Kirchhundem. Jungen Medizinern soll Geld für Anreise und Unterkunft für kurzzeitige Arbeitsphasen in Arztpraxen im Kreis Olpe bezahlt werden.

Christina Röcher ist derzeit quasi auf „Rundreise“. Sie leitet beim Kreis Olpe seit vorigem Jahr die dazu neu eingerichtete „Servicestelle für Ärztinnen und Ärzte zur Sicherung der medizinischen Versorgung“ und besucht die zuständigen Fachausschüsse der sieben kreisangehörigen Kommunen, um dort einerseits ihre Arbeit vorzustellen, andererseits die Situation in der jeweiligen Kommune darzustellen. Am Dienstag war sie in Kirchhundem im Ausschuss für Schulen, Sport, Kultur und Soziales und stellte dort eine Neuerung vor.

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Es gebe ein neues Projekt, das gerade seine Runde durch die Kommunen mache: ein Förderprogramm für Famulaturen und Hospitationen. Angehende Ärzte müssen als Teil ihres Studiums praktische Tätigkeitsabschnitte in Krankenhäusern oder Arztpraxen absolvieren, die Famulaturen. Wenn bereits approbierte Ärztinnen und Ärzte solche Phasen absolvieren, werden sie als Hospitation bezeichnet. Bisher sei dies in ärztlichen Praxen im Kreis Olpe eher selten. Unter anderem liege das daran, dass die Famulanten oder Hospitanten die Kosten dafür hauptsächlich selbst tragen müssen. Das führe dazu, dass diese sich vorrangig um Stellen an ihren Studienorten bemühten, schon, um für An- und Abreise sowie Unterkunft nicht extra zahlen zu müssen. Die Bürgermeister seien nun mit dem Kreis übereingekommen, dass jede Kommune an einem Förderprogramm teilnehmen werde: Ab dem 1. Januar sollen 400 Euro pro Person und Woche gezahlt werden, maximal drei Wochen für Famulanten und vier Wochen für Hospitanten. Die Arbeit in einer Hausarztpraxis im Kreis Olpe könne jungen Medizinerinnen und Medizinern die Augen öffnen, dass die Arbeit als Landarzt attraktiv sei. Während Christina Röcher dieses Programm in Kirchhundem vorstellte, tagte quasi nebenan in Lennestadt der Ausschuss für Schulen, Kultur, Sport und Soziales und befasste sich bereits mit dem konkreten Tagesordnungspunkt, dieses Förderprogramm umzusetzen. Die übrigen Kommunen werden folgen. Bürgermeister Björn Jarosz, der an der Ausschusssitzung teilnahm, erklärte dazu: „Wir haben keine gesonderte Vorlage dafür gemacht, aber im Haushalt werden wir das aufgreifen und entsprechende Mittel einplanen.“

Zwei von vier Ärzten sind über 60

Christina Röcher berichtete, sie habe Hausärztinnen und Hausärzte im Kreis Olpe befragt. „42 Prozent denken über eine Praxisaufgabe in den nächsten fünf Jahren nach.“ Konkret bezogen auf die Gemeinde Kirchhundem sei die Lage so, dass von vier Allgemeinärzten die Hälfte über 60 Jahre alt sei. Zwar gebe es keine Altersgrenze mehr; Ärztinnen und Ärzte könnten so lange arbeiten, wie sie möchten, aber die Quote sei bedenklich hoch. Sie stellte zahlreiche weitere Ideen und Projekte vor, die zum Teil bereits angelaufen sind, um den Kreis Olpe für junge Ärztinnen und Ärzte bekannter und attraktiv zu machen.

Bürgermeister Jarosz bedachte den Vortrag mit Lob: „Was Frau Röcher macht, ist ja im Kreis Olpe neu. Wir haben ja eindringlich gesehen, wo die Probleme liegen. Es ist ja offensichtlich, dass da etwas passieren muss. Das gehört zur Daseinsvorsorge. Aber ich bin guter Dinge, und das sind meine Kollegen im Kreis auch, dass die Grundlagenarbeit von Frau Röcher am Ende gute Ergebnisse bringt. Nur braucht es Zeit, und dafür brauchen wir Geduld.“

Kritik an Lennestadt

Friedhelm Hoffmann, beratendes Mitglied im Ausschuss, wollte von Christina Röcher wissen, was sie vom Modell eines Ärztehauses halte, wie es gerade in Grevenbrück entsteht. Dort baut ein Investor, holt mehrere bislang selbstständige niedergelassene Ärzte als Angestellte in ein gemeinsames Ärztehaus. Die Stadt unterstützt das Vorhaben finanziell. Christina Röcher erklärte, sie präferiere eine Lösung, bei der „mehrere Fachrichtungen in einem Haus sind und nicht nur Allgemeinmediziner“. Klar habe es für die Ärzte Vorteile, angestellt zu sein, beispielsweise gedacht an bürokratischen Aufwand, der hier zentral geleistet werde. „Aber es muss auch Einzelpraxen geben. Die Mischung macht es.“ Dr. Joachim Roloff (Unabhängige Kirchhundemer, UK), selbst Arzt, nutzte seine Frage zunächst zur Generalkritik am System: Die Niederlassung als Mediziner sei nur eine „Pseudo-Selbstständigkeit“. Die Politik setze zu enge Grenzen. Er nannte das Stichwort „Regelleistungsvolumen“, das Fleiß bestrafe. „Unterm Strich kommen wir nicht drumherum, als Kommune selbst Geld in die Hand zu nehmen. Wenn die Stadt Lennestadt das tut und eine privatwirtschaftliche Praxis finanziert, ist das wettbewerbsverzerrend, aber das ist der Weg, den wir auch einschlagen werden müssen.“ Vorsitzender Matthias Bette (CDU) schloss den Tagesordnungspunkt mit dem Fazit: „Sie haben uns ein Thema ins Bewusstsein gebracht, das bei vielen nicht präsent war.“