Olpe. Nachts allein auf der Straße: eine Horror-Vorstellung für viele Frauen. Mit Krav Maga können sie sich wehren – auch gegen stärkere Männer.

Blauer Mattenteppich, grelle Deckenleuchten, Spiegel-Wand. Ein Angstraum sieht anders aus. Aber genau hier stellen sich die Teilnehmer ihrer Angst. Der Angst vor Handgreiflichkeiten, einer Auseinandersetzung, einem plötzlichen Übergriff. „Krav Maga ist keine Sportart“, sagt Kursleiter Daniel Schneider. „Es geht um reine Selbstverteidigung in echten Situationen auf der Straße.“

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Der Krav-Maga-Kurs findet immer dienstagabends im Aktiva Olpe statt. Sechs Teilnehmer sind heute gekommen. Darunter die Geschwister Tim (18) und Hanna (16). Beide haben vor ein paar Wochen mit Krav Maga begonnen. „Ich habe ein paar Jahre Taekwondo gemacht. Um sich in Gefahrensituationen wehren zu können, finde ich das hier aber realistischer“, meint Tim. Auch für Hanna ist Selbstverteidigung ein Thema. „Ich bin mal mit ein paar Freundinnen abends durch die Stadt gegangen, als uns ein Mann gefolgt ist und uns angepöbelt hat.“ Es sei zwar nichts passiert, trotzdem sei es ein ungutes Gefühl gewesen. Denn: Was hätte vielleicht passieren können, wenn er nicht aufgehört hätte?

Krav-Maga-Lehrer Daniel Schneider (links) zeigt Tim, wie er sich aus einem Klammergriff befreien kann.
Krav-Maga-Lehrer Daniel Schneider (links) zeigt Tim, wie er sich aus einem Klammergriff befreien kann. © Britta Prasse | Britta Prasse

„Bei Krav Maga konzentrieren wir uns auf einfache Bewegungen. Es geht darum, in kurzer Zeit viel zu lernen“, erklärt Daniel Schneider. Mit den effektiven Techniken könne sich auch eine zierliche Frau gegen einen zwei Meter großen 100-Kilo-Mann behaupten. Um das zu verdeutlichen, spielen die Teilnehmer einzelne Angriffsszenarien durch.

1. Szenario: Schubsen

Bevor wirklich Hand angelegt werde, sollte zunächst immer erst Mimik und Gestik eingesetzt werden. Wer mit einer selbstsicheren Körpersprache auftritt, ist kein leichtes Opfer. „Wir arbeiten erstmal mit der Stimme, indem wir dem Angreifer ‘Stop!’ oder „Es reicht jetzt!’ entgegenschreien“, sagt Schneider. Wenn der Angreifer nicht ablasse, immer weiter schubse, könne man mit der flachen Hand die Hand des Angreifers zur Seite schlagen, sodass sich sein Oberkörper automatisch zur Seite drehe. Mit beiden Händen könne man den Angreifer dann an der Schulter packen und von sich wegstoßen. Wenn er es dann immer noch nicht verstanden habe, gebe es eine einfache, aber sehr wirksame Methode, um ihn im wahrsten Sinne des Wortes auszuschalten. „Man kann mit Zeige- und Mittelfinger auf den Punkt direkt unterhalb des Kehlkopfes drücken. Damit sollte man aber wirklich sehr, sehr vorsichtig sein, weil es sonst leicht passieren kann, dass der Gegenüber liegen bleibt“, warnt Schneider. Heißt: Zum Spaß bitte nicht nachmachen. Andere Druckpunkte, die den Angreifer im Schach halten, befinden sich zum Beispiel unter der Nase oder an der Schläfe.

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2. Szenario: Griff ums Handgelenk

Vor allem bei Frauen nutzen Angreifer häufig einen festen Griff ums Handgelenk, um sie gewaltsam mit sich zu ziehen. Um sich schnell aus dieser Lage zu befreien, stellt Schneider gleich zwei Techniken vor. Erste Technik: Daumengelenk aushebeln. Klingt schmerzhafter als es tatsächlich ist. „Man dreht sein Handgelenk, sodass der eigene Daumen zwischen dem Daumen und Zeigefinger des Angreifers ist und zieht seinen Arm dann nach hinten.“ Drehen und Ziehen sollten dabei eine fließende Bewegung sein. Zweite Technik: Ellenbogen einsetzen. Dabei winkelt man den Ellenbogen des jeweiligen Arms an, der grade umklammert wird, und geht einen schnellen Schritt nach vorn. Das Handgelenk löst sich damit automatisch aus dem Umklammerungsgriff. Praktisch: Der Ellenbogen befindet sich dann in der Höhe des Gesichts des Angreifers. Einmal zustoßen – und der Angreifer sollte endgültig ablassen.

3. Szenario: Würgen

Beide Hände legen sich um den Hals – ein beklemmendes Gefühl. „Um sich daraus zu befreien, gibt es mehrere Techniken. Wir arbeiten hier aber nur mit drei bis vier Techniken, sonst wird es zu viel. Denn man soll das ja auch noch in der jeweiligen Stresssituation abrufen können“, meint Schneider. Bei einer Technik umfasst man die Handgelenke des Angreifers. Wichtig: den Daumen nicht abspreizen, sondern mit den anderen Fingern ums Handgelenk legen. Dann die Schulterblätter zusammenziehen, sodass sich der Griff löst. Eine andere Methode: den Arm in die Luft strecken – wie beim Aufzeigen –, zur Seite drehen und den Ellenbogen ins Gesicht des Angreifers stoßen. Was auch immer in derartigen Notsituationen helfen kann, sind Kniestöße oder Tritte in den Bauch oder Intimbereich.

Krav-Maga-Lehrer Daniel Schneider (links) umklammert den Hals eines Kursteilnehmers. Dieser soll sich mithilfe einer Rausdreh-Technik aus dem Würgegriff befreien.
Krav-Maga-Lehrer Daniel Schneider (links) umklammert den Hals eines Kursteilnehmers. Dieser soll sich mithilfe einer Rausdreh-Technik aus dem Würgegriff befreien. © Britta Prasse | Britta Prasse

Philipp* (18) absolviert zurzeit ein Duales Studium bei der Polizei. Er hat schon viele brenzlige Situationen auf Streife erlebt – von Handgreiflichkeiten bis hin zu geworfenen Glasflaschen. „Natürlich werden wir bei der Polizei auch auf solche Einsätze vorbereitet“, sagt er. „Aber ich wollte gerne noch zusätzlich etwas machen.“ Seit zwei Jahren macht er mittlerweile Krav Maga. Er hat gelernt, Gefahrensituationen einzuschätzen. Und, wenn nötig, sie auch mit wenigen Handgriffen zu beenden.

*Name von der Redaktion geändert

>>> RICHTIGES REAGIEREN UNTER STRESS

  • Krav Maga kommt aus dem Hebräischen und bedeutet „Kontaktkampf“.
  • Beim Krav Maga werden natürliche und instinktive Reaktionen sinnvoll eingebunden. Besonders das richtige Reagieren unter Stress wird trainiert. Dabei wird der richtigen Taktik in Gefahrensituationen viel Raum eingeräumt.
  • Mehr Informationen unter www.kravmaga-olpe.de.