Rahrbach. Sebastian Schöpf im Interview: Der 1. Vorsitzende des Dorfvereins Rahrbach, der die Taverne betreibt, gibt sein Amt ab. Wie geht es weiter?

In Zeiten, in denen eine Dorfkneipe nach der anderen aufgibt, hat die Rahrbacher Dorfgemeinschaft mit ihrer „Taverne 1313“ ein Projekt mit Alleinstellungsmerkmal im Kreis Olpe angestoßen, das im Rahrbachtal eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte geschrieben hat. Die Kneipe ,vom Dorf fürs Dorf’ könnte ein Rezept sein, dem sich vielleicht andere Dörfer anschließen. Sebastian Schöpf ist ein „Mann der ersten Stunde“ des Projekts und hat wichtige Fäden als Vorsitzender des Dorfvereins in Händen gehalten. In der nächsten Woche wird Schöpf sein Amt abgeben. Wir hatten Gelegenheit, mit Ihm über das Projekt und seine Geschichte zu sprechen.

Frage: Herr Schöpf, was war eigentlich die Initialzündung für die Taverne 1313?

Sebastian Schöpf: Als der Ortsvorsteher von Rahrbach, Prof. Dr. Christian Jung, die leerstehende Immobilie Rahrbacher Hof gekauft hatte, bot er uns an, wir könnten als Dorfverein die alte Gastwirtschaft weiter betreiben. Als Testphase für den späteren Umbau des Gewölbekellers, der dann als Kneipe zur Dauerreinrichtung werden sollte.

Vorher war der Rahrbacher Hof eine ganz normale Gastwirtschaft mit Restaurant, deren Besitzer aber in den Ruhestand ging.

Ja, genau.

Wann hat der Dorfverein übernommen?

Im Mai 2019. Erst einmal als Testphase. Wir mussten ja herausfinden, ob eine solche Dorfkneipe überhaupt auf Akzeptanz stoßen würde.

Und wie verlief die Testphase?

Das Dorf hat die Idee phänomenal angenommen. Und daraufhin haben wir uns als Dorfverein dann entschlossen, den Förderantrag direkt bei der Bezirksregierung zu stellen.

Welches Förderprogramm hat für Ihr Projekt gegriffen?

Das Dorferneuerungsprogramm 2019.

Wie hoch war die Fördersumme?

Rund 160.000 Euro vom Land, und 30.000 Euro von der Gemeinde Kirchhundem.

Nächste Woche werden Sie Ihr Amt als Vorsitzender des Dorfvereins weiterreichen. Wann genau wird das sein?

Am 16. August, bei der Jahreshauptversammlung, finden die offiziellen Wahlen statt.

Wer bildet diesen Vorstand momentan, neben Ihnen als 1. Vorsitzenden?

Das ist der David Oberste-Dommes als 2. Vorsitzender, Oli Wenzel als Kassierer und Benedikt Nathe als Schriftführer.

Eine solch wichtige Nachfolge wird in Vereinen meist schon hinter den Kulissen vorbereitet. Ist schon ein Kandidat ausgeguckt?

Intern ist das bereits geklärt, aber bevor die Wahlen stattgefunden haben, nennen wir noch keine Namen.

Werden Sie im Vorstand eine andere Position bekleiden?

Nein, ich werde weder im Vorstand, noch als Beisitzer agieren.

Warum?

Wenn ich im Vorstand bleiben würde, würde ich vermutlich aus dem Dorf noch oft zu Dingen angesprochen, die die Taverne betreffen. Da muss klar Schiff gemacht werden. Ein Schnitt, der für jeden sichtbar vollzogen wird. Auch im Sinne des neuen Ersten Vorsitzenden.

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Welches waren die größten Brocken, die aus dem Weg geräumt werden müssten?

Den Boden des Kellers mit einem Minibagger auszukoffern, weil wir ja deutlich an Höhe gewinnen mussten. Wir brauchten durchweg etwa 2,40 Meter.

Und wie hoch war die Gewölbedecke, als Sie angefangen haben?

Teilweise musste ich mich in gebückter Haltung bewegen, also vielleicht 1,60 Meter. Darüber hinaus mussten wir ringsherum neue Fundamente betonieren. Das waren 84 einzelne Punktfundamente. Jedes ein Meter breit, bis zu 80 Zentimeter hoch.

Also hatte das Haus gar keine Fundamente im heutigen Sinne?

Nein, es stand nur, wie man hier sagt, auf der Sauerländer Egge, also auf Schiefer. Mehr hatten die damals nicht. Das waren große Natursteine, auf denen dann aufgebaut wurde. Die haben wir herausgenommen und dafür betoniert.

Steht das Gebäude unter Denkmalschutz?

Nein, aber der Gewölbekeller ist vermutlich das älteste Bauwerk in Rahrbach.

Was war vor der eigentlichen Projektphase der entscheidende Faktor für Euch als Dorfverein?

Dass uns das Dorf dieses Projekt auch zutraute. Wir haben vor Beginn eine außerordentliche Versammlung einberufen, zu der 100 Rahrbacher gekommen sind. 99 haben dafür gestimmt, bei einer Enthaltung. Das hat uns bestärkt, die Förderanträge zu stellen.

Haben Sie mal ausgerechnet, wie viele Stunden ehrenamtlicher Arbeit Sie bis heute in dieses Projekt gesteckt haben.

Nein, das weiß ich nicht. Meine Frau hat mal gesagt, sie würde mir einen Wohnwagen neben die Taverne stellen.

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Andere Dörfer wollten bzw. wollen Euer Projekt aufgreifen.

Eine Delegation aus Lütringhausen hat sich unsere Taverne angesehen. Wir haben uns ein paar Mal getroffen. Wir sind auch eingeladen, uns deren fertiges Projekt anzusehen. Dort ist ein Clubhaus umgewandelt worden - mit einem Automatensystem. Hinzu kommen Events, die organisiert werden.

Ist der Betrieb einer solchen Dorfkneipe ohne Events wie Geburtstagsfeiern oder Hochzeiten, überhaupt machbar?

Unser Kneipenbetrieb läuft zwar sehr gut, aber größere Veranstaltungen sorgen dafür, dass immer mal wieder notwendige Investitionen gestemmt werden können. Die höheren Energiekosten haben auch uns getroffen. Wir haben hier zwar eine Fußbodenheizung eingebaut, aber auch noch eine Gaszentralheizung. Unsere Be- und Entlüftungsanlagen laufen über Strom. Und diese Kosten sind spürbar gestiegen.

Wenn Sie anderen Dörfern, die ähnliches vorhätten, Ratschläge geben sollten, welche wären die wichtigsten?

Als erstes die Zustimmung, der Rückhalt aus dem Dorf. Ohne die geht so etwas nicht. Es bringt nichts, wenn ein Verein aus dem Dorf so etwas plant, aber die breite Rückendeckung der Menschen aus dem Dorf fehlt.

Ist es sinnvoll, einen neuen Trägerverein zu gründen oder auf einen zurückzugreifen, den es schon gibt, wie in Ihrem Fall?

Besser ist es, glaube ich, wenn es schon einen ansässigen Verein im Dorf gibt, der im Dorf integriert und vernetzt ist. Einen neuen Verein dafür zu gründen, ist eine Hürde mehr, auch eine bürokratische.

Was ist noch wichtig?

Eine genau abgestimmte Struktur im Vorstand. Also die Arbeitsaufteilung. Einer muss sich um die technischen Sachen kümmern, ein anderer um die Bürokratie und Finanzen, darüber hinaus braucht man ein schlagkräftiges Handwerkerteam. Alles das hatten wir. Im Dorf gibt es für jedes Gewerk einen Fachmann. Wir hatten sogar einen Ingenieur dabei, der die komplette Statik berechnet hat. Keine Frage: Die Gewerke sollten im Dorf schon vertreten sein.

Ist ein Projekt wie die Taverne 1313 die Zukunft der Gastronomie auf dem Dorf?

In meinen Augen ja. Das Prinzip ist bei uns ein ganz anderes, als beim Gastronom, der vom Betrieb seiner Gastwirtschaft existieren muss. Wir müssen nur unsere laufenden Kosten decken, dazu die normalen Personalkosten. Ab und zu Inventar, das mal angeschafft werden muss.

Sind im Service ausschließlich Rahrbacher Dorfbewohner beschäftigt?

Nicht nur. Die meisten stammen aus dem Dorf, aber auch einige von außerhalb. Aber auch das sind Bekannte des Kellnerteams. Den Service nur ehrenamtlich zu stemmen, halte ich für nicht realisierbar. Die Menschen, die hier arbeiten, sollen ihr Geld verdienen.

Die Gäste der Taverne sind sicherlich überwiegend Rahrbacher. Aber verirren sich auch Kneipengänger aus Kruberg oder Welschen Ennest zu Euch?

Ja natürlich, regelmäßig. Wir sind eine Kneipe für das ganze Rahrbachtal und darüber hinaus. Jeder ist willkommen.

Das heißt, ihr seid nicht böse darüber, dass in Welschen Ennest keine richtige Schankwirtschaft mehr existiert?

Nein. Wir gönnen jedem Dorf seine Kneipe. Am Umsatz würden wir es vermutlich spüren. Aber existenziell wäre das nicht.

War es ein wesentlicher Schritt für Ihr Projekt, auf eine eigene Küche zu verzichten?

Ja, sehr wichtig. Die Zusammenarbeit mit der Pizzeria in Welschen Ennest klappt reibungslos. Das ist eine ideale Kombination und macht den Betrieb der Taverne deutlich einfacher. Wir müssen keine eigene Küche kaufen und unterhalten, müssen uns nicht um Hygienevorschriften für einen solchen Restaurantbetrieb kümmern, nicht um ein Küchenteam bemühen. Alles große Vorteile. Abgesehen davon, dass wir hier gar keinen Platz für eine solche Küche haben. Deshalb war sie auch von Anfang an nie geplant. Ich würde jedem davon abraten, der eine Dorfkneipe nach unserem Modell betreiben will, eine eigene Küche zu integrieren.

Wann genau hat der Betrieb der Taverne im Gewölbekeller begonnen?

Im August 2022 haben wir eröffnet. Die Testphase im Erdgeschoss hatte im Mai 2019 begonnen.

Gab es mal eine Durststrecke?

Nein, keinen Tag. Außer während der Coronaphase, als wir schließen mussten wie alle anderen auch.

Zur Ihrem Konzept zählen auch die begrenzten Öffnungszeiten. Wann sind die Pforten der Taverne offen?

Donnerstags ab 19 Uhr, freitags ab 19 Uhr, jeden ersten Samstag im Monat ab 19 Uhr, und sonntags den Frühschoppen, der auch schon mal in einen Dämmerschoppen übergeht.

Und die übrigen Samstage?

Die bleiben für größere Veranstaltungen frei.

Sind in der nächsten Zeit schon größere Events geplant?

Ja, unser Sommerfest für unser eigenes Team. Für die, die hier den Laden am Laufen halten. Dafür müssen wir außer der Reihe mal einen Freitag schließen. Aber auch das stößt bei den Rahrbachern auf breites Verständnis. Dieses Fest findet am 18. August statt. Kurz danach ist eine Geburtstagsfeier terminiert, wenig später eine Hochzeit. Dazu muss man wissen, dass wir hier im Keller auch Standesamt sind. Man kann sich hier trauen lassen und direkt feiern. Eine ideale Kombination.

Wie viel Leute können hier maximal feiern?

Bei Konzerten, wenn Stehplätze angeboten werden, bis zu 200, bei Hochzeiten natürlich weniger. Vor einiger Zeit hatten wir einen Beerdigungskaffee mit 75 Gästen, dafür wurde aber auch die Theke eingedeckt.

Letzte Frage: Gibt es etwas, das Sie sich für die Zukunft der Taverne 1313 besonders wünschen?

Dass alles genauso weiterläuft wie bisher und dass alle, die damit zu tun haben, weiterhin so engagiert sind.

Steckbrief

Sebastian Schöpf (38) ist gelernter Gas- und Wasserinstallateur und arbeitet als Industriemeister bei dem Olper Unternehmen Gebrüder Kemper.Seit 2018 ist er 1. Vorsitzender des Dorfvereins Rahrbach, dem Trägerverein der Taverne 1313.

Er ist verheiratet, Vater dreier Kinder und Schützenkönig von Rahrbach.