Kirchhundem/Hilchenbach. Der geplante Bürgerwindpark bei Heinsberg gerät im Erörterungstermin erneut unter Beschuss: Was die Gegner befürchten.

Das Fazit nach dem Erörterungstermin für den geplanten Windpark Rothaarwind II fällt leicht: Die Fronten sind betoniert. Die dreistündige Anhörung im Olper Kreishaus machte deutlich, dass die Windkraftgegner zahlreiche Kritikpunkte auffahren können, während das Konsortium aus Bauherren und Betreibern immer klar macht, dass man sich im Planungs- und Genehmigungsverfahren an Recht und Gesetz halte.

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Alfred Bierhoff, Ortsvorsteher des Dörfchens Brachthausen, machte mit seinen Wortmeldungen aber deutlich, dass es nicht nur um Gesetze, Verordnungen und harte Fakten geht, sondern um das persönliche Befinden vieler Menschen – vor allem in Heinsberg und Brachthausen: „Mein Bluthochdruck erhöht sich, wenn ich das hier höre. Brachthausen ist mit 550 Metern das höchstgelegene Dorf im Kreis Olpe, und wir sehen und hören bereits jetzt die Windindustrieanlagen von der Hilchenbacher Nachbarschaft. Vor allem nachts bei offenem Fenster. Wie will man da schlafen? Jetzt kommen zehn weitere auf dem Höhenzug in Heinsberg hinzu, weitere sind auf der Albaumer Höhe geplant. Sollen wir hier wegziehen?“ Viele Mitbürger der Region fürchteten diese Umzingelung und die damit verbundene „bedrängende Wirkung“.

Rechtsanwälte auf beiden Seiten

Der Berliner Rechtsanwalt Dr. Tobias Müller vertrat die Bauherren- und Betreiberseite, bestehend aus den Unternehmen Enercon, Alterric und Günter Pulte von der Rothaarwind GmbH. Müller entgegnete Bierhoff, dass der optisch bedrängenden Wirkung vom Gesetzgeber Grenzen auferlegt werde: „An diese Spielregeln müssen auch wir uns halten.“ Antwort Bierhoff: „Der Gesetzgeber legt etwas fest, aber wer denkt an die Menschen, die dort leben?“ Aus Gesprächen mit seinen Mitbürgern nehme er zunehmend den Frust über eine Politik auf, die offenbar Gesetze mache, „so, wie sie es gerade braucht.“ Neben Alfred Bierhoff vertraten der Rechtsanwalt Thomas Mock (Königswinter), Frank Dubberke und David Hanses (beide Heinsberg) vom Naturschutzverein Rothaargebirge „Forest for Future“ die Windkraft-Gegner. Moderiert wurde die Anhörung von Siegfried Hanke und Jörn Schauerte vom Kreis Olpe, ebenfalls anwesend waren mehrere Fachleute des Kreises - unter anderem aus den Bereichen Landschafts-, Wasser-, Brand- und Bodenschutz. Sie bestätigten in Sachen „Umzingelung“ und „Eingriff in das Landschaftsbild“, dass die Windradbauer baurechtlich auf der sicheren Seite stünden. Je nach Ausmaß des Eingriffs könne ein „Ersatzgeld“ gezahlt werden, laut Landesnaturschutzgesetz NRW. Klar sei, dass jeder Bürger ein gewisses Maß an Beeinträchtigung ertragen müsse. Das gelte für die Aussicht ebenso wie für die Geräusche, die ein Windpark verursache. Dr. Müller verwies darüber hinaus, dass keines der zehn neuen Windräder von der Ortschaft Brachthausen zu sehen sein werde.

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Frank Dubberke aus Heinsberg sprach von unerträglichen Belastungen und gesundheitlichen Problemen und verwies auf die Masse an Windindustrie-Anlagen, von denen sich die Heinsberger umzingelt fühlten, wenn alle Planungen umgesetzt würden. Neben den fünf bereits bestehenden Windrädern des Bürgerwindparks Hilchenbach kämen jetzt 17 hinzu - 10 auf Heinsberger, 7 auf Hilchenbacher Gebiet. Weitere fünf auf der Albaumer Höhe, noch einmal fünf in Richtung Brachthausen und fast hundert in Richtung Erndtebrück, von denen man zumindest einen Teil hören werde. Einhelliger Tenor der Windrad-Gegner im Olper Kreishaus: „Was ist das anderes als eine Umzingelung?“ David Hanses: „Irgendwann werden meine Kinder ringsherum nur noch Windräder sehen.“ Es sei kein Wunder, dass die geplanten Windparks die umliegenden Dörfer spalteten. Ein Teil sei strikt dagegen, andere dafür.

Dr. Müller verwies darauf, dass es den Begriff „Umzingelung“ rechtlich nicht gebe, sondern nur die „bedrängende Wirkung“. Der zu erwartende Einfluss auf das Landschaftsbild der zehn Windenergieanlagen, um die es hier gehe, sei im Genehmigungsverfahren „abgearbeitet“.

Rechtsanwalt Dr. Thomas Mock (Königswinter) hob hervor, dass der Begriff Umzingelung bisher kaum thematisiert worden sei, da es diese Massivität des Windradausbaus noch nicht gebe. Bei 250-Meter hohen Windrädern in diesen Massen - der Kölner Dom sei 157 Meter hoch - werde das gesamte Umfeld industrialisiert. Mock erinnerte zudem daran, dass die Bürger rund um den Windpark von gefährlichen Chemikalien beeinträchtigt werden könnten. Die Rotorblätter bestünden überwiegend aus Epoxidharz, durchsetzt mit gefährlichen „Ewigkeits-Chemikalien - abgekürzt PFAS (Poly- und Perfluor-Alkyl-Substanzen) und BPA (Bisphenol A): „Bei extremen Wetterlagen, wie sie zukünftig verstärkt zu erwarten sind, sprechen wir von einem erheblichen Abrieb der Rotorblätter.“ Die Größenordnungen bei 10 Anlagen: 20 bis 30 Tonnen, berechnet auf 25 Jahre. „Das steckt dann im Boden und Grundwasser und ist nicht mehr rückholbar.“

„Werden das Land nicht wiedererkennen“

Auch hierzu entgegnete Rechtsanwalt Müller, dass sämtliche EU-Umweltstandards eingehalten würden: „Im Genehmigungsverfahren von uns alles abgearbeitet.“

Ähnlich unterschiedliche Auffassungen ergaben sich bei den Themen Brandgefahr, Blitzschlag, Grundwasser- und Bodenbelastung, Artenschutz, Biodiversität, Denkmalschutz, Tourismus, CO2-Senken, Rückbau-Risiko und so weiter. Im Rahmen von acht Einwandoberthemen brachten die Kritiker über 40 Unterpunkte vor.

Das ernüchternde Fazit der Projektgegner fasste David Hanses zusammen: „Das Leitmotiv für die Gemeinde Kirchhundem heißt eigentlich ,Wo die Wälder Wache halten’. Das soll künftig nicht heißen: ,Wo die Windräder Wache halten’.“ Und Rechtsanwalt Mock bilanzierte sorgenvoll: „Wir werden das Land nicht mehr wiedererkennen.“