Lennestadt/Kreis Olpe. Florian Decher und Michèle Hollex aus Lennestadt haben harte Zeiten hinter sich. Sie flüchten in die Natur – und begeistern damit auf Instagram.
Florian Decher (38) und Michèle Hollex (40) wirken wie zwei Männer, die nichts so schnell erschüttern kann. Sie sind aufgeschlossen, witzig, gern auch ironisch. Wer die beiden Lennestädter sieht, kann schnell den Eindruck gewinnen, dass man mit ihnen feucht-fröhliche Abende an der Kneipentheke verbringen kann. „Rauchen, trinken – habe ich alles früher gemacht“, erzählt Michèle. Heute ist der Fokus allerdings ein anderer. Ein Fokus, den man vielleicht erwarten würde.
Natur wird nach Michèles Herzinfarkt zum Rettungsanker
Es ist Oktober 2022. Michèle erleidet aufgrund einer Stoffwechselerkrankung einen Herzinfarkt. Ein einschneidendes Erlebnis, das sein Leben in ein „Davor“ und ein „Danach“ trennt. „Ich habe gemerkt, dass ich sensibler geworden bin. Dass ich laute Geräusche nicht mehr so gut abkann. Dass ich nicht mehr so belastbar bin“, erzählt Michèle. In der dreiwöchigen Reha lernt er, mehr auf sich und seinen Körper zu achten. Er merkt, dass ihm lange Spaziergänge durch den Wald guttun. Er fängt an, die Ruhe und Entschleunigung zu genießen. Die Natur wird zu seinem Rettungsanker.
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Auch Florian muss lernen, mit herben Schicksalsschlägen umzugehen: Innerhalb kurzer Zeit versterben sieben Familienmitglieder. Genau wie Michèle flüchtet er in den Wald, um Abstand zu gewinnen. Den Kopf frei zu bekommen. „Ich habe mich dann zunehmend mit dem Thema Achtsamkeit beschäftigt. Meine Aufmerksamkeit darauf gelenkt, was da eigentlich alles so um uns herum wächst“, erinnert sich Florian. Dadurch wurde sein Interesse an Pflanzenkunde geweckt – und welche Kräuter, Blätter und Samen aus den Sauerländer Wäldern man auch gut in der Küche nutzen kann.
Kräuter und Samen aus dem Wald für die Küche nutzen
„Wenn man Brennnesselsamen wäscht und siebt, kann man sie zum Beispiel in einen Smoothie oder ins Müsli geben“, erzählt Florian. Sie schmeckten leicht nussig und seien wahre Vitaminbomben. Oder der Echte Dost, erkennbar an seinen kleinen pink-lilafarbenen Blüten. Er könne zum Beispiel wie Oregano verwendet werden. Oder die Goldrute mit ihren gelbfarbenen wolkenartigen Büscheln. Aus ihr lassen sich unter anderem Tinkturen herstellen, die unter anderem gegen Erkältungen oder Wunden helfen können. „Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto faszinierter war ich davon, wie viel in unseren Wäldern wächst, was man zur Unterstützung der eigenen Gesundheit nutzen kann. Und das ganz natürlich, völlig kostenlos“, so Florian.
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Michèle und Florian sind Arbeitskollegen bei Eibach in Finnentrop. „Wir kennen uns aber schon von früher. Wie das auf dem Dorf eben so ist“, meint Michèle. Beide entdecken unabhängig voneinander, wie gut ihnen die Natur tut. Irgendwann wurde Florian dann auf ein Bild von Michèle in seinem WhatsApp-Status aufmerksam und fragte, ob sie nicht mal zusammen losziehen wollten. „Ich hab’ erst überlegt, ob ich das wirklich will. Weil ich es auch total genieße, allein zu sein. Fünf Stunden durch den Wald gehen zu können und keinem Menschen zu begegnen“, erinnert sich Michèle. Er gab sich einen Ruck. Und schnell zeigte sich: Die Beiden sind auf einer Wellenlänge.
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„Für uns ist das ein Weg, um sich ein paar Stunden aus dem System auszuklinken“, meint Michèle. „Ich habe für mich gemerkt, dass ich diese Zeit in der Natur brauche, weil mir sonst schnell alles zu viel wird.“ In seiner Wahrnehmung habe die Gesellschaft ein Problem mit Stillstand. Es gebe immer Input, der Einzelne müsse funktionieren. Der Wald hingegen strahle diese Ruhe aus, die im Alltag zwischen Arbeit, Bildschirmen und To-do-Listen oft verloren gehe. „Deswegen versuchen wir so oft wie möglich, rauszukommen. Im Schnitt so ein bis zwei Mal pro Woche. Dabei geht es gar nicht so sehr ums Wandern, sondern darum, die Eindrücke aufzunehmen und zu genießen“, meint Florian.
Die Erfahrungen und vor allem die wunderschönen Plätze, die sie auf ihren Ausflügen entdecken, teilen sie mittlerweile auch auf ihrem Instagram-Kanal „Naturbuddies Sauerland“. Sie selbst sollen dabei nicht im Fokus stehen, sondern die Natur. Dementsprechend zurückhaltend zeigen sich die Beiden. „Wir möchten die Leute einfach dafür sensibilisieren, in was für einer superschönen Gegend wir leben. Geht raus, macht die Augen auf und seid neugierig!“, appelliert Michèle. Hinter jeder Ecke könne sich etwas Tolles verstecken. Etwas, das entdeckt und bestaunt werden möchte.