorfgemeinschaftsvereins. Es gebe den Schülerfahrverkehr und den Taxibus für die Abendstunden, aber gerade das Angebot in die Stadt Olpe sei minimal. „Vom Dorfgemeinschaftsverein ist jetzt die Überlegung angestellt worden, eine Mitfahrerbank zu installieren. Das steht auf unserer To Do-Liste.“
Motorrad-Raserei
Sascha Bade, Vorsitzender des Dorfgemeinschaftsvereins, sprach in Sachen Motorrad-Raser von einem ernstzunehmenden Problem: „Wir haben hier ja auch viele Treckerfahrer, das ist extrem gefährlich.“ Ein weiterer Anwohner prognostizierte sogar: „Da wird irgendwann mal etwas passieren, ein schwerer Unfall ist vorprogrammiert.“ Auserkoren hätten sich die Motorradfahrer insbesondere die K 18, die von der Bundesstraße 55 herunter ins Negertal führe bis zum Biggesee. Rand-Info: Im Negertal heißt die K 18 „Negerhöhenstraße“, nicht zu verwechseln mit der Negertalstraße. Auf der K 18 sei zwar Tempo 100 erlaubt, Motorradfahrer starteten dort aber in der Sommersaison regelmäßig Rekordfahrten. Auch verbunden mit einer störenden Lärmbelästigung im Tal. Ludger Huperz sprach sogar davon, dass dort mit der Stoppuhr gemessene Geschwindigkeitsrekorde angepeilt würden: „Da werden regelrecht Tagessieger ermittelt.“ Eine Temporeduzierung auf 70 Stundenkilometer, so Sascha Bade, werde vermutlich keine Besserung bringen, wenn nicht regelmäßig kontrolliert werde. Problem: Werde kontrolliert, seien die Raser so gut vernetzt, dass einer den anderen warne. Ein weiterer Dorfbewohner hatte sogar schon einen konkreten Übeltäter ausgemacht: „Da gibt es einen Motorradfahrer aus Siegen, der knallt samstags, wenn schönes Wetter ist, hier vier- bis fünfmal runter.“ Aber auch die Gegenfahrbahn aus dem Tal Richtung Bundesstraße 55 werde als Rennstrecke missbraucht.
Kritische Töne waren bei WP Mobil auch in Sachen „Straßensituation“ zu hören. Sascha Bade: „Vielerorts ist hier Flickschusterei zu sehen. Vor allem in Oberneger ist das der Fall, das kann hier kein Mensch verstehen.“ Auf manchen Straßen gebe es 50-Meter-Streifen, die dem Verfall preisgegeben würden, davor und dahinter neuer Asphalt.
Einen Wunsch äußerte Ortsvorsteher Sven Ochibowski zum Ende der Diskussion: „Es wäre schön, wenn ein Radweg aus Richtung Kessenhammer realisiert würde.“ Gerade in Zeiten der Elektro-Fahrräder, fügte eine Negeranerin hinzu, werde diese Strecke immer stärker genutzt.
Bilanz des Abends: Das Negertal präsentierte sich bei WP Mobil als eine kritische, aber humorvolle, gut gelaunte Dorfgemeinschaft. Nur bei einem Thema verstehen sie überhaupt keinen Spaß: Ihren Ortsnamen, der vom Zeitgeist schon mal in Frage gestellt wurde, wollen die Negeraner nicht hergeben, niemals: Neger bleibt Neger.